Partyinsel Ibiza. Helen Donlon
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Allerdings war Ibiza auch zu einem Drehkreuz für den Drogenschmuggel geworden, und in der Szene tummelten sich Dealer und Diebe, Zuhälter und heruntergekommene Prostituierte – die Schattenseite der Beatnik-Welt. Mit den Augen des Pauschaltouristen betrachtet, wirkte Ibiza in den 1960ern und 1970ern recht abgewirtschaftet, trotz der charmanten Hippie-Note, und galt gewissermaßen als isla non grata, während die Nachbarinsel Mallorca gerade für den Tourismus aufpoliert wurde. Ibizas Tageszeitung Diario de Ibiza sprach im September 1963 von „diesen verkommenen und unmoralischen Leuten“, vom „Abschaum der Gesellschaft“, von Gammlern und Außenseitern und „dreckigen, unehrlichen, verachtenswerten Subjekten“.
Zu den Kennern der Insel und der Hippie-Szene zählt Monica Gerlach, eine gebürtige Holländerin, die schon lange auf Ibiza zu Hause ist. Sie wuchs in Angola auf, „in der Wildnis, völlig ungezähmt, wo ich halbnackt herumlaufen konnte“, und heiratete später den Briten Richard Brooke-Edwards, einen illegitimen Adelsspross und Schriftsteller, der jedoch wie viele Auswanderer auf Ibiza nicht zurechtkam. „Er konnte sich nicht einleben. Sie saßen alle in den Bars und tranken den ganzen Tag, erzählten Geschichten, spielten Backgammon und Schach. Er wurde Alkoholiker und starb recht jung.“ Aber trotz der ersten Drogenexperimente, die allmählich Einzug auf den Partys hielten, beschreibt Monica die Sechziger und Siebziger als eine recht unschuldige Zeit. „Es war alles sehr natürlich. Die Leute tanzten und tranken ein bisschen was, rauchten vielleicht auch mal Pot, aber harte Drogen gab es nicht … noch nicht.“
In Sa Penya eröffnete die Bar Anfora – heute ein weltberühmter Schwulenclub, damals eine der ersten Bars mit Live-Musik. „Wir gingen entweder dorthin oder ins Lola’s, das heute auch ein Schwulenclub geworden ist“, berichtet Gerlach weiter. „Dort trafen wir uns nach dem Abendessen, nahmen ein paar Drinks, rauchten, verliebten uns. Wir waren alle zwischen zwanzig und dreißig und kamen aus allen Ländern der Erde. Damals war Ibiza ein bisschen wie die Szene in Hemingways Paris – ein Fest fürs Leben. Die Stadt war voller ausländischer Künstler, allesamt völlig mittellos.“
1958 nahm der Flughafen Es Codolar auf Ibiza seinen Betrieb auf, wobei zunächst nur Maschinen vom Festland dort landeten. Inzwischen war die Insel zum Anziehungspunkt für Musiker avanciert, die aus ganz Europa anreisten, um dort zu komponieren, inspiriert von der schönen Landschaft, den freigeistigen Menschen und dem hedonistischen Lebensstil. Während die Bäuerinnen noch ihre traditionellen Trachten trugen und sich streng verhüllten, spielten die Hippiemusiker am Strand von Figueretes Gitarre und badeten nackt, sobald sie das Gefühl hatten, dass die Polizisten gerade nicht hinschauten. Die zwei so unterschiedlichen Gruppen, die Einheimischen und die Zugereisten, beobachteten einander und begannen ganz allmählich, einander zu akzeptieren. Es entstand eine friedliche Koexistenz, die bis heute Bestand hat.
Beim Platja d’en Bossa, dem langen, goldenen Strand an der Ostküste ganz in der Nähe von Figueretes, hatte sich eine kleine holländische Enklave angesiedelt. Der Beatpoet Simon Vinkenoog war der Zeremonienmeister eines experimentellen Happenings, das „The Big Kick“ genannt wurde und bei dem Stechapfelblätter konsumiert wurden, deren psychedelische Wirkung Delirien auslöste. Der Autor Cees Nooteboom und die Schauspielerin Ingrid Valerius lebten in den Fünfzigern ebenfalls dort, und auch der Gegenkultur-Schriftsteller Jan Cremer, der in der heißen Sonne mit Lederjacke und Biker-Stiefeln von einer Bar zur anderen zog, war Teil dieser kleinen Gemeinde. Er lebte von 1961 bis 1963 auf Ibiza und schloss sich der Gruppe ’59 an, bevor er seinen halbfiktionalen Bestseller Ich, Jan Cremer auf der Insel verfasste.
