Unbestreitbare Wahrheit. Mike Tyson
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„Nun, man hat ihn erwischt“, erzählte mir einer von ihnen. „Ich dachte, man hätte dich ebenfalls erwischt, denn als ich dich das letzte Mal gesehen hatte, warst du mit ihm unterwegs, und seitdem habe ich dich nicht mehr gesehen.“
Barkims Tod ging mir unter die Haut. Er hatte mich als seinen Sohn ausgegeben und in die Welt der Raubzüge eingeführt. Aber er hatte mich auch beschworen, diese Welt hinter mir zu lassen und zu meiner weißen Familie zurückzukehren. Und nicht nur er sagte das. Alle meine Freunde hier setzten große Hoffnungen auf Cus und mich. Cus eröffnete mir Chancen.
„Mike, halte dich an den weißen Mann. Wir sind nichts, komm nicht mehr zurück. Ich will keinen Bullshit-Nigga hören. Du bist die einzige Hoffnung, die wir haben. Wir werden nirgendwohin gehen, Mike, sondern hier in Brownsville abkratzen. Bevor das passiert, müssen wir aller Welt verkünden, dass wir mit dir zusammen waren und du unser Nigga warst.“
Wohin ich auch ging, immer hörte ich Ähnliches. Man nahm das sehr ernst. Für meine Freunde war Brownsville die pure Hölle. Alle wünschten sich, abhauen zu können wie ich. Sie konnten nicht verstehen, warum ich zurückkommen wollte, aber ich kam zurück, um herauszufinden, wer ich wirklich war. Meine beiden Leben waren total unterschiedlich, aber ich fühlte mich aus verschiedenen Gründen in beiden Welten zu Hause.
Eines Tages klopfte es an der Tür. Es war Mrs. Coleman, meine Sozialarbeiterin. Sie war gekommen, damit ich meinen schwarzen Arsch wieder nach Catskill bewegte und nicht mehr Leute ausraubte und in Wohnungen einbrach. Mrs. Coleman war eine wirklich nette Dame, die zwei Stunden lang gefahren war, um von Catskill zu mir zu gelangen. Sie stand ganz auf Cus’ Seite und war der Ansicht, dass das Boxen mich auf den rechten Weg brächte. Doch ich erklärte ihr, dass ich nicht dorthin zurückkehren würde. Sie erwiderte, dass sie Papierkram für mich erledigen müsse und die Polizei mich in Gewahrsam nehmen und irgendwo in New York unterbringen würde, wenn ich in Brooklyn bleiben wolle. Damals war ich 16, also wusste ich, dass das Bullshit war. Vom Gesetz her brauchte ich niemanden mehr. Aber ich ging mit ihr zurück nach Catskill. Ich blickte mich ein letztes Mal in der Wohnung um, sah, dass meine Mutter in Armut und Chaos gelebt hatte und jämmerlich gestorben war, und das veränderte meinen Blick darauf, wie ich mein Leben verbringen wollte, grundlegend. Auch wenn mein Leben kurz sein würde, so sollte es doch wenigstens ruhmreich sein.
Als ich wieder in Catskill war, half mir Cus dabei, über den Tod meiner Mutter hinwegzukommen. Er erzählte mir von dem Todestag seines Vaters. Cus war mit ihm zu Hause gewesen, und sein Vater hatte vor Schmerzen geschrien, aber Cus konnte ihm nicht helfen, weil er nicht wusste, was er tun sollte. Cus half mir, meine Stärke zurückzugewinnen.
Damals gab es einen südafrikanischen Boxer, Charlie Weir, der einer der heißesten Anwärter auf den Titel im Junior-Mittelgewicht war. Er und sein Team kamen nach Catskill, um mit Cus zu trainieren. Damals herrschte in Südafrika noch Apartheid, und Cus erzählte ihnen: „Wir haben einen schwarzen Jungen hier, er gehört zur Familie. Behandelt ihn respektvoll, so wie ihr mich und Camille behandelt.“
Das war ehrfurchtgebietend. Noch nie hatte sich jemand so für mich eingesetzt. Charlie und sein Team mussten dafür bezahlen, von Cus trainiert zu werden, und wenn jemand dafür bezahlt, steht er normalerweise im Mittelpunkt. Aber Cus trieb ihnen das schnell aus und sprach auch zu Hause darüber.
„Hör zu, wir sind jetzt deine Familie, okay?“, sagte er zu mir. „Und du bist unser Junge. Und du wirst diese Familie mit großem Stolz erfüllen. Mit Stolz und Ruhm.“
Wenn wir drei im Esszimmer am Tisch saßen, sagte Cus: „Camille, sieh dir deinen schwarzen Sohn an. Was hältst du von ihm?“
Camille stand dann auf, ging um den Tisch herum und küsste mich.
