Geduld als Ressource. Bettina Siebert-Blaesing
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Eine Vielzahl der Ergebnisse aus vorliegender Studie sind ebenso anschlussfähig für etwaige methodische Weiterentwicklungen, insbesondere der sozialpädagogischen Beratung sowie einer dezidiert gesundheitswissenschaftlich konzipierten Sozialpädagogik. Damit wird das notwendige systematische Reflektieren innerhalb der Sozialpädagogik und den Gesundheitswissenschaften befördert, die sich – so die Prognose – in Zukunft weiter annähern werden.
In vielerlei Hinsicht betritt Frau Siebert-Blaesing mit ihrer Forschungsarbeit wissenschaftliches Neuland, das es auf höchstem wissenschaftlichem Niveau zu erobern galt. Es ist der Autorin zu wünschen, dass ihre akademisch-wissenschaftliche Neugier zur Erkundung weiterer Gegenstandsbereiche des sozialpädagogischen Coachings niemals versiegt. Dem vorliegenden Buch wünsche ich viele interessierte LeserInnen, die sich durch das sozialpädagogische Coaching inspiriert fühlen und die das Thema „Geduld“ auch für ihre praktische Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden fruchtbar machen möchten.
Eichstätt, den 15.12.2020 Apl. Prof. Dr. Bernd Birgmeier
Ein Vorwort zur ‚Geduld als Ressource der Gesundheitsförderung junger Erwachsener‘ – Prof. Dr. Niko Kohls
Gesundheitsförderung ist ein interdisziplinäres wissenschaftliches Feld, das 1986 durch die Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation nicht nur gesundheitswissenschaftlich, sondern auch gesundheitspolitisch explizit und auf höchster Ebene adressiert wurde. Seit dieser Zeit entwickelt sich das Feld stetig weiter, naturgemäß wird es von den Entwicklungen in den theoretischen und angewandten Bezugswissenschaften aber auch gesellschaftlichen Prozessen nicht nur beeinflusst, sondern wirkt auch in diese hinein. Kurz gesagt, Gesundheitsförderung ist ein Thema der Zeit; Aufbau, Aufrechterhaltung, Wiederherstellung und vor allem Förderung von gesundheitsbezogenen Ressourcen, Kompetenzen, Fertigkeiten und Verhaltensweisen auf individueller und/oder gesellschaftlicher Ebene sind äußerst relevant. Mit diesem salutogenetischen Anspruch steht Gesundheitsförderung natürlich nicht allein in der wissenschaftlichen Landschaft, beispielsweise wird dies ja auch durch die Sozialpädagogik, Soziale Arbeit, Erziehungswissenschaften aber auch durch die Präventionsmedizin und Resilienzforschung angestrebt. Insofern wundert es nicht, dass auf Potenzialentfaltung und –entwicklung ausgerichtete Beratungs- und Unterstützungsangebote wie das Coaching sich auch zunehmenden Interesses erfreuen.
Der naheliegende, aber bisher nur selten explizit untersuchte Zusammenhang zwischen Gesundheitsförderung und Coaching wird in der vorliegenden Arbeit von Frau Siebert-Blaesing anhand einer etablierten, altehrwürdigen Tugend, der Geduld, für das Anwendungsfeld des Einzelcoachings junger Erwachsene systematisch und aus unterschiedlichen Perspektiven untersucht. Besonders interessant ist dabei die Vorgehensweise von Frau Siebert-Blaesing, die konzeptionell-theoretische Arbeit mit empirischer Forschung kombiniert und synthetisch verbindet. So wird das Thema Geduld nicht nur historisch, philosophisch, ethisch, psychologisch, soziologisch beleuchtet, sondern auch neurobiologisch und verhaltenswissenschaftlich fundiert und extrem detailliert dargestellt. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden auf dem Hintergrund der empirischen Ergebnisse reflektiert und dann daraus praktische Handlungsempfehlungen entwickelt.
Vor allem die Tatsache, dass die empirische Studie im Kontext der Kirchlichen Jugendarbeit über einen Zeitraum von drei Jahren durchgeführt wurde, macht diese Studie extrem wertvoll und aus meiner Sicht zumindest im deutschsprachigen Raum auch einzigartig. Hier werden erstmals auf empirische Weise, mit einem dafür gut geeigneten strukturiert-qualitativen Ansatz, Ansichten, Haltungen und Einstellungen junger Menschen zum Thema Geduld und ihren Zusammenhang mit Gesundheit erhoben und detailliert analysiert, um daraus sieben praktische Handlungsempfehlungen für das Einzelcoaching abzuleiten. Da die Stichprobe für qualitative Studien groß ist, und eine äußerst hohe Rücklaufquote vorliegt, kann in dieser Zielgruppe sicherlich Repräsentativität vorausgesetzt werden, was nebenbei gesagt nicht immer in qualitativen Forschungsstudien vorkommt. Mit äußerster Akribie, methodologischen Geschick und Fleiß hat Frau Siebert-Blaesing einen äußerst umfangreichen Datensatz systematisch bearbeitet und so die empirische Essenz herausdestilliert.