Weitere illustre Mitglieder der holländischen Enklave waren Bart und Barbara Huges. Anfang der Sechziger hatte Bart auf Ibiza eine bahnbrechende Entdeckung gemacht: Mit einem Mann namens Titi hatte er so lange Kopfstand geübt, bis er herausfand, dass es einen Zusammenhang zwischen der Blutmenge im Gehirn und dem Beibehalten eines Rauschzustands gab. Das brachte ihn dazu, sein „drittes Auge“ permanent zu öffnen, indem er sich ein Loch in den Kopf bohrte. Auf diese Weise, erklärte er, konnte er für den Rest des Lebens einen ähnlich freien Blutfluss im Gehirn erreichen, wie man ihn zurzeit der Kindheit hat, und damit das persönliche Bewusstsein erhöhen. John Lennon überlegte, sich dieser so genannten Trepanation ebenfalls zu unterziehen, machte aber einen Rückzieher.
Die britische Adlige Amanda Feilding, die heute die Beckley Foundation leitet, eine Organisation, die sich der kritischen Untersuchung internationaler Drogenpolitik verschrieben hat, führte die Trepanation bei sich selbst durch: Die positiven Auswirkungen dieser Praxis, die sie bei Bart Huges wie auch bei ihrem damaligen Lebenspartner Joe Mellen hatte beobachten können, hatten sie überzeugt. Mellen hatte sich ebenfalls auf Huges’ Anregung hin trepaniert, und seine späteren Memoiren Bore Hole nahmen in ihrem Titel Bezug auf diese Operation. Bei der Weltkonferenz zum Rauschmittel Ayahuasca, die 2014 auf Ibiza stattfand, war Feilding, die sich stark für die Reform der Drogenpolitik weltweit engagiert, als Gastrednerin eingeladen. Ihr zufolge hatte sich auch Shiva, der hinduistische Gott der Bewusstseinsveränderung, einer Trepanation unterzogen. Dabei handelt es sich um eine medizinische Praxis, die seit Urzeiten ausgeführt wird – so wiesen beispielsweise auf einem Gräberfeld in Frankreich, das auf die Zeit von 6500 v. Chr. datiert wird, drei von 120 der gefundenen Schädel Trepanationslöcher auf.
Schon bald wurde Ibiza zum inoffiziellen Zentrum für Drogenexperimente im Mittelmeerraum. Huges verbarg sein frisch gebohrtes „drittes Auge“ unter seinem Haar. Er war auch einer der ersten, der mit der Information an die Öffentlichkeit ging, dass die amerikanische CIA zur kontrollierten Gehirnwäsche Experimente mit LSD durchführte. Er kaufte sein Acid in Amsterdam und riet jenen, die es nehmen wollten, vorher Zuckerwürfel in Zitronen zu tunken und sie vor dem Trip zu essen, weil sich schlechte Trips dadurch verhindern ließen, dass man regelmäßig Zucker zu sich nahm. Joe Mellen in Bore Hole: „Jeder, der Bart kennenlernte, merkte sofort, dass er wusste, wovon er sprach. Er stammte aus einer Arztfamilie und verfügte über solides medizinisches Wissen. Er gab niemals an oder versuchte die Leute mit medizinischem Fachjargon zu blenden. Wenn man ihn etwas fragte, gab er eine möglichst einfache Antwort. Was könnte man sich von einem Lehrer Besseres wünschen? Es ist eine Tatsache, dass ein Mensch mit niedrigem Blutzuckerspiegel leichter beeinflussbar ist, und daher haben die Worte eines Gurus in einer solchen Situation größeres Gewicht. Anschließend beten ihn seine Schäfchen an. Wenn man Zucker nimmt, ist das alles nicht nötig.“
Über die damalige Szene berichtet Monica Gerlach: „Damals eröffneten das Domino und das Clive’s, und es gab drei Restaurants am Hafen, in die wir regelmäßig gingen. Eine der Bars gehörte einem Ibicenco, der mit einer großen amerikanischen Limousine herumfuhr, die ziemlich großes Aufsehen erregte. Wir alle hingen am wunderschönen Strand Platja d’en Bossa ab, und in der Nähe gab es eine holländische Künstlerkolonie; die Schriftsteller kamen aus aller Herren Länder. Damals waren wir höchstens hundert Ausländer auf der Insel, von daher war, wenn es eine Party gab, jeder eingeladen.“ 1963 reiste die amerikanische Schriftstellerin Irma Kurtz für eine Woche auf die Insel und blieb ein Jahr, so fasziniert war sie von dem, was sie dort vorfand. Sie hatte sich schon eine Stunde nach ihrer Ankunft in die Insel verliebt.
Die Domino-Bar, die dem Deutschen Dieter Loerzer, dem Frankokanadier Alfons Bleau und dem Iren Clive Crocker gehörte, war das Zentrum der Jazz-Szene auf Ibiza: Der Laden verfügte über eine unvorstellbare Sammlung von Jazz-Platten, und die hier verkehrenden Ausländer wussten die breite Auswahl sehr zu schätzen, wenn sie dort bis spät in die Nacht an den Tischen saßen und sich mit ihren romantischen Verirrungen, finanziellen Manövern und existentiellen Verantwortungslosigkeiten herumschlugen. In seiner Autobiografie Dope In The Age Of Innocence