Aber einen Monat später zerbrach unsere Idylle. Ich war außer mir. Cus hatte Ärger mit meinem Trainer Teddy Atlas. Sie stritten sich über Geld. Teddy hatte vor Kurzem in eine Familie eingeheiratet, die Cus sehr zweifelhaft fand. Teddy brauchte also Geld, und Cus gab ihm nicht viel. Teddy wollte, dass ich ins Profilager überwechsle, sodass er einen Anteil an meinen Einnahmen bekäme, aber zu der Zeit passte dies noch nicht in Cus’ Pläne. Also wurde gemunkelt, dass Teddy Cus verlassen und versuchen werde, mich mitzunehmen.
Cus zu verlassen, war undenkbar. Aber ich tat dann etwas, womit Cus Teddy loswerden konnte. Ich kannte Teddys Schwägerinnen schon vor ihm. Wir waren alle zusammen zur Schule gegangen und miteinander befreundet. Die Mädchen flirteten gerne mit mir, aber ich hatte keinen Sex mit ihnen. Eines Tages war ich mit seiner zwölfjährigen Schwägerin unterwegs und fasste ihr an den Arsch. Ich führte nichts Böses im Schild. Ich war 16, trieb meine Spielchen und kniff sie einfach in den Arsch, was ich natürlich nicht hätte tun sollen.
Das war einfach blöd, und ich dachte mir nichts dabei. Ich hatte keine Ahnung, wie man Mädchen behandelte, weil Cus mich die ganze Zeit im Gym auf Trab hielt. Sobald ich die Gelegenheit dazu hatte, entschuldigte ich mich bei ihr. Sie antwortete nicht darauf, aber sie hatte sich wohl sehr unbehaglich gefühlt. Abends fuhr mich dann mein Sparringspartner zur Sporthalle, um dort mit Teddy zu trainieren. Als ich ausstieg, erwartete Teddy mich bereits und sah verärgert aus.
„Mike, komm her, ich muss mit dir reden“, sagte er.
Ich ging zu ihm. Er zog eine Waffe heraus und zielte damit auf meinen Kopf.
„Du Dreckskerl, wenn du noch einmal meine Schwägerin anfasst, dann …“
Er gab einen Warnschuss in die Luft ab und schoss dann knapp an meinem Ohr vorbei. Ich dachte, er hätte mir mein Ohr abgeschossen, aber dann rannte er weg. Und ich hinterher, weil sich das Gym direkt über einer Polizeiwache befand.
Wenn Teddy heute über diesen Vorfall spricht, erweckt er stets den Eindruck, dass ich mich zu Tode erschreckt hätte. Es war aber nicht das erste Mal gewesen, dass mir jemand eine Waffe an den Kopf hielt. Nicht, dass ich ihn aufgefordert hätte: „Komm schon, schieß auf mich, du Dreckskerl.“ Ich war vielmehr nervös, und es dauerte eine Weile, bis ich wieder richtig hören konnte. Aber das war ein beschissenes Gefühl. Teddy bedeutete mir sehr viel. Ich war aber auch angepisst und hätte gerne einigen Leuten verklickert, dass ich ihn mir vorknöpfen würde. Aber ich hätte nie etwas unternommen, um Teddy zu schaden. Er hat mir beigebracht, wie man boxt, und war von Anfang an dabei.
Camille war wütend auf Teddy. Sie wollte Cus bewegen, eine Anklage gegen ihn zu erwirken, damit er festgenommen würde, aber Cus brachte es nicht fertig. Er wusste, dass Teddy wegen einer anderen Sache Bewährung hatte und direkt ins Kittchen wandern würde. So zog Teddy schließlich mit seiner Familie zurück in die Stadt.
All das war meine Schuld. Es tat mir so leid, dass dies alles so übel gelaufen war.
Nachdem Teddy uns verlassen hatte, fing ich an, mit Kevin Rooney zu trainieren, einem Boxer, den Cus zum Trainer gemacht hatte. Rooney und Teddy waren von Kindesbeinen an befreundet, und Teddy hatte ihn Cus vorgestellt. Man kann sich also gut vorstellen, wie emotional diese ganze Geschichte war.
Ich war hocherfreut, wie sich alles entwickelte, als ich mit Rooney trainierte. Gewöhnlich werden Boxer, wenn sie Kämpfe gewonnen haben, wählerisch in Bezug auf ihre Gegner. Ich nicht. Mir war alles recht, ich trat gegen jeden Boxer an, ob in dessen Heimatstadt oder in seinem Hinterhof. „Du könntest auch in ihren Wohnzimmern gegen sie antreten, mit ihren Familien als Ringrichtern“, sagte Cus immer. Ich wollte einfach boxen und hatte vor niemandem Angst. Ich war bereit, in Chicago, Rhode Island, Boston oder sonst wo zu