Unbestreitbare Wahrheit. Mike Tyson

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Unbestreitbare Wahrheit - Mike  Tyson

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er war es nicht“, widersprach Cus.

      Der Boxsport törnte mich an, und nachdem ich bei Cus den ersten Kampf von Leonard gegen Durán im Fernsehen verfolgt hatte, war ich mir sicher, dass ich Boxer werden wollte. Wow, dieser Kampf war unglaublich aufregend, ich war ganz geschafft. Beide waren sehr elegant, aber auch gefährlich wie Raubtiere, und ihre Schläge erfolgten blitzschnell. Ihr Kampf wirkte fast so, als folgte er einer Choreografie. Ich war fasziniert.

      Als ich Cus das erste Mal in seinem Haus besuchte, ließ er nicht zu, dass ich boxte. Nach meinem Training mit Teddy setzte sich Cus mit mir zusammen, und wir unterhielten uns. Er redete mit mir über meine Gefühle und Empfindungen und über die Boxpsychologie. Er wollte mein Innerstes erforschen. Wir sprachen viel über die spirituellen Gesichtspunkte des Sports. „Wenn du nicht den geistigen Krieger in dir spürst, wirst du nie ein Kämpfer werden. Mir ist egal, wie groß oder stark du bist“, erklärte er mir. Wir unterhielten uns über ziemlich abstrakte Vorstellungen, doch er drang zu mir durch. Cus sprach meine Sprache. Er war ein Straßenkind wie ich und auch in einem asozialen Milieu aufgewachsen.

      Als Erstes sprach Cus mit mir über Angst, und wie man diese überwindet.

      „Die Angst ist das größte Lernhindernis, ist aber auch dein bester Freund. Die Angst ist wie Feuer. Wenn du lernst, sie unter Kontrolle zu halten, lässt du sie für dich arbeiten. Wenn du nicht lernst, sie zu kontrollieren, wird sie dich und alles um dich herum zerstören. Du kannst auf einem Hügel einen Schneeball in die Hand nehmen und werfen oder sonst was damit machen, bevor er den Hügel hinunterrollt. Wenn er erst am Rollen ist und immer größer wird, wird er dich zu Tode quetschen. Genauso verhält es sich mit der Angst. Man darf nie zulassen, dass die Angst immer größer wird, man muss sie immer unter Kontrolle haben. Wenn es dir nicht gelingt, wirst du nicht in der Lage sein, dein Ziel zu erreichen oder dein Leben zu retten.“

      „Stell dir ein Reh vor, das ein offenes Feld überquert. Als es sich dem Wald nähert, wittert es plötzlich Gefahr, vielleicht befindet sich ein Puma in der Nähe. Wenn das der Fall ist, tritt die natürliche Überlebensstrategie in Aktion, was bedeutet, dass Adrenalin ins Blut ausgeschüttet wird, sodass das Herz schneller schlägt. Dies hat zur Folge, dass der Körper zu außerordentlichen Leistungen an Beweglichkeit und Stärke fähig ist. Normalerweise kann ein Reh vier Meter weit springen, aber durch das Adrenalin schafft es das Drei- oder Vierfache, um der drohenden Gefahr zu entrinnen. Beim Menschen verhält es sich nicht anders. Wenn er Gefahr wittert oder Angst hat, beschleunigt das Adrenalin den Herzschlag und treibt den Menschen zu Höchstleistungen.“

      „Mike, glaubst du, du kennst den Unterschied zwischen einem Helden und einem Feigling? Nun, bezüglich ihrer Empfindungen besteht kein Unterschied, sondern in dem, was sie tun. Der Held und der Feigling empfinden genau das Gleiche, aber du musst die Disziplin besitzen, das zu tun, was ein Held tut, und darfst nicht wie ein Feigling handeln.“

      „Mike, dein Verstand ist nicht dein Freund, ich hoffe, du weißt das. Du musst trotzdem mit dem Kopf kämpfen, ihn kontrollieren, richtig einsetzen. Du musst auch deine Emotionen unter Kontrolle halten. Erschöpfung im Ring ist zu 90 Prozent psychologisch bedingt. Sie dient einem Mann, der aufgeben will, als Entschuldigung. Die Nacht vor einem Kampf tust du kein Auge zu. Denk dir nichts dabei, deinem Gegner geht es genauso. Du trittst zum Wiegen an, und er sieht viel größer aus als du, wirkt eiskalt, wird aber innerlich von Angst verzehrt. Deine Fantasie spricht ihm Fähigkeiten zu, die er gar nicht hat. Denk daran: Bewegung löst Spannung. Wenn dann der Gong ertönt und du deinem Gegner entgegentrittst, wirkt dieser plötzlich wie jeder andere auch, denn deine Fantasie ist ausgeschaltet. Der Kampf als solcher ist die einzige Wirklichkeit, die zählt. Du musst lernen, deinen Willen durchzusetzen und das alles unter Kontrolle zu haben.“

      Ich konnte Cus stundenlang zuhören. Er erklärte mir, wie wichtig es sei, intuitiv und sachlich zu handeln, auf eine entspannte Art, und nicht zuzulassen, dass die Emotionen die Oberhand über die Intuition gewannen. Er berichtete mir, er habe einmal mit dem großen Schriftsteller Norman Mailer darüber gesprochen.

      „Cus, ohne es zu wissen, praktizierst du Zen“, hatte dieser Cus erklärt und ihm ein Buch mit dem Titel Zen und die Kunst des Bogenschießens gegeben. Cus las mir häufig aus dem Buch vor. Er erzählte mir, dass er bei seinem ersten Kampf tatsächlich höchsten emotionalen Abstand erlebt habe. Er trainierte in einer Turnhalle in der Stadt, weil er Profiboxer werden wollte. Er hatte bereits ein oder zwei Wochen mit dem Sandsack trainiert, als der Manager ihn fragte, ob er einen Boxpartner haben wolle. Er trat in den Ring, und sein Herz schlug wie wild. Sein Gegner griff ihn sofort an, und er wurde mit Schlägen traktiert. Seine Nase schwoll an, sein Auge zu, und er blutete. Sein Gegner fragte ihn, ob er eine zweite Runde machen wolle, und Cus meinte, er werde es versuchen. Er trat in den Ring, und plötzlich war sein Geist von seinem Körper losgelöst. Er beobachtete alles aus der Distanz. Die Schläge, die ihn trafen, fühlten sich an, als kämen sie von weither. Er war sich wohl ihrer bewusst, aber sie schmerzten ihn kaum.

      Cus erklärte mir, dass man, um ein großer Boxer zu sein, aus sich selbst heraustreten müsse. Er ließ mich Platz nehmen und sagte: „Transzendiere. Fokussiere. Entspann dich, bis du siehst, wie du dich selbst beobachtest. Sag mir, wenn du so weit bist.“ Das war sehr wichtig für mich. Im Allgemeinen neige ich dazu, zu emotional zu reagieren. Später erkannte ich, dass ich im Ring nur wild um mich schlagen würde, wenn ich mich dort nicht von meinen Gefühlen lösen könnte. Nachher würde ich einem Gegner noch einen harten Faustschlag verpassen, es dann aber mit der Angst zu tun bekommen, wenn er nicht zu Boden ging.

      Cus trieb diesen Aus-dem-Körper-herausgehen-Scheiß noch einen Schritt weiter. Er trennte seinen Geist von seinem Körper und blickte dann in die Zukunft. „Alles wird ruhig, und ich befinde mich außerhalb meines Körpers und beobachte mich“, berichtete er. „Ich bin’s, aber bin’s auch wieder nicht, als ob mein Geist und mein Körper nicht miteinander verbunden wären. Vor meinem inneren Auge sehe ich, wie ein Film abläuft. Ich kann das alles wirklich sehen, kann einen Boxer am Anfang des Kampfes sehen und genau beobachten, wie er reagieren wird. Wenn das passiert, kann ich sehen, wie ein Typ boxt, und ich weiß alles über ihn, was man wissen muss, ich kann sogar seine Gedanken lesen. Es ist ein Gefühl, als sei ich dieser Typ, denn ich bin in seinen Körper geschlüpft.“

      Er behauptete sogar, er könne mittels seines Geists Ereignisse kontrollieren. Cus hatte Rocky Graziano trainiert, als der noch Amateur war.

      Einmal war Cus in Rockys Ecke, und Rocky erlitt eine Schlappe. Nachdem Rocky zweimal zu Boden gegangen war, kehrte er in die Ecke zurück und wollte aufgeben. Aber Cush drängte ihn, zur nächsten Runde anzutreten, und bevor Rocky aufgeben konnte, setzte Cus all seine Willenskraft ein, um Rockys Arm dazu zu bringen, einen Schlag zu landen, und es funktionierte, der Gegner ging zu Boden, und der Ringrichter beendete den Kampf. Das war also das Schwergewicht, das mich trainierte.

      Cus glaubte fest an diese Einheit von Geist und Körper. Wenn man Schwergewichtsweltmeister im Boxen werden wollte, musste man anfangen, das Leben eines Schwergewichtschampions zu führen. Damals war ich erst 14, und noch ganz unten. Ständig trainieren, denken wie ein römischer Gladiator, sich geistig in einem ständigen Kriegszustand befinden, aber nach außen hin ruhig und entspannt wirken – darauf kam es an.

      Cus war auch groß in Sachen Eigenmotivation. Er besaß ein Buch des französischen Apothekers und Psychologen Emile Coué: Autosuggestion: Wie man die Herrschaft über sich selbst gewinnt. Coué erklärte seinen Patienten, sich immer wieder vorzusagen: „Ich werde jeden Tag in jeder Beziehung besser und besser“ – immer wieder. Cus hatte an einem Auge den grauen Star, wiederholte sich diesen Satz immer wieder und behauptete, dies funktioniere.

      Cus wollte, dass wir die Eigenmotivation unserer jeweiligen Situation anpassten. Also ließ er mich formulieren: „Ich bin der beste Boxer der Welt. Niemand kann mich schlagen. Der beste Boxer der Welt. Niemand kann mich schlagen“ – immer

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