Unbestreitbare Wahrheit. Mike Tyson

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Unbestreitbare Wahrheit - Mike  Tyson

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Dezember 1982 erlitt ich meine erste Niederlage bei einem Wettkampf. Ich trat bei der US-Amateur-Meisterschaft in Indianapolis an, und mein Gegner war Al Evans. Ich war 16 und er 27, ein harter Puncher und sehr erfahren.

      In der ersten Runde griff ich ihn an und versetzte ihm jede Menge Schläge. Das Gleiche tat ich in der zweiten Runde. Ich beutelte ihn mit meinen Schlägen durch. In der dritten Runde führte ich mich recht wild auf, und er konterte mit einem linken Haken und zwang mich in die Knie. Ich stand aber sogleich wieder auf und setzte ihm erneut zu. Dieses Mal zwang er mich mit einer Rechten in die Knie. Ich berappelte mich und fing sofort wieder an, ihn zu attackieren. Dabei rutschte ich aus. Und das war’s; der Ringrichter brach den Kampf ab. Ich war nicht wirklich verletzt und hätte weitermachen können. Cus brüllte den Ringrichter aus der Ecke an.

      Ich war am Boden zerstört, denn ich wollte jeden Kampf gewinnen. Es gefiel mir, wie der Champ nach dem Sieg behandelt wurde. Ich wollte das auch haben und war süchtig danach.

      Cus hatte wohl vermutet, die Niederlage nage an meinem Selbstbewusstsein, denn auf der Heimfahrt nach Catskill hielt er mir einen kleinen Vortrag.

      „Schau dir die Champs an, die dir in all den Büchern begegnet sind. Einige von ihnen erlitten irgendwann am Anfang ihrer Karriere Niederlagen durch Knockouts. Aber sie gaben nie auf und hielten durch. Deshalb kannst du all ihre Geschichten heute noch lesen. Jene, die verloren und aufgegeben haben, werden von ihren Dämonen bis ins Grab verfolgt, denn sie hatten die Chance, ihnen entgegenzutreten, und haben sie nicht genutzt. Mike, du musst deinen Dämonen entgegentreten, oder sie verfolgen dich für immer. Denk daran, dass du immer darauf achtest, wie du deine Kämpfe austrägst, denn genauso gestaltest du dein Leben.“

      Die nächsten sechs Kämpfe gewann ich alle. Dann trat ich bei der National Golden Gloves-Meisterschaft gegen einen Kerl namens Craig Payne an. Ich scheuchte Payne drei Runden lang quer durch den Ring, und er leistete wenig Widerstand. Also war ich recht zuversichtlich, als ein Funktionär mit der großen Trophäe hinter mir in den Ring stieg, um den Sieger zu küren. Craig und ich standen links und rechts vom Ringrichter, der jeweils eine Hand von uns hielt und die Entscheidung abwartete. Ich wollte schon meine andere Hand jubelnd in die Höhe halten, als ich bemerkte, wie der Funktionär in Richtung Craig den Daumen hochhielt.

      „Und der Gewinner im Superschwergewicht ist … Craig Paine!“

      Ich war wie vom Donner gerührt. Die Zuschauer buhten. Schauen Sie sich auf YouTube den Kampf an. Ich war um den Sieg gebracht worden. Nach dem Kampf hatte auch Emanuel Stewart, der große Trainer aus Detroit, der Payne unter Vertrag hatte, definitiv angenommen, ich hätte gewonnen. Cus ärgerte sich über die Entscheidung, aber er war glücklich, dass ich mich auch bei einem solchen Wettkampf im Griff hatte. Er wusste, dass wir den moralischen Sieg davongetragen hatten. Aber das vermittelte mir nicht unbedingt ein besseres Gefühl. Noch lange nach dem Kampf weinte ich mir die Augen aus.

      Ich hatte aber keine Zeit zu schmollen, sondern kehrte schnurstracks in die Sporthalle zurück und tobte mich bei anderen Wettkämpfen aus. Im August 1983 gewann ich die Goldmedaille beim U-19-CONCACAF-Turnier und wiederholte den Sieg 1984. Im selben Jahr bekam ich die Goldmedaille beim National Golden Gloves-Turnier, indem ich Jonathan Littles in der ersten Runde k.o. schlug. Ich hatte gegen Littles bereits 1982 bei den Ausscheidungskämpfen zur Olympiade der Junioren gekämpft, und er war der einzige Gegner gewesen, der gegen mich die zweite Runde erreicht hatte. Nun war es an der Zeit, mich auf die Ausscheidungskämpfe für die Olympischen Spiele vorzubereiten.

      Während ich für die Olympiade trainierte, kam der Boxkommentator Alex Wallau nach Catskill, um ein Feature über Cus und mich zu drehen. Einmal mussten wir im Wohnzimmer Platz nehmen und über uns sprechen. Cus trug einen konservativen grauen Anzug und ein kariertes Sporthemd und ich eine lange Hose, ein Hemd und eine coole weiße Kangol-Mütze.

      Alex wollte von Cus wissen, wie die Arbeit mit mir funktioniere, und Cus erging sich in einem interessanten Bewusstseinsgeplapper.

      „Mein ganzes Leben lang dachte ich darüber nach, einen Boxer aufzubauen, der perfekt ist. So einen Menschen kann es tatsächlich geben. Ich erkannte die Qualität eines künftigen Weltmeisters in ihm, da er immer fähig war, ein Level weiterzukommen und seine Sparringspartner zu übertreffen. Ich brachte ihm Karate bei, damit sein Körper während des Kampfes einiges aushalten konnte. Er kann mit blitzartiger Geschwindigkeit einen Schlag landen, sodass der Gegner völlig überrumpelt wird. Er verfügt über eine unglaubliche Geschwindigkeit, Koordination und ein intuitives Zeitgefühl, was sich gewöhnlich erst nach zehn Jahren Boxsport einstellt.

      Ich fange erst an, jemanden zu unterrichten, wenn ich weiß, dass er das alles aufnehmen kann. Ich unterhalte mich viel, um herauszufinden, mit was für einem Menschen ich es zu tun habe. Jeder von uns ist letztlich die Summe all seiner Erlebnisse. In Mikes Fall reden wir viel, und ich versuche, herauszufinden, wie viele Schichten schlimmer Erfahrungen ich durchdringen muss, bis ich zum Menschen selbst vorgedrungen bin. Dann lege ich das für mich und für ihn offen. So erzielt man viel schnellere Fortschritte.“

      „Nachdem Sie bei Mike Tyson durch alle Schichten gedrungen sind, was haben Sie da vorgefunden?“, wollte Alex wissen.

      Cus zögerte. „Ich fand das, was ich zu finden glaubte, einen Menschen mit grundlegend gutem Charakter, der die Dinge tun konnte, die getan werden müssen, um ein großer Boxer oder Weltmeister zu werden. Als ich dies erkannte, bestand meine nächste Aufgabe darin, ihn auf diese Qualitäten aufmerksam zu machen, denn wenn er sich ihrer nicht genauso bewusst ist wie ich, würde ihm das nicht viel helfen. Die Fähigkeit, die Disziplin anzuwenden, die Fähigkeit, das zu tun, was getan werden muss, ungeachtet dessen, wie es im Inneren aussieht, ist meiner Meinung nach das Wesen eines echten Profis. Ich denke, Mike nähert sich mit Windeseile diesem Status, diesem wichtigen Punkt, den er erreichen muss, um der größte Boxer der Welt zu werden. Und nach allem, was wir wissen, abgesehen von unvorhergesehenen Zwischenfällen, wird er, wenn dies ohne Unterbrechung so weitergeht und wir das Training und alles, was damit zusammenhängt, auf die Reihe bekommen, als einer der größten Boxer aller Zeiten in die Geschichte eingehen, wenn nicht gar als der größte, der je gelebt hat.“

      Ich war so glücklich, dass Cus so über mich redete. Alex fragte Cus, ob es für einen Mann seines Alters schwer sei, mit so einem jungen Boxer zu arbeiten.

      „Ich sage es oft zu ihm, und ich weiß, er versteht nicht, was ich sage, aber ich werde es ihm jetzt nochmal deutlich sagen: Wenn er nicht bei mir wäre, würde ich heute vermutlich nicht mehr leben. Die Tatsache, dass er hier ist und das tut, was er tut, und es so gut tut und sich immer mehr verbessert, verleiht mir die Motivation und das Interesse, am Leben zu bleiben, denn ich glaube, ein Mensch stirbt, wenn er keine Freude mehr am Leben hat. Die Natur ist klüger, als wir annehmen. Nach und nach verlieren wir unsere Freunde, die uns am Herzen liegen, und nach und nach verlieren wir auch unser Interesse, bis wir uns schließlich fragen: Was zum Teufel habe ich hier noch zu suchen? Es gibt keinen Grund, weiterzumachen. Aber Mike gibt mir den Grund. Er gibt mir die Motivation, und ich will am Leben bleiben und beobachten, wie er Erfolg hat, denn ich werde mich nicht von dieser Welt verabschieden, bevor das eintritt. Wenn ich nämlich abtrete, weiß er nicht nur, wie man einen Boxkampf austrägt, sondern hat zudem eine Ahnung von vielen Dingen und weiß auch, wie er auf sich selbst achten muss.“

      Wow! Das war mal wieder typisch Cus, der erneut seinen verdammten Druck auf mich ausübte. Cus glaubte, ich könne mit dem Druck umgehen, aber er glaubte auch, dass ich selbst nicht glaubte, dass es mir gelingen könnte.

      Dann fragte man mich über meine Zukunft und meine Träume aus.

      „Am Anfang gab es nur Träume. Man hat diesen Traum, der motiviert. Ich möchte noch zehn Jahre leben. Es heißt, ich sei ein One-Million-Dollar-Boxer. Nun, ich weiß, was ich bin, und das zählt mehr als alles andere. Da die anderen

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