Unbestreitbare Wahrheit. Mike Tyson
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Читать онлайн книгу Unbestreitbare Wahrheit - Mike Tyson страница 11
„Noch eine Runde. Ich setze meine Uhr ein“, sagte er.
Bumm, schon wieder fiel meine Zahl.
„Spiel ist Spiel“, sagte ich. „Gib mir deine Uhr.“
„Tatsache ist, ich gebe dir gar nichts“, sagte er und versuchte, sich das Geld zu schnappen, das ich von ihm gewonnen hatte. Ich fing an, nach ihm zu beißen, schlug ihn mit einem Stein, und wir fingen an zu ringen. Ein paar Freundinnen meiner Mutter sahen den Aufruhr und rannten zu unserer Wohnung.
„Dein Sohn kämpft mit einem Erwachsenen“, erklärte eine von ihnen.
Meine Mutter kam angestürmt. Alle anderen Erwachsenen ließen uns kämpfen, weil sie ihr Geld wollten. Wenn dieser Kerl nicht zahlte, würde es sonst auch niemand tun. Ich war mitten drin im Ringkampf mit diesem Kerl, als meine Mutter mich ansprang, meine Hände packte, mir eine schmierte und mich zu Boden warf.
„Warum kämpfst du mit diesem Mann?“, brüllte sie. „Was hast du diesem Mann getan? Tut mir leid, Sir“, erklärte sie ihm.
„Er hat versucht, sein Geld zurückzunehmen“, protestierte ich.
Meine Mutter nahm das Geld, gab es dem Mann und schlug mir ins Gesicht.
„Tut mir leid, Sir“, wiederholte sie.
„Ich werde dich umbringen, du Scheißkerl“, brüllte ich, als sie mich wegzerrte.
Allerdings verdiente ich jeden Schlag, den ich bekam. Ich wollte zu den coolen Kids gehören, den 15-Jährigen, die Schmuck, Geld und Freundinnen hatten. Zu der Zeit mochte ich die Mädchen nicht besonders, aber ich mochte schicke Klamotten und Aufmerksamkeit.
Meine Mutter resignierte jetzt. Sie war geachtet und konnte sich gut ausdrücken, ihre anderen Kinder waren lernfähig und verträglich, und dann war da noch ich. Ich war der Einzige, der weder lesen noch schreiben konnte. Ich kapierte das Zeug einfach nicht.
„Warum kannst du das nicht?“, fragte sie mich. „Was stimmt nicht mit dir?“
Sie nahm an, ich sei geistig zurückgeblieben. Als Baby hatte sie mich zu all den Institutionen auf der Lee Avenue geschleppt, und ich wurde psychologischen Tests unterzogen. Als Kind hielt ich laute Selbstgespräche. Ich glaube, das war in den Siebzigern nicht normal. Nachdem ich auffällig geworden und im System drin war, musste ich auf die dem Gericht unterstellte Special Ed-Schule für Geistesgestörte. Die Special Ed war wie ein Gefängnis. Man lebte die ganze Zeit hinter verschlossenen Türen. Die ganzen asozialen Kids und die verdammten Spinner wurden dort einfach zusammengepfercht. Man sollte das tun, was einem aufgetragen wurde, aber ich ließ mir das nicht gefallen, fing mit allen Streit an und spuckte ihnen ins Gesicht. Man gab uns Jetons, mit denen wir zur Schule und wieder nach Hause fahren konnten, und ich klaute den Kids ihre Jetons und spielte damit. Ich schreckte auch nicht davor zurück, die Lehrer zu bestehlen, und am nächsten Tag kam ich mit dem neuen Outfit zur Schule, das ich mir von ihrem Geld gekauft hatte. Ich baute einfach jede Menge Scheiße.
Man fand, ich sei hyperaktiv, also verabreichte man mir Thorazin. Ritalin wurde ausgelassen, und man griff gleich nach dem großen T, das man in den Siebzigern kleinen bösen schwarzen Scheißkerlen wie mir verabreichte. Mit Thorazin ist man auf einem Trip. Man sitzt da, starrt vor sich hin, kann sich aber nicht bewegen, kann nichts tun. Alles ist toll, man kann alles hören, ist aber irgendwie zugedröhnt, wie ein Zombie. Man bittet nicht um Essen, es wird einem zur rechten Zeit gebracht. Vielleicht wird man gefragt: „Musst du zur Toilette?“, und man antwortet: „Oh ja, dringend.“ Man weiß nicht einmal, wann man pinkeln muss.
Als ich diesen Mist nahm, schickte man mich aus der Schule heim. Ich sollte zu Hause bleiben, mich entspannen und mir die Zeichentrickserie Rocky and His Friends anschauen. Meine Mutter fand, dass etwas nicht mit ihrem Baby stimmte, aber ich war lediglich ein verdammt knallhartes Kind. Man schätzte mich falsch ein und machte mich vermutlich noch ein wenig abgefuckter als ich sowieso schon war, aber ich nahm das nie jemandem persönlich übel. Ich dachte immer, ich hätte es verdient, dass mir etwas Schlimmes widerfuhr, weil irgendwas mit mir nicht stimmte.
Neben den Zombies und verrückten Kids schickte man die Kriminellen in die Special Ed-Schulen, so lernten sich die Leute aus den verschiedenen Bezirken kennen. Wir fuhren zum Times Square und trafen all die Jungs von unserer Schule, alle in Lammfellmänteln, modischen Klamotten und mit Geld in der Tasche. Sie taten alle das Gleiche.
1977 lungerte ich am Times Square herum, als ich ein paar Jungs aus meinem alten Wohnviertel in Bed Stuy entdeckte. Wir unterhielten uns, und einer von ihnen schnappte sich die Geldbörse einer Nutte. Sie geriet außer sich und schüttete mir einen Becher heißen Kaffee ins Gesicht. In dem Augenblick tauchten die Bullen auf, und mein Freund Bub und ich gaben Fersengeld. Wir rannten in ein nicht jugendfreies Kino, doch die Nutte kreuzte kurz danach mit den Bullen auf.„Das sind sie“, sagte sie und deutete auf Bub und mich. „Ich? Ich habe nichts damit zu tun“, protestierte ich, aber die Bullen führten uns hinaus und schubsten uns auf den Rücksitz des Polizeiwagens.
Und diese verrückte Lady gab nicht auf. Sie fasste durch das Fenster und zerkratzte mir mit ihren langen Nuttennägeln das Gesicht. Man fuhr uns zu der Wache im Stadtzentrum. Als wir wegfuhren, sah ich, wie uns die Typen aus Bed Stuy, die all diesen Scheiß angestellt hatten, von der Straße aus nachschauten. Ich war bereits viele Male festgenommen worden, und so war ich an das Ritual gewöhnt. Doch auf der Wache studierte man mein Strafregister; ich hatte entschieden zu viele Verhaftungen aufzuweisen. Somit wurde ich ohne Umschweife nach Spofford gebracht, ein Jugendgefängnis im Hunts-Point-Viertel der Bronx. Ich hatte Horrorgeschichten über Spofford gehört – wie Menschen von anderen Insassen oder von den Wärtern verprügelt wurden, also war ich nicht gerade begeistert von der Aussicht, dort zu landen. Ich bekam Kleider und eine Einzelzelle und legte mich schlafen. Am nächsten Morgen ergriff mich Panik, ich hatte keine Ahnung, was mich hier erwarten würde. Aber als ich die Cafeteria betrat, wo es Frühstück gab, war es wie ein Klassentreffen. Ich entdeckte meinen Freund Curtis, mit dem ich einen Bruch gemacht hatte und der vom Besitzer verprügelt worden war. Dann sah ich all meine verschiedenen Partner von Raubzügen.
„Entspann dich“, sprach ich zu mir selbst. „All deine Jungs sind hier.“
Nach diesem ersten Mal ging ich in Spofford ein und aus, als wäre es ein Spaziergang. Spofford wurde für mich zur Zweitwohnung. Bei einem meiner Aufenthalte dort sahen wir uns im Versammlungsraum einen Film an mit dem Titel Der Größte. Er handelte von Muhammad Ali. Danach klatschten wir alle, trauten aber dann unseren Augen nicht, als Ali höchstpersönlich auf die Bühne trat. Er sah in Wirklichkeit größer aus. Er brauchte noch nicht einmal den Mund zu öffnen – sobald er in Erscheinung trat, dachte ich: „Ich will dieser Typ sein.“ Er unterhielt sich mit uns, und es war sehr inspirierend. Ich hatte keine Vorstellung, was ich mit meinem Leben anstellen wollte, aber ich wusste, ich wollte so sein wie er. Es ist seltsam, aber heute sagen die Menschen so etwas nicht mehr. Wenn sie einen großen Boxer sehen, sagen sie vielleicht: „Ich will Boxer werden.“ Aber niemand sagt: „Ich will sein wie er.“ Es gibt nicht viele Alis. In diesem Augenblick beschloss ich, berühmt zu werden. Ich wusste nicht, was ich dafür tun musste, aber ich beschloss, die Menschen sollten mich so kämpfen sehen, genauso wie Ali.
Ganz so einfach war es dann aber doch nicht. Ich kam jetzt nicht aus Spofford raus und krempelte mein Leben nicht total um. Ich war immer noch eine kleine Kanalratte.
Meine Lage zu Hause verschlechterte sich immer mehr. Nach all diesen Festnahmen und Spezialschulen und Medikamenten hatte meine Mutter jegliche Hoffnung, was mich betraf, aufgegeben.