Unbestreitbare Wahrheit. Mike Tyson

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Unbestreitbare Wahrheit - Mike  Tyson

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betraten also die Halle, die voller widerlich dreinschauender Typen war. Ich kam mir vor wie in Brownsville. Aber, verdammte Kacke, es ließ mich kalt, denn ich war voller Energie. Teddy sagte: „Steig auf die Waage.“ Also zog ich mein Hemd und meine Hose aus; ich trug nur noch Unterwäsche und ließ meine Muskeln spielen. Ich stellte mich also auf die Waage, und alle rannten herbei und standen um uns herum.

      „Das ist Tyson. Er ist es wirklich“, hörte ich die Zuschauer murmeln. Dann stand ich im Ring und fing an, nervös zu werden. Diese Kerle waren Gangster, die vor nichts zurückschreckten, und ich stammte nicht von hier. Aber ich dachte an all die Filme, die ich mir angeschaut hatte. Jack Johnson hatte ebenfalls im Ring gestanden, umgeben von einer Meute. Ich versetzte mich in seine Lage. Dann hörte ich Flüstern und Pfeifen. „Das ist der Kerl, der bei der Junior Olympiade bereits in der ersten Runde alle Gegner k.o. schlug“, hörte ich sie sagen.

      Jetzt trugen Cus’ Worte Früchte. Ich war die personifizierte Vornehmheit, der große Gladiator, der zum Kampf bereit war.

      „He Champ“, riefen die Jungs und lächelten. Aber ich sah sie voller Verachtung an, als wollte ich sagen: „Was glotzt ihr so, verpisst euch.“

      Mein Gewicht betrug etwa 85 Kilogramm.

      „Oh, du bist zu schwer“, bemerkte Bennetts Trainer. Er war taubstumm, doch man konnte gut erraten, was er meinte.

      „Aber wir kämpfen gegen ihn, wir kämpfen gegen jeden“, sagte sein Boxer.

      „Ich bin nicht jeder“, grinste ich.

      Der Saal war proppenvoll. Es waren mindestens 3.000 Menschen anwesend. Wir stiegen in den Ring, und das ganze Drama dauerte neun Minuten – es war das totale Chaos. Noch heute redet man über diesen Kampf. Die Zuschauer tobten, pfiffen und schrien in einer Tour, sogar in der einminütigen Pause. Wir waren wie zwei Pitbulls. Er war sehr geschmeidig und schwer fassbar, außerdem sehr erfahren. Aber dann versetzte ich ihm einen solchen Schlag, dass es ihn aus dem Ring fegte. Ich machte ihn fertig. Es war der beste Kampf meines Lebens.

      Aber dann wurde ihm der Sieg zugesprochen, reiner Betrug. Ich war außer mir und fing an zu heulen. Noch nie zuvor hatte ich einen Kampf verloren. Im Umkleideraum trat der taubstumme Trainer auf mich zu. Ich heulte immer noch Rotz und Wasser.

      „Du bist ja noch ein Baby“, sagte er. „Mein Mann hat schon viele Kämpfe hinter sich. Wir haben mit allen Mitteln gegen dich gekämpft, aber du bist besser als mein Boxer. Gib nicht auf. Eines Tages wirst du Champ werden.“

      Das konnte mich auch nicht trösten. Ich heulte mir auf der Rückfahrt die Augen aus. Zu Hause musste ich unter die Dusche und dann in die Schule. Aber Teddy hatte wohl Cus angerufen, denn er wartete auf mich. Ich dachte, Cus sei enttäuscht von mir, aber er feixte übers ganze Gesicht.

      „Wie ich höre, hast du toll gekämpft. Teddy meinte, der Kerl sei pfiffig und erfahren gewesen“, sagte Cus. „Du brauchst heute nicht zur Schule gehen, du hast heute frei.“

      Aber ich wollte unbedingt in die Schule gehen. Mein Gegner hatte mir ein Veilchen verpasst, und ich wollte es zur Schau stellen, denn es bewies ja meinen Mut.

      Ich ließ mich von dieser Niederlage nicht entmutigen, trat weiterhin bei Smokers an und schlug jeden meiner Kontrahenten k.o. Cus kam immer häufiger zu den Kämpfen. Er mochte es, wenn ich mich arrogant und herrisch gab. Cus war selbst sehr arrogant. Einmal trat ich gegen einen 24-Jährigen an, der seit dem 16. Lebensjahr lokaler Meister war. Niemand hatte ihn je besiegt.

      Vor dem Kampf suchte uns ein örtlicher Boxfunktionär auf.

      „Cus, der Mann, gegen den ihr kämpft, ist ein Riese, er ist stark und furchteinflößend“, sagte er.

      Cus zuckte mit keiner Wimper.

      „Mein Junge hat die Aufgabe, Riesen, starke und furchteinflößende Männer in ihre Schranken zu weisen.“

      Als ich das hörte, tat mein Herz einen Sprung. Ich würde mich in einen Vulkan verwandeln. Ich war so aufgekratzt, dass ich am liebsten gegen die Jungs außerhalb des Rings gekämpft hätte.

      Drei Tage vor einem Kampf verzichtete ich aufs Baden. Mich beherrschte nur noch der Gedanke, wie ich meinen Gegner schlagen könnte. Ich hatte keine Ahnung, wer sich hinter meinen Gegnern in den Smokers verbarg. Es gab keine Videos, keine Fernsehauftritte. So stellte ich mir immer vor, dass die Männer, gegen die ich antrat, diejenigen waren, die mich schikaniert hatten, als ich noch klein war. Es war eine Zeit der Vergeltung. Nie wieder würde jemand auf mir herumhacken.

      Wenn ich bei einem Kampf den geringsten Hauch von Menschlichkeit zeigte, war Cus wütend auf mich. Wenn ich einem Boxer, der mir nach dem Kampf mit einer sportlichen Geste der Fairness die Hand reichen wollte, entgegenkam und sie schüttelte, rastete Cus aus.

      Die einzige Mitleidsgeste, die er nicht kritisierte, war, wenn ich meinem Gegner auf die Beine half, nachdem ich ihn k.o. geschlagen hatte. Dempsey hatte dies immer getan. Er hob seinen besiegten Gegner hoch, schleppte ihn in die Ecke, hielt ihn fest und küsste ihn. Und das direkt, nachdem er versucht hatte, ihn zu vernichten. Also hob ich meinen Kontrahenten auch hoch und gab ihm einen Kuss. „Bist du okay? Ich liebe dich, Bruder.“ Es war demütigend für den anderen.

      Cus mochte es nicht, wenn ich meine Knockouts feierte. Kein Abklatschen, keine Tanzschritte.

      „Du bist jetzt schon zwei Jahre in diesem Geschäft und verhältst dich so, als seist du überrascht, dass dies passiert?“, bemerkte er.

      Für Cus waren meine Gegner Futter. Nahrung. Etwas, das man verschlingen musste, um leben zu können. Wenn ich mich bei einem Kampf gut schlug, belohnte mich Cus. Hübsche Klamotten, Schuhe. Als ich eine meiner Junior-Championships gewonnen hatte, spendierte er mir Goldzähne. Als ich in den Achtzigern meine Goldmedaille gewann, dachten die meisten: „Wow, die Nigger haben jetzt schon Goldzähne.“ Aber Cus mochte es, weil die Boxer vergangener Zeiten alle Goldzähne hatten, als Zeichen ihres Erfolgs.

      Man könnte vielleicht annehmen, dass Cus aufgrund all meiner Siege sowie des Junior Championship-Titels wenig Grund zur Kritik gehabt hätte. Aber da würde man ihn schlecht kennen. Vor anderen behandelte er mich immer wie eine Primadonna, aber hinter verschlossenen Türen sah es anders aus. Wenn ich allein mit ihm war, machte er mich nieder.

      „Du weißt, deine Faust war zu tief. Bei allem gebührenden Respekt: Wäre dieser Gentleman etwas professioneller gewesen, etwas ruhiger, hätte er dich mit einem Schlag treffen können.“

      Und das, nachdem ich den Kerl besiegt hatte. Alle gratulierten mir, weil ich ihn mit einem rechten Haken k.o. geschlagen hatte. Cus sagte nicht, dass mein Gegner mich hätte k.o. schlagen können. Er sagte, er hätte mich treffen können! Mit der Vorstellung, dass mich ein Schlag hätte treffen können, setzte er mir einen Floh ins Ohr, sodass ich den ganzen Tag darüber nachgrübelte. Nach ein paar Tagen kam er erneut auf diesen Bullshit zurück.

      „Erinnerst du dich, dass ich dir nach dem Kampf sagte, der Kerl hätte dich …“

      Aaaagggh.

      Cus war ein Meister der Manipulation, der psychologischen Kriegsführung. Cus glaubte, dass es beim Boxen zu 90 Prozent auf die Psychologie ankäme und nicht auf die Fitness. Der Wille war maßgebend. Als ich 15 war, brachte er mich zu einem Hypnotherapeuten namens John Halpin, der eine Praxis am Central Park im Westen der Stadt hatte. Ich musste mich dort auf den Boden legen, und er gab mir Anweisungen, wie ich bei der Entspannung vorgehen sollte: „Kopf, Augen, Arme, Beine, alles wird schwer“, sagte er. Als ich unter Hypnose

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