Geduld als Ressource. Bettina Siebert-Blaesing

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Geduld als Ressource - Bettina Siebert-Blaesing страница 9

Geduld als Ressource - Bettina Siebert-Blaesing Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag: Pädagogik

Скачать книгу

in der Welt von heute des II. Vatikanischen Konzils (veröffentlicht 1973); http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19651207_gaudium-et-spes_ge.html, abgerufen am 26.04.2020.

      In dem Kapitel 2.1 der theoretischen Grundlagen werden zuerst Begriffe geklärt, die für das Verständnis der vorliegenden Untersuchung zentral sind. Hiernach werden unter 2.2. die textanalytischen Herausforderungen beschrieben, die sich bei der Recherche von Quellen zur ‚Geduld‘ stellen. Danach werden relevante Aussagen zur Geduld in ihrem historischen Kontext (vgl. Kapitel 2.3) vorgestellt. Hiernach werden geeignete Forschungsansätze (vgl. Kapitel 2.4) zum Verständnis der ‚Geduld‘ als Alltagsressource eingeführt. Im vierten Schritt werden aktuelle Studien (vgl. Kapitel 2.5) zur ‚Geduld‘ in ihren Ergebnissen dargestellt und zu Forschungsfelder gebündelt.

      Als theoretische Grundlagen werden im Kapitel 2.1 die ‚ressourcenorientierte Gesundheitsförderung‘, das ‚(sozial-)pädagogische Einzelcoaching‘ und die ‚Situation junger Erwachsener‘ eingeführt (vgl. Abb. 2). Anschließend werden textanalytische Vorrausetzungen definiert, die eine Grundlage für das Verständnis der in der historischen Quellenrecherche zum Thema ‚Geduld‘ grundlegend sind.

images

      Abbildung 2: Einleitung Grundbegriffe, eigene Darstellung (Siebert-Blaesing 2020c)

      Die Begriffe ‚Gesundheit‘ und ‚Krankheit‘ sind Gegenstand vieler sozial- und humanwissenschaftlicher Disziplinen, wie etwa der Medizin, der Psychologie, der Pädagogik, der Sozialpädagogik, der Sozialen Arbeit und der Soziologie (vgl. Hurrelmann und Richter 2013, S. 7). In den Sozialwissenschaften wird je nach Forschungsrichtung zwischen übergeordneten Gesellschafts- und Public-Health-Theorien (die vorrangig Fragen zur Gerechtigkeit und zur Bedeutung sozialer Einflüsse sowie Folgen und Wechselwirkungen von Gesundheit behandeln) und Lern- sowie Bewältigungstheorien (die stärker die subjektive Sicht und die konkreten Handlungsmöglichkeiten berücksichtigen) differenziert (vgl. ebd., S. 66). Das Verständnis von ‚Gesundheit‘ und ‚Krankheit‘ unterliegt dabei einem kontinuierlichen prozesshaften Wandel (vgl. Beushausen 2013, S. 7; Zemp Stutz und Buddeberg-Fischer 2004, S. 309). Für die Soziale Arbeit, die Sozialpädagogik, die Pädagogik und die Psychologie sind die Entwicklung der Salutogenese sowie die Positionierung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Gesundheitsförderung für ihr aktuelles Verständnis von ‚Gesundheit‘ und ‚Krankheit‘ prägend und werden daher in Kürze dargestellt, um daraus das Gesundheitsverständnis abzuleiten, von dem in der vorliegenden Untersuchung ausgegangen wird.

      2.1.1.1 Die Salutogenese und ihre Entstehung

      