Unbestreitbare Wahrheit. Mike Tyson

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Unbestreitbare Wahrheit - Mike  Tyson

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vor unserem Haus ausgeraubt. Wir beobachteten diese Jungs, die einfach wild herumschossen. Es war wie in einem alten Film mit Edward G. Robinson. Wir wollten uns das Ganze ansehen und sagten: „Wow, das ist also das wahre Leben.“

      Die gesamte Umgebung war auch eine Brutstätte sexueller Ausschweifung. Alle waren völlig schamlos. Sogar auf der Straße hörte man: „Blas mir einen“ oder „Leck meine Muschi“. Hier herrschte eine völlig andere Lebensweise als in meinem alten Viertel. Eines Tages zerrte mich ein Junge von der Straße, schob mich in ein verlassenes Gebäude und versuchte, sich an mir zu schaffen zu machen. Auf den Straßen fühlte ich mich nie richtig sicher. Ja, wir waren nicht einmal mehr in unserer Wohnung sicher. In Brownsville gab es keine Partys mehr. Meine Mutter schloss wohl ein paar Freundschaften, aber es war nicht mehr so wie in Bed Stuy. Sie fing an zu trinken, trank immer mehr und bekam auch keinen neuen Job mehr. Also stand ich stundenlang mit ihr im Sozialamt an. Es waren endlose Warteschlangen. Als wir nach Stunden endlich vor dem Schalter standen, war es fünf Uhr, und wir lasen: „Geschlossen“. Es war wie in einem Film.

      Auch in Brownsville wurden wir rausgeschmissen, und nicht nur einmal. Ab und zu hatten wir eine anständige Wohnung in einer ordentlichen Wohngegend, wenn uns Freunde meiner Mutter oder einer ihrer Liebhaber aufnahmen. Doch im Allgemeinen wurden die Verhältnisse bei jedem Umzug schlechter. Erst waren wir arm, dann sehr arm und schließlich bettelarm. Am Ende lebten wir in Abbruchhäusern, ohne Heizung, Wasser oder Strom. Im Winter schliefen wir alle im selben Bett, um uns gegenseitig zu wärmen. Dort blieben wir, bis irgendein Kerl uns rauswarf. Meine Mutter ging dann los, um eine andere Bleibe für uns zu suchen, was oft bedeutete, dass sie mit jemandem schlief, aus dem sie sich nicht viel machte. So liefen die Dinge damals.

      Sie wollte uns das Obdachlosenheim ersparen, also bezogen wir das nächste abbruchreife Haus. Es war traumatisch, aber was konnten wir tun? Was ich von meiner Mutter gelernt habe, hasse ich an mir: Ich schreckte vor nichts zurück, um zu überleben.

      Ich erinnere mich noch genau, wie Sozialarbeiter in unsere Wohnung kamen und nach Männern unter dem Bett suchten. Im Sommer bekamen wir kostenloses Frühstück und Essen. Ich erklärte, dass wir zehn Kinder seien, sodass man uns größere Portionen gab. Ich fühlte mich dabei, als wäre ich gerade in den Krieg gezogen und hätte eine Prämie erhalten. Man ist so stolz, dass man was zu essen im Haus hat. Können Sie sich diesen Schwachsinn vorstellen? Sie öffnen den Kühlschrank und sehen das verdammte Fleischwurst-Sandwich, die Orange und die kleine Milchpackung. 20 davon. Ich lud ein paar Leute ein und fragte: „Bruder, brauchst du was zu essen? Hast du Hunger? Wir haben Essen.“ Wir taten so, als hätten wir hart verdientes Geld dafür bezahlt. Dabei war alles umsonst.

      Als ich klein war, war ich ein Mamakind, schlief immer bei meiner Mutter im Bett. Meine Schwester und mein Bruder hatten ihr eigenes Zimmer, aber ich schlief bei meiner Mutter, bis ich 15 war. Einmal schlief meine Mutter mit einem Mann, während ich danebenlag. Sie dachte wohl, dass ich schlafen würde. Ich bin mir sicher, dass dies nicht ohne Wirkung auf mich blieb, aber die Dinge waren eben so, wie sie waren. Als ihr Freund Eddie Kelvison auf der Bildfläche erschien, wurde ich auf die Couch verfrachtet. Die Liebesbeziehung zu ihm tat meiner Mutter nicht gut. Vermutlich waren deshalb meine eigenen Beziehungen so seltsam. Sie ließen sich volllaufen, stritten und vögelten miteinander, zerstritten sich, begannen wieder zu trinken, zu streiten und zu vögeln. Sie liebten sich wirklich, auch wenn es eine echt kranke Liebe war.

      Eddie war ein kleiner, gedrungener Typ aus South Carolina, der als Vorarbeiter in einer Waschmaschinenfabrik arbeitete. Er war in der Schule nicht sehr weit gekommen, und als mein Bruder und meine Schwester in die 4. Klasse kamen, konnte er ihnen bei den Hausaufgaben nicht mehr helfen. Eddie war ein sehr dominanter Typ und meine Mutter eine sehr dominante Frau, sodass ständig die Hölle los war. Immer war irgendein Streit im Gange, und die Bullen tauchten auf und rieten: „He, Kumpel, geh doch einfach mal um den Block.“ Manchmal wurden wir alle in den Streit mit hineingezogen. Eines Tages hatten meine Mutter und Eddie einen heftigen Streit, der sogar in eine Schlägerei ausartete. Ich versuchte, Eddie zurückzuhalten, doch er versetzte mir einen Schlag in den Magen, und ich ging in die Knie und dachte: „Oh Gott, das kann doch nicht wahr sein!“ Ich war doch noch ein Kind. Das ist der Grund, weshalb ich später nie die Hand gegen meine eigenen Kids erhob. Ich wollte nicht, dass sie mich als Monster in Erinnerung behielten. Doch damals fand man nichts dabei, ein Kind zu schlagen, das kümmerte niemanden. Heutzutage gilt es hingegen als Verbrechen, und man wandert ins Gefängnis.

      Eddie und meine Mutter stritten sich über alles – andere Männer oder Frauen, Geld, die Kontrolle. Eddie war kein Engel. Wenn meine Mutter Freundinnen bei sich hatte und alle betrunken waren und Mom umkippte, vögelte er ihre Freundinnen. Und dann ging der Streit erst richtig los. Es ging brutal zu, und die beiden gingen mit allen möglichen Gegenständen aufeinander los und fluchten: „Fick dich doch ins Knie, du Hurensohn“ und „Du schwarze Schlampe, besorg’s mir endlich …“ Und wir schrien: „Mommy, hör auf, nein!“ Als ich 17 war, lagen sie mal wieder im Streit, und Eddie schlug ihr ihren Goldzahn aus. Meine Mutter setzte einen großen Topf Wasser auf und befahl meinem Bruder und meiner Schwester, unter die Decke zu kriechen. Aber ich war so gebannt von dem Wrestling-Programm im Fernsehen, dass ich nicht hörte, was sie sagte. Meine Mutter war so raffiniert, dass sie an uns vorbeiging, ohne dass etwas passierte. Als sie dann wieder ins Zimmer kam, hatten meine Geschwister sich bereits unter der Decke verkrochen. Eddie saß direkt neben mir. Dann machte es wumm, und der Topf mit dem siedend heißen Wasser landete an Eddies Kopf. Etwas von dem Wasser spritzte zu mir rüber. Es fühlte sich an wie ein Riesengewicht.

      „Ahhhhhhhh!“ Eddie rannte schreiend zur Tür hinaus, in die Diele, ich direkt hinter ihm her. Er drehte sich um und fasste nach mir: „Oh Gott, mein Junge, hat dich diese Hexe auch getroffen?“

      „Verdammt, die alte Hexe hat mich getroffen, ah, sie hat mich getroffen!“ Wir brachten ihn ins Zimmer zurück und zogen ihm das Hemd aus. Sein Hals, sein Rücken und eine Gesichtshälfte waren übersät mit großen Blasen. Er sah aus wie ein Reptil. Wir legten ihn auf den Boden, vor die kleine Klimaanlage vor dem Fenster. Meine Schwester setzte sich neben ihn, nahm ein Streichholz, sterilisierte eine Nadel und öffnete die Blasen eine nach der anderen. Meine Schwester und ich weinten beide, und ich gab ihm etwas Alkohol, um seine Schmerzen zu lindern.

      Aber in der Erinnerung sehe ich Mom meistens als Opfer. Schließlich hat Eddie sie ja auch verprügelt. Die Frauenbewegung würde ihre Reaktion bestimmt großartig finden, aber ich dachte: „Wie kann man einem Partner, mit dem man zusammenlebt, so etwas antun?“ Ich erkannte, dass meine Mom keineswegs eine Mutter Teresa war. Das war eine ernste Geschichte, und doch blieb er bei ihr. Nachdem sie ihm das angetan hatte, ging er sogar los, um ihr etwas Alkohol zu besorgen, er hat sie gewissermaßen dafür belohnt. Das ist wohl auch der Grund, warum ich sexuell so fehlgesteuert bin.

      Das war also mein Umfeld, in dem ich aufwuchs. Menschen, die sich liebten, schlugen sich den Schädel ein und bluteten wie die Schweine. Sie liebten sich zwar, stachen aber aufeinander ein. Verdammte Scheiße, ich hatte in dem Haus eine Höllenangst vor meiner Familie, denn ich wuchs mit taffen Frauen auf, Frauen, die mit Männern kämpften. Also dachte ich, dass es kein Tabu ist, mit einer Frau zu kämpfen, da die Frauen, die ich kannte, keine Skrupel hatten, einen zu töten. Man musste gegen sie kämpfen, denn andernfalls würden sie einen aufschlitzen oder erschießen. Oder sie würden ein paar Männer anschleppen, die dich ebenfalls verprügelten, weil sie dich für wertlos hielten.

      Ich hatte Angst im Haus, aber ich hatte auch Angst, aus dem Haus zu gehen. Ich ging jetzt in die öffentliche Schule, und das war ein Albtraum. Ich war ein dickliches Kind, sehr schüchtern, fast wie ein Mädchen, und beim Sprechen lispelte ich, sodass die Kids mich „Little Fairy Boy“ nannten, da ich immer mit meiner Schwester rumhing. Doch meine Mutter hatte mir geraten, mich an Denise zu halten, da sie älter war als ich und sie mich im Auge behalten sollte. Man nannte mich auch „Dirty Ike“ oder „Schmutziger Wichser“, da ich zum damaligen Zeitpunkt noch keine Beziehung zur Hygiene hatte. Wir hatten kein fließend warmes Wasser zum Duschen. Und wenn das Gas abgestellt

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