Unbestreitbare Wahrheit. Mike Tyson

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Unbestreitbare Wahrheit - Mike  Tyson

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darin, dem Boxer Selbstvertrauen einzuflößen. Aber um dieses Selbstvertrauen zu bekommen, musste man sich selbst testen und durfte sich nicht verstecken. Dieses Gefühl entsteht nicht durch Osmose und kommt nicht aus der Luft. Es entsteht, wenn man konsequent dieses Bild im Kopf visualisiert, um das Selbstvertrauen aufzubauen, das man anstrebt.

      In den ersten Wochen mit Cus machte er mich mit all diesen Dingen vertraut und erläuterte mir seinen Plan. Er übertrug mir eine Aufgabe. Ich sollte der jüngste Box-Schwergewichtschampion der Welt werden. Damals hatte ich noch keine Ahnung, aber nach einer von vier langen Unterhaltungen vertraute Cus Camille an: „Camille, das ist der Boxer, auf den ich mein Leben lang gewartet habe.“

      Ich stand kurz davor, nach Brooklyn zurückgebracht zu werden. Da tauchte Bobby Stewart bei mir auf.

      „Ich will nicht, dass du nach Brooklyn zurückkehrst, denn ich habe Angst, du könntest etwas Dummes anstellen, getötet oder wieder eingebuchtet werden. Willst du zu Cus ziehen?“

      Ich hatte auch keine Lust, zurückzukehren, und sehnte mich nach einer Veränderung in meinem Leben. Es gefiel mir, wie diese Leute redeten und mir ein gutes Gefühl gaben, mir vermittelten, Teil der Gesellschaft zu sein. Also teilte ich meiner Mutter mit, dass ich bei Cus wohnen wolle.

      „Ma, ich will bei ihm wohnen und trainieren. Ich will Boxer werden, ich kann der Beste der Welt werden.“ Cus hatte mich mit all seinem Gesülze über den Geist völlig heiß gemacht, wie groß ich werden würde, wie ich mich Tag für Tag in jeder Beziehung verbessern würde. Dieser ganze Bullshit über Selbsthilfe. Meine Mom war wenig begeistert, doch sie erteilte mir schriftlich die Erlaubnis. Vielleicht dachte sie auch, als Mutter versagt zu haben.

      Also zog ich bei Cus, Camille und den anderen Boxern ein. Ich erfuhr immer mehr über Cus, da wir nach dem Training immer lange Gespräche führten. Er mochte es, wenn ich ihm all die abgefuckten Geschichten über mein Leben erzählte. Er strahlte dann wie ein Christbaum: „Erzähl mir mehr.“ Ich war der ideale Kerl für seinen Plan – zerrüttete Familienverhältnisse, ungeliebt, bettelarm. Ich war taff und stark, aber auch hinterhältig, und trotzdem ein ungeschliffener Diamant. Cus wollte, dass ich meine Defizite akzeptierte. Er vermittelte mir nicht das Gefühl, dass ich mich wegen meines Backgrounds schämen müsste oder weniger wert war. Ihm gefiel es, dass ich eine große Begeisterungsfähigkeit besaß, ein Begriff, den mir Cus beibrachte.

      Da Cus ebenfalls eine schwere Kindheit gehabt hatte, konnte er sich gut in mich hineinversetzen. Seine Mutter war sehr jung gestorben. Als kleines Kind hatte er bei einem Straßenkampf die Sehkraft auf einem Auge eingebüßt. Als er ein junger Mann war, war sein Vater in seinen Armen gestorben. Und ein Bulle hatte seinen Lieblingsbruder erschossen.

      Cus hatte in seinem Leben nur ein Jahr lang einen geregelten Job. Dann kündigte er, weil er Streit mit seinen Kollegen bekam. Aber er verbrachte viel Zeit damit, den Leuten in seiner Nachbarschaft zu helfen und ihre Probleme zu lösen – fast wie ein inoffizieller Sozialarbeiter. Es machte ihm viel Freude, anderen zu helfen. Cus trug auch dazu bei, dass die korrupten Politiker in seinem Bezirk abgesetzt wurden, als LaGuardia, ein Reformer, sich als Bürgermeister von New York bewarb. Er stellte sich einem der korrupten Kerle, der eine Waffe auf ihn gerichtet hatte, entgegen und war ohne Furcht.

      Aber er war auch verbittert.

      „Mein Leben lang habe ich mich für den kleinen Mann eingesetzt“, sagte Cus. „Weil ich mich immer für die Benachteiligten einsetzte, bekam ich viel Ärger. Einige der Menschen, denen ich geholfen habe, verdienten es nicht. Nur sehr wenige Leute sind es überhaupt wert, gerettet zu werden.“

      Cus war völlig „farbenblind“. Der beste Freund seines Vaters war ein Schwarzer gewesen. Als er bei der Army im Süden stationiert war, führte er ein Boxteam. Wenn sie auf Reisen waren, wurden seine schwarzen Boxer in den Hotels abgewiesen, also übernachtete er mit ihnen in den Parks.

      Er war auch ein überzeugter Sozialist und schwärmte für Che, Fidel und die Rosenbergs. Er hatte mir vom Fall Rosenberg berichtet, und ich zog ihn damit auf.

      „Aber Cus, das war nicht richtig, sie waren schuldig“, sagte ich.

      „Oh ja“, brüllte er. „Du hast gut reden, aber wenn die Sklaverei wieder eingeführt wird, überlegst du auch nicht, wer schuldig war oder nicht, denn genau das haben sie vor. Kapiert?“

      Sein größter Feind war Ronald Reagan. Wenn Reagan einen Fernsehauftritt hatte, schrie Cus aus Leibeskräften: „LÜGNER, LÜGNER, LÜGNER!!!“ Cus war ein Fanatiker, faselte immer davon, wer sterben sollte. „Ein Mann stirbt genau so, wie er gelebt hat“, erklärte er mir.

      Eines Tages sagte Cus: „Wenn du viel Geld verdienst, könntest du wirklich jedem helfen, der dir am Herzen liegt. Du könntest auch die Kirchen der Schwarzen unterstützen.“ Er fand, die Kirchen der Schwarzen seien der beste Ausgangspunkt für deren soziales Netzwerk. Er verehrte Martin Luther King. Cus half ständig irgendwelchen Leuten und verschenkte mit der Zeit sein gesamtes Geld.

      „Geld ist etwas, das man mit vollen Händen ausgibt“, erklärte er mir. „Geld bedeutet Sicherheit, und für mich bedeutet Sicherheit Tod, also kümmerte ich mich nie um Geld. Alles, was mir etwas bedeutet, kann ich nicht mit Geld erwerben. Geld hat mich noch nie beeindruckt. Zu viel Geld befindet sich in den falschen Händen – eine Verbindung, die nicht gesund ist. Eigentlich gehe ich nicht leichtsinnig mit Geld um. Ich habe es Menschen in Not geschenkt, und das war keine Verschwendung.“

      Er hielt auch nichts davon, unter einer konservativen Regierung Steuern zu zahlen. Als er 200.000 Dollar besaß, erklärte er sich gegenüber dem Finanzamt für insolvent.

      Wie Cus zum Boxen kam, ist ein großes Geheimnis. Er tauchte irgendwann aus dem Nichts auf und erklärte: „Ich bin Boxtrainer.“ Keiner kannte ihn. Er hatte keine Ahnung von Verträgen und Boxern, doch er behauptete, Manager zu sein. Er begann damit, einen vielversprechenden jungen Schwergewichtsboxer namens Floyd Patterson zu managen und zu trainieren. Auch er stammte aus ärmlichen Verhältnissen in Brooklyn. Damals wurde der Boxsport vom IBC, dem International Boxing Club, beherrscht. Dieser bestand aus reichen Unternehmern, in deren Händen die Vermarktung der Meisterschaftskämpfe lag. Cus sorgte dafür, dass Floyd die Meisterschaft gewann, und dann flickte er dem IBC am Zeug, was bedeutete, er ging gegen den Mob an, weil Frankie Carbo, ein Mitglied der Familie Lucchese, mit dem IBC paktierte. Cus trug dazu bei, den IBC zu Fall zu bringen, und Carbo landete wegen Verschwörung, Erpressung und unerlaubter Betriebsführung im Gefängnis.

      Cus’ Herz wurde gebrochen, als Roy Cohn, ein konservativer Anwalt, Patterson abwarb, indem er den frisch konvertierten katholischen Boxer mit einem Dinner mit New Yorks Kardinal Spellman lockte. Nie wieder betrat Cus daraufhin eine katholische Kirche. Er schien jetzt überhaupt zunehmend paranoid zu werden und behauptete, jemand habe versucht, ihn vor die U-Bahn zu stoßen. Er besuchte auch keine Bars mehr, weil er Angst hatte, jemand könnte ihm etwas in den Drink tun. Er ließ die Taschen seiner Mäntel zunähen, damit ihm niemand Drogen in die Taschen schmuggeln konnte, um ihn reinzulegen. Schließlich zog er ins Hinterland von New York City, nach Catskills.

      Auch im Haus verhielt er sich paranoid. Niemand durfte sein Zimmer betreten, und er arrangierte ein paar Streichhölzer so, dass er feststellen konnte, ob jemand in seiner Abwesenheit in seinem Zimmer war. Wenn er mich in der Nähe seines Zimmers entdeckte, sagte er: „Was tust du denn hier oben?“

      „Cus, ich wohne hier oben“, antwortete ich.

      Einmal waren Tom, Frankie und zwei weitere Boxer, die im Haus wohnten, ausgegangen. Cus vertraute niemandem von uns die Hausschlüssel an, da er Angst hatte, wir könnten sie verlieren und ein Fremder so ins Haus gelangen. Als wir heimkamen und an die Tür klopften, öffnete uns niemand. Ich schaute durchs Fenster:

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