Ähnlich verhält es sich mit dem theoretisch-konzeptionellen Teil, der im Hinblick auf die historischen, philosophischen und wissenschaftlichen Befunde ebenfalls umfassend erscheint, ohne dabei jedoch der Beliebigkeit zu verfallen. Auch hier wird deutlich erkennbar, dass Frau Siebert-Blaesing sich intensiv und aus unterschiedlichen Perspektiven, vor allem aber interdisziplinär, mit den unterschiedlichsten Aspekten von Geduld beschäftigt hat. Es gelingt ihr dabei auch, die facettenreichen Einzelbefunde zu verdichten und zu einer Synthese zusammenzuführen. An dieser Stelle wird besonders deutlich, dass die große Stärke der vorliegenden Arbeit in der breit angelegten, interdisziplinären Betrachtungsweise liegt. So viele Details und Einzelbefunde aus unterschiedlichen Disziplinen in einer gleichsam lesbaren wie verdaubaren Form darzustellen, stellt auf jeden Fall eine große Herausforderung dar. Frau Siebert-Blaesing ist dies in beindruckender Weise gelungen, wobei ihr Stil gleichsam präzise und konzise ist.
Frau Siebert-Blaesing legt mit der vorliegenden Abhandlung eine beachtliche Arbeit vor, die nicht nur inhaltlich-konzeptionell umfassend, methodologisch ausgefeilt und im Hinblick auf formale und stilistische Merkmale auf extrem hohem Niveau angesiedelt ist, sondern auch einen extrem hohen Reflexionsgrad erkennen lässt. Es ist auch für den informierten Leser sofort erkennbar, dass sich hier jemand über einen Zeitraum von sieben Jahren sehr intensiv und in kreativer Eigenleistung mit dem facettenreichen Konstrukt der Geduld befasst hat. Dieses ist zwar aus psychologischer Sicht wohl bekannt und beschrieben, durchaus auch im Sinne einer effektiven Selbstregulationskompetenz – man denke hier an die von Walter Mischel in den berühmten Marshmallowexperimenten untersuchte Fähigkeit von Kindern zum Belohnungsaufschub –, aber im Rahmen der deutschsprachigen Coaching- und Gesundheitsförderungsforschung bisher nicht umfassend rezipiert worden. Besonders deutlich wird das in der Diskussion mit den reflektierten Empfehlungen für die weitere Forschung und dem Fazit, das noch mit einer aktuellen Betrachtung der Rolle von Geduld auf dem Hintergrund der Coronakrise schließt.
Somit werden sowohl Theoretiker als auch Anwender von der Lektüre dieser Arbeit gleichermaßen profitieren können.
Coburg, den 27.12.2020 Prof. Dr. Niko Kohls
Einordnung und Danksagung
Als ‚Fachreferentin Jugend und Arbeit‘ in der Erzdiözese München und Freising begegne ich jungen Frauen und Männern in der Vielfalt ihrer Werdegänge und Fragestellungen. Das von mir und meinen (sozial-)pädagogischen Kolleg*innen genutzte Beratungsformat des Einzelcoachings gibt einen Rahmen vor, in dem junge Erwachsene mit einem bedeutsamen Anliegen zeitweise im Mittelpunkt stehen, in der Weite ihrer beruflichen und privaten Möglichkeiten gesehen werden können sowie in ihrem Lernprozess und ihrer Entwicklung beratend begleitet werden. Die exponierte Betrachtung der individuellen Berufs- und Lebenssituationen der jungen Erwachsenen zielt darauf ab, sie darin zu bestärken, die ihnen wichtigen Wünsche und Anliegen entdecken und umsetzen zu lernen.
Einige Einzelcoachingprozesse erweisen sich aber als schwierig und sind durch ein Gefühl von „Nichtvorankommen“ (Toussaint 2012, S. 36–37) geprägt. In der Reflexion zwischen dem professionellen Coach1 und dem/der Klient*in kann deutlich werden, dass ein angestrebtes Ziel aktuell schwer zu erreichen ist und erst einmal konkretisiert und in seiner Realisierbarkeit besprochen werden muss. Es gibt aber auch Coachingsituationen, in denen sich auf der Grundlage der Lebens- und Berufserfahrung erahnen lässt, dass