Pink Floyd. Mark Blake
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Pink Floyds erste Single war „Arnold Layne“, ein Song über einen Fetischisten, dessen wunderliches Hobby es war, Damenunterwäsche zu stehlen. Sie wurde am 11. März 1967 veröffentlicht. Die Kinks und The Who versuchten sich bereits an ausgefalleneren Songtexten und bahnten gleichzeitig einer Reihe von schrulligen englischen Bands den Weg, die mit großem Vergnügen genauso klangen: schrullig und englisch. „Arnold Layne“ war im Vergleich dazu schon etwas grusliger. Die Lyrics waren angeblich von einer wahren Geschichte inspiriert, die sich in Cambridge ereignet hatte. Ein unbekannter Unterhosen-Dieb hatte Mary Waters’ Wäscheleine leergeräumt und Roger hatte Syd von diesem Vorfall berichtet. Die Musik bediente sich eines wirren, Ringelspiel-artigen Rhythmus. Barretts Gesang klang aufsässig englisch und ließ trockenen Humor vermuten. Es war Richard Wrights Farfisa-Orgel, die am offenkundigsten psychedelisch daherkam und der Nummer anstelle eines konventionellen Gitarrensolos einen farbenfrohen Anstrich verpasste und den Song zu dominieren vermochte. Im Frühling 2006, als er als Keyboarder in David Gilmours Solo-Band unterwegs war, sang Wright Syds Leadgesang-Part für eine Version des Songs.„Arnold Layne“ erinnert daran, wie unverzichtbar der ruhige, zaghafte Wright für Pink Floyds früheste Arbeiten war. „Jeder – inklusive mir – unterschätzte Rick“, gesteht Peter Jenner. „Aber er war so wichtig für diese frühen Aufnahmen. Ich erinnere mich daran, wie er Harmonien und Arrangements aussuchte, den anderen sagte, was sie singen sollten, und Rogers Bass stimmte … Ich glaube außerdem, dass die Zusammenarbeit von Rick und Syd generell unterschätzt wird.“
Mit ein wenig Hilfe seitens des Managements („Wir wendeten ein paar Hundert Pfund dafür auf, die Scheibe in die Charts einzukaufen“, gestand Andrew King) erreichte „Arnold Layne“ schließlich die Nummer 20 in den UK-Charts, wurde gleichzeitig aber auch von Radio Caroline und Radio London aufgrund der heiklen Thematik boykottiert. „Wir haben keine Ahnung, was sie daran so aufregt“, protestierte Waters in Disc and Music Echo. „Der Song handelt von einem Kleidungsfetischisten, der ein wenig ein Rad ab hat. Das ist ein sehr einfacher, direkter Song über eine Art von menschlichem Dilemma.“
Die ehemalige UFO-Hausband hatte sich also dafür entschieden, in den Vordergrund des öffentlichen Interesses zu drängen, obwohl ein Auftritt bei Top of the Pops, dem Flaggschiff der BBC, schließlich gestrichen wurde, als die Single ihren Höhepunkt überschritten hatte. „Wir wollen Popstars sein“, erklärte Waters einem Interviewer. Oberflächlich betrachtet wirkte es, als wäre die Band bereit, durch alle Reifen zu springen, die man ihnen vor die Nase hielt: Sie posierten herausgeputzt in ihren besten Hemden und Stiefeln für ein Foto vor dem EMI-Hauptquartier am Manchester Square und ließen sich selbstgefällig mit EMI-Schwergewicht Beecher Stevens in seinem Büro ablichten. Vor allem aber begaben sie sich auf eine zermürbende Tour, die die Morrison Agency gebucht hatte. Diese Konzertreise führte sie kreuz und quer durchs ganze Land, wobei sie regelmäßig zwei Gigs an einem Abend zu absolvieren hatten.
Abgesehen von „Arnold Layne“ bestand das Set der Gruppe nach wie vor aus weniger leicht verdaulichen „Freak-outs“, die das benebelte, zugedröhnte Publikum im UFO regelmäßig in begeistertes Staunen versetzt hatten. Die Konzertbesucher in der Provinz reagierten hingegen weit weniger aufgeschlossen: Verstimmte Gäste bedachten die Gruppe vom ersten Rang herab mit Bierduschen und Waters, der sich nicht scheute, selbst dem feindseligsten Publikum mit einer spitzfindigen Bemerkung entgegenzutreten, erlitt eine klaffende Kopfwunde, als er eines Abends von einer Münze an der Stirn getroffen wurde. Aubrey „Po“ Powell fuhr die Band sechs Monate lang zu ihren Gigs und sah, wie schlecht ihre Musik ankam: „Sie spielten vor, sagen wir mal, 20 Mods, die angesichts dieser psychedelischen Band alle entsetzt dreinblickten. Sie wollten doch eigentlich Junior Walker hören.“
Als The Pink Floyd sich zur Vorzeige-Underground-Band der EMI mauserten, befand sich die Szene, die sie ursprünglich hervorgebracht hatte, gerade im Umbruch. Im Frühjahr war Keith Richards von den Stones wegen Drogen verhaftet worden und die Vorliebe der Musikbranche für illegale Substanzen wurde zum idealen Futter für die Klatschpresse. News of the World titelte etwa mit Schlagzeilen wie „POP SONGS UND DER KULT UMS LSD“ und The Pink Floyd wurde fälschlicherweise unterstellt, sich selbst als „social deviants“ – also als „soziale Abweichler“ – bezeichnet zu haben. Dabei hatte die Zeitung sie mit Mick Farrens Band, The Social Deviants, verwechselt. Nachdem Anwälte konsultiert worden waren, erhielten The Pink Floyd schließlich eine Entschuldigung. Es gelang ihnen sogar, die EMI davon zu überzeugen, dass ihre Musik in keinerlei Hinsicht die Erfahrung eines LSD-Trips nachzuempfinden versuche, wie ihnen vorgeworfen wurde. „Wie wir das angestellt haben, weiß ich auch nicht“, wundert sich Nick Mason.
Während The Pink Floyd weiteren Konsequenzen entgingen, hatten andere nicht ganz so viel Glück. Inmitten all der Aufregung wurde John „Hoppy“ Hopkins wegen Marihuana-Besitzes für sechs Monate eingebuchtet. „Ich war einfach leichtsinnig, unglaublich leichtsinnig“, gesteht er heute ein. Bevor er seine Strafe im Knast von Wormwood Scrubs antrat, übergab er Joe Boyd die alleinige Kontrolle über den UFO-Club. Als A&R-Mann beschloss Boyd verständlicherweise, den Fokus darauf zu legen, neue Bands zu buchen anstatt weitere Mixed-Media-Happenings zu veranstalten. In den folgenden Jahren sollte Boyd behilflich sein, die Karrieren von Fairport Convention, Nick Drake und vielen anderen zu organisieren, doch für manche war der kommerziellere Ansatz an den Club ein Anzeichen dafür, dass die Underground-Szene gespalten wurde – dass sie eben einfach nicht länger den Namen „Underground“ verdiente. The Pink Floyds Unterschrift bei EMI verdeutlichte diese Veränderung. „Meiner Meinung nach war es eine Schande, dass Pink Floyd nicht mehr die ‚unsrigen‘ waren“, bekennt Jenny Fabian.
Mick Farren sieht die Sache pragmatischer. „Den rationaler Denkenden unter uns war ziemlich klar, dass die Floyds auf einem Major-Label landen würden, aber ein paar der Freaks sahen darin einen Ausverkauf. Ich erinnere mich, dass jemand auf die Toilettenwand im UFO ‚Pink Finks‘ [in etwa: ‚Pinke Verräter‘] geschmiert hatte. Mich störte allerdings, wie schnell sie sich aus der Drogenkultur, in der sie sich einen Namen gemacht hatten, verabschiedeten, als die Kacke plötzlich am Dampfen war und die Stones verhaftet wurden, Hoppy ins Gefängnis musste und man auf der Straße massiv schikaniert wurde. Das ließ sie wie Drückeberger wirken.“
Die Gruppe sah die Szene jedoch mehr als eine Art Startrampe für ihre Musik denn als eine Philosophie, nach der sie ihr Leben richten wollte. Nachdem sie ihre akademische Ausbildung abgebrochen hatten, um eine Musikkarriere zu verfolgen, war eben diese Karriere wichtiger als das Schicksal der London Free School oder der International Times.
„Mit manchen Elementen des ‚Undergrounds‘ konnten wir etwas anfangen“, sagt Nick Mason heute. „Man lieferte die Musik, während andere Leute tanzten, sich die Gesichter anmalten und in Unmengen von Götterspeise badeten. Vermutlich da wir der Mittelklasse entstammten und einigermaßen gebildete Leute waren, gelang es uns, unter anderem so zu sprechen, als würden wir einer aktuellen Bewegung angehören.“
Roger Waters sieht das Ganze sogar noch distanzierter. „Bis heute weiß ich immer noch nicht genau, was es mit vielen dieser Dinge überhaupt auf sich hatte“, gibt er zu. „Da wurde zwar vage von einer Revolution gesprochen, aber nichts Spezifisches. Ich las auch die International Times ein paar Male, aber was war die Notting Hill Free School noch einmal? Was war ihre Zielsetzung genau? Ich begriff nie, worum es dabei ging – abseits von ein paar ‚Happenings‘ vielleicht. Diese ‚Happenings‘, die wir veranstalteten, waren nie mehr als ein Witz.“
Zwar konnte EMI überredet werden, der Band einen neue Ford Transit und ein neues Binson Echorec – jenes Wunderding, das für die Space-Geräusche verantwortlich war – zu spendieren, doch für die Hotelkosten wollte die Plattenfirma nicht aufkommen. Nach Gigs im hohen Norden musste die Band daher stets noch die nächtliche Rückfahrt nach London in Kauf nehmen. Die zusammengewürfelte Crew hielt ihnen dabei den Rücken frei. Peter Wynne-Willson