Unbestreitbare Wahrheit. Mike Tyson

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Unbestreitbare Wahrheit - Mike  Tyson

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nicht warst, dann weißt du bestimmt, wer’s war, du Dieb“, kreischte meine Mutter. „Du bist nichts als ein Dieb. Ich habe mein ganzes Leben lang nichts gestohlen. Ich weiß gar nicht, woher du das hast, du Ganove.“

      Oh Gott. Können Sie sich vorstellen, dass Ihre eigene Mutter so einen Mist verzapft und Sie für einen Dieb hält? Für meine Familie war ich ein hoffnungsloser Fall, alle dachten, ich würde als Krimineller enden. Niemand sonst in meiner Familie hatte je so etwas getan. Meine Schwester leierte mir ständig vor: „Welcher Vogel fliegt nicht? Der Gefängnisvogel.“

      Einmal begleitete ich meine Mutter zu ihrer Freundin Via. Vias Mann war einer dieser Kerle, die gern mit ihrem Geld protzten. Er ging schlafen, und ich klaute ihm die Geldbörse aus der Tasche und nahm das Geld. Als er aufwachte, verprügelte er Via brutal, weil er dachte, dass sie das Geld gestohlen hätte. Alle in der Nachbarschaft fingen an, meine Unverfrorenheit zu hassen. Und wenn sie mich nicht hassten, so waren sie neidisch auf mich, sogar die Spieler, denn ich besaß Nerven aus Stahl.

      Ich fühlte mich unglaublich. Es war mir gleichgültig, ob jemand, dem ich die Halskette entriss und den ich die Treppe hinunterwarf, sich den Kopf aufschlug, bumm, bumm, bumm. Machte es mir etwas aus? Nein, denn ich wollte diese Halskette um jeden Preis: Mitleid war für mich ein Fremdwort. Warum sollte ich auch welches haben? Mit mir hatte ja auch niemand Mitleid gehabt. Ich empfand nur dann Mitleid, wenn einer meiner Freunde bei einem Bruch erstochen oder erschossen wurde. Das machte mich traurig.

      Aber ich machte einfach weiter, dachte wohl, dass ich nicht getötet würde, dass mir das nicht passieren könnte. Ich konnte einfach nicht aufhören. Ich wusste, dass ich dabei draufgehen konnte, aber das war mir egal. Ich glaubte ohnehin nicht, dass ich jemals 16 werden würde, also was sollte das. Vor Kurzem sagte mein Bruder Rodney zu jemandem, er finde, dass ich der mutigste Kerl sei, den er kenne, aber ich fand mich gar nicht mutig. Ich hatte tapfere Freunde, die wegen ihres Schmucks, ihrer Uhren oder ihres Motorrads erschossen wurden. Sie haben ihre Beute aber nicht aufgegeben, obwohl man sie ihnen entreißen wollte. Diese Jungs genossen in der Nachbarschaft den größten Respekt. Ich weiß nicht, ob ich mutig war, aber ich erlebte auch, wie Menschen Mut bewiesen. Ich fand immer, dass ich eher verrückt als mutig war. Ich schoss auf offener Straße auf Menschen, während meine Mutter aus dem Fenster guckte, und war einfach hirnlos. Rodney hielt es für Mut, aber in Wahrheit war es mangelnde Intelligenz. Ich war ein Extremist.

      Jeder, den ich kannte, stand mit beiden Füßen im Leben. Sogar die Jungs, die Jobs hatten, verdienten sich ein Zubrot mit Gaunereien. Sie verkauften Drogen oder stahlen irgendwas. Es war wie eine Science-fiction-Welt, wo die Bullen die bösen Jungs waren und die Diebe und Ganoven die guten. Wenn man niemandem etwas zugefügt hatte, galt man als Spießer, und niemand wollte etwas mit einem zu tun haben. Gehörte man zu den Bösen, war man in Ordnung. Wenn dir jemand in die Quere kam, dann kämpften sie für dich, weil sie wussten, dass du einer von ihnen warst. Es war so geil, dass all diese heruntergekommenen, grinsenden Mistkerle meinen Namen kannten.

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      Alles eskalierte, als ich Bekanntschaft mit der Polizei machte. In Brownsville erschossen zu werden, war nichts Ungewöhnliches. Man war gerade in irgendeiner Gasse mit Glücksspielen beschäftigt, und ein paar Kerle kreuzten auf und schossen aufeinander. Man wusste nie, wann es losging. Andere wiederum fuhren auf ihren Motorrädern vorbei, und bumm, bumm schossen sie auf einen. Wir wussten im Allgemeinen, wo sich gewisse Gangs herumtrieben, und mieden deshalb bestimmte Plätze.

      Aber es ist etwas ganz anderes, wenn die Bullen anfangen, auf einen zu schießen. Eines Tages schlenderten ein paar von uns Jungs auf der Amboy Street an einem Juwelierladen vorbei und sahen den Juwelier, der eine Schachtel trug. Ich schnappte sie mir, und wir rannten, so schnell uns die Füße trugen. Als wir kurz vor unserem Wohnblock waren, hörten wir quietschende Reifen und ein paar Undercover-Bullen sprangen aus dem Auto und fingen an, auf uns zu schießen. Ich rannte in ein abbruchreifes Haus, in dem wir immer herumhingen, und ich wusste, ich war gerettet. Ich kannte mich in dem Gebäude genau aus und wusste, wie man hinter den Mauern verschwand, durch ein Loch schlüpfte, auf das Dach hoch kletterte und sich in den Dachsparren versteckte. Und genau das tat ich, ich ging hinauf, spähte durch das Loch und sah, wer unten alles herumlief.

      Dann sah ich, wie die Bullen in das Gebäude stürmten. Sie liefen herum, mit gezogenen Pistolen, und einer von ihnen schlüpfte durch ein Loch im Boden.

      „Verdammte Scheiße, diese beschissenen Kids verarschen mich, locken mich hier rein“, sagte er. „Ich werde den verdammten Bastarden das Licht ausblasen.“

      Ich belauschte das Gespräch dieser weißen Bullen und lachte mir ins Fäustchen. Das Gebäude war zu baufällig, als dass die Bullen es bis zum nächsten Stock geschafft hätten, da die Stufen durchbrachen. Aber es bestand die Gefahr, dass sie hoch blickten und mich zwischen den Dachsparren entdeckten und auf mich schossen. Ich erwog, auf das nächste Dach zu springen, aber das wären immerhin drei Meter gewesen.

      Also arbeitete ich mich auf das Dach vor, und mein Freund, der im selben Haus wie ich wohnte, stand auf seinem Dach. Ich robbte auf den Knien voran, wenn ich aufgestanden wäre, hätten mich die Bullen ja sehen können. Aber mein Freund beruhigte mich.

      „Mike, entspann dich. Sie sind wieder raus aus dem Gebäude, aber sie sind immer noch auf der Suche nach dir. Da unten stehen jede Menge Polizeiautos“, berichtete er mir.

      Ich stand, so mein Gefühl, eine Ewigkeit auf dem Dach und wartete.

      „Mike, sie sind weg“, verkündete mein Freund schließlich.

      Also ging ich wieder hinunter, blieb aber noch ein paar Minuten im Haus. Meine Freunde suchten den Block ab, um sicher zu sein, dass sich die Bullen nicht irgendwo versteckt hatten.

      „Mike, warte noch ein bisschen“, bat mich mein Freund. Schließlich gab er mir Entwarnung. Ich war froh, dass ich meinen Arsch gerettet hatte. Wir hatten all die teuren Uhren, Medaillons, Armbänder, Brillanten und Rubine. Wir brauchten zwei Wochen, um den ganzen Kram loszuwerden, mussten einiges unter der Hand verkaufen und einen Teil in einem anderen Stadtteil verschachern.

      Es klingt wie ein Witz, aber zum ersten Mal festgenommen wurde ich wegen einer gestohlenen Kreditkarte. Ich war damals zehn und sah eindeutig zu jung aus, um schon eine Kreditkarte zu besitzen. Also überredeten wir einen älteren Jungen, uns in ein Geschäft zu begleiten und dieses und jenes zu kaufen, auch etwas für sich selber.

      Als wir ein anderes Mal in einem Laden in der Belmont Street versuchten, die Karte einzusetzen, sahen wir aber für eine Kreditkarte einfach zu jung aus. Wir stapelten die Klamotten und Sneakers an der Kasse und reichten der Kassiererin die Kreditkarte. Sie bat uns, einen Moment zu warten, und tätigte einen Anruf. Sie schnitt dann die Karte durch, und innerhalb von Sekunden tauchten die Bullen auf und verhafteten uns.

      Sie brachten mich zur Polizeiwache in unserem Viertel. Meine Mutter hatte kein Telefon, also holten sie sie mit dem Polizeiauto ab und brachten sie dorthin. Als sie reinkam, schrie sie mich an und schlug wie wild auf mich ein. Als ich zwölf war, wurde das zur Routine. Wegen dieser Festnahmen musste ich bei Gericht erscheinen, aber ich wurde nicht verurteilt, weil ich minderjährig war.

      Ich hasste es, wenn meine Mutter auf dem Revier aufkreuzte und auf mich einschlug. Ich kauerte mich in einer Ecke zusammen und versuchte, mich zu schützen, wenn sie mich attackierte. Anschließend betrank sie sich mit ihren Freundinnen und erzählte ihnen, wie sie den Teufel aus mir herausgeprügelt habe. Das war wirklich traumatisierender Scheiß. Bis heute muss ich den Blick abwenden, wenn ich in eine Zimmerecke schaue, da ich an all die Schläge erinnert werde, die meine Mutter mir verpasst hat.

      Sie schlug mich sogar, wenn ich nichts falsch gemacht hatte. Einmal,

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