Unbestreitbare Wahrheit. Mike Tyson

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Unbestreitbare Wahrheit - Mike  Tyson

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mein Weg war.“

      „Was haben Sie hinter sich?“, fragte Alex.

      „Das Training. Das Boxen ist dabei der leichteste Teil. Wenn man in den Ring steigt, um zu kämpfen, ist das wie Urlaub. Aber wenn man in die Sporthalle geht, muss man x-mal irgendwelche Dinge wiederholen, bis alles weh tut. Tief in seinem Inneren sagt man sich: Ich will das nicht mehr tun. Doch dann verdränge ich diese Gedanken aus meinem Kopf. Im Moment geht es ja um die Amateurkämpfe, und es macht viel Spaß, die Trophäen und Medaillen vor sich zu sehen, aber ich bin wie Sie: Wenn ich ins Profilager wechsle, will ich Geld scheffeln. Ich mag die verrückten Frisuren und trage gern ausgefallene Klamotten, Gold, Schmuck und dergleichen. Um diesen Lebensstil halten zu können, muss ich auf anständige Weise Geld verdienen. Ich kann nicht mit einer Waffe in eine Bank marschieren. Man sollte auf jeden Fall das Geld mit etwas verdienen, das man gern tut.“

      Ich war so verbittert, weil ich so hart arbeiten musste, wie ich es noch nie erlebt hatte. Und am nächsten Tag musste ich aufstehen, und alles fing wieder von vorn an.

      Für die Olympiade schuftete ich wie ein Tier. Man wollte mich mit meinem derzeitigen Gewicht nicht antreten lassen, weil Cus mit den Boxfunktionären der Olympiade im Clinch lag. Ich sollte in der Dominikanischen Republik im US-Team kämpfen, doch Cus wollte es nicht zulassen, da wir Teddy nicht als unseren Trainer mitnehmen durften, sondern ich auf deren Trainer angewiesen sein würde. Außerdem wollte er nicht, dass ich dorthin reiste, weil er Angst hatte, dass mich irgendwelche Revolutionäre entführen könnten.

      Man informierte Cus, dass ich in der Klasse unter 201 Pfund kämpfen sollte. Zu der Zeit betrug mein Gewicht etwa 215 Pfund, also musste ich schnell handeln. Ich quetschte mich wieder in die Saunaanzüge und trug sie den ganzen Tag. Mir gefiel das, ich fühlte mich wie ein richtiger Boxer und wollte Gewicht verlieren, um in die Gewichtsklasse zu passen. Ich war so paranoid, dass ich glaubte, ich bringe ein großes Opfer.

      Als Vorbereitung auf die Ausscheidungskämpfe für die Olympiade musste ich mich an einen straffen Zeitplan halten. Am 12. August 1983 trat ich beim Ohio State Fair National Tournament an. Am ersten Tag schaffte ich es, meinen Gegner in nur 42 Sekunden k.o. zu schlagen. Am zweiten schlug ich meinem Kontrahenten zwei Zähne aus, und er blieb zehn Minuten lang bewusstlos liegen. Am dritten Tag trat der amtierende Meister vom Kampf zurück.

      Am nächsten Tag fuhren wir nach Colorado Springs, zur US-Meisterschaft. Als ich dort ankam, schieden vier der sechs anderen Boxer aus dem Wettkampf aus. Ich errang beide Siege durch K.o in der ersten Runde.

      Am 10. Juni 1984 erlebte ich einen Rückschlag. Mein Qualifikationskampf sollte gegen Henry Tillman erfolgen, einen älteren und erfahreneren Boxer. In der ersten Runde setzte ich ihm so hart zu, dass er fast durch die Seile geschleudert worden wäre. Doch er rappelte sich schnell wieder hoch, und ich setzte ihm weitere zwei Runden lang zu. Beim Amateurboxen wird Boxaggression nicht belohnt, und mein K.o. zählte genauso viel wie ein leichter Schlag. Ich konnte es nicht fassen, dass der Sieg an Tillman ging. Mal wieder sah es der Mob wie ich, und es ertönten Pfiffe und Buhrufe.

      Ich hasste diese Amateurkämpfe. „Wir sind hier Boxer“, erklärten mir diese Trottel.

      „Nun, ich bin ein Kämpfer, Sir. Meine Absicht ist es zu kämpfen“, erwiderte ich.

      Der gesamte Amateur-Boxbetrieb hasste mich. Meine rotzfreche Brownsville-Attitüde passte den Funktionären gar nicht. Ich benahm mich anständig, aber diese New York-Scheiße schwappte immer wieder hoch. Mich mochten sie nicht, und Cus verachteten sie sogar. Cus war so überspannt, dass er sogar mich manchmal verwirrte, was ich ihn aber nicht wissen ließ. Ich war immer an seiner Seite und hörte, wie er mit den Funktionären umging, war aber völlig konsterniert ob seiner Art, mit ihnen zu reden. Er war sehr nachtragend und sann immer auf Rache. Ein Leben ohne Feinde wäre für ihn undenkbar gewesen, also schuf er sich welche. Ich dachte manchmal, warum zum Teufel kann ich es nicht mit einem Weißen zu tun haben, der nicht so sehr auf Konfrontation aus ist. Ich glaubte, dass ich mich von dem lauten Leben entfernt hatte, in dem jeder aus voller Lunge schrie. Aber Cus erinnerte mich stets daran, dass das nicht der Fall war.

      Einen Monat später bekam ich bei den olympischen Vorausscheidungen die Chance, meine Niederlage gegen Tillman wettzumachen. Ich setzte ihn erneut drei Runden lang unter Druck, und dieses Mal wehrte er sich sogar noch weniger als beim ersten Kampf. Sogar Howard Cosell, der den Boxkampf für den Sender ABC moderierte und der der Meinung gewesen war, dass Tillman in unserem ersten Kampf nach Punkten gesiegt hatte, musste zugeben, dass ich dieses Mal eine viel größere Chance hatte, den Kampf zu gewinnen.

      Ich war davon überzeugt, den Sieg eingeheimst zu haben. Aber als der Ringrichter Tillmans Arm hob, war ich wie vom Donner gerührt. Ich konnte einfach nicht glauben, dass man zweimal eine solche Bullshit-Entscheidung gefällt hatte. Die Zuschauer schrien und buhten die Kampfrichter aus. Cus war wütend. Er fluchte und fing an, auf einen der Funktionäre der US-Olympiade einzudreschen. Kevin Rooney und einige andere Funktionäre mussten ihn zurückhalten. Damals war ich so mit mir beschäftigt, dass ich annahm, dieser ganze Scheiß mit Cus passiere meinetwegen. Als ich älter wurde, begriff ich, dass dies Cus’ Geschichte war, eine Geschichte, die vor 30 Jahren begonnen hatte. Hier meldeten sich seine Dämonen, und die hatten wenig mit mir zu tun.

      Es ging nur darum, dass Cus ausgenutzt und seines Ruhms beraubt worden war. Erst vor Kurzem erfuhr ich, dass Cus unseren Freund Mark, der für das FBI arbeitete, nach Albany ins Büro des Staatsanwalts geschickt hatte, um die Entscheidung für Tillman zu untersuchen.

      Nach den beiden Niederlagen gegen Tillman rastete ich aus. Ich nahm die Trophäen für den Zweitplazierten und zerschmetterte sie. Cus schickte mich trotzdem zur Olympiade, damit ich mich unters Team mischte. In jenem Jahr fand sie in Los Angeles statt. Cus meinte, ich solle dort einfach die Erfahrung genießen. Er war wirklich einmalig und hatte mir für jeden Kampf zwei Tickets besorgt, aber ich hatte ja eine Dauerkarte, also bot ich die Tickets unter der Hand Interessenten an. Und die Olympiade brachte mir durchaus einen Gewinn, denn da war diese entzückende Praktikantin, die für das Olympische Komitee der USA arbeitete. Alle Boxer und Trainer waren hinter ihr her, aber ich war derjenige, den sie erhörte. Sie mochte mich. Nach all den Jahren der Entbehrung war es ein tolles Gefühl, endlich mal wieder Sex zu haben.

      Aber nicht einmal der Sex konnte mich über meine Enttäuschung und meinen Schmerz, dass mir mein Olympischer Traum geraubt worden war, hinwegtrösten. Als die Olympischen Spiele zu Ende waren, flog ich zurück nach New York, fuhr aber nicht sofort nach Catskill. Ich hing in der Stadt herum und war wirklich am Boden zerstört. Irgendwann landete ich in der 42. Street und schaute mir einen Karatefilm an. Kurz vor Beginn rauchte ich einen Joint.

      Ich wurde high und erinnerte mich an die Zeit, als Cus mich mit Marihuana erwischt hatte. Es war kurz, nachdem ich bei den Junior Olympic Championships meinen zweiten Sieg errungen hatte, gewesen. Einer der anderen Boxer war neidisch auf mich und verpfiff mich. Bevor ich überhaupt die Chance hatte, das Zeug zu verstecken, hatte Cus Ruth, die deutsche Reinmachefrau, in mein Zimmer geschickt, und sie hatte den Stoff gefunden.

      Als ich nach Hause kam, war Cus wütend.

      „Mike, das muss wirklich guter Stoff sein, denn um das Marihuana zu rauchen, hast du gerade 400 Jahre Sklaven- und Landarbeit verraten.“

      An jenem Tag hat er meinen Geist gebrochen. Ich fühlte mich wie ein Onkel-Tom-Nigga. Und dabei hasste er derartige Menschen. Er verstand es wirklich, mich niederzubügeln.

      Ich saß also im Kino, erinnerte mich daran und versank dabei immer tiefer in meine Depression. Dann fing ich an zu heulen. Als der Film zu Ende war, ging ich schnurstracks zum Bahnhof und fuhr zurück nach Catskill. Auf der Rückfahrt überlegte ich, dass ich mich sofort ins Training stürzen müsste, um ins Profilager zu wechseln. Wenn ich Profiboxer werden wollte, musste ich spektakulär

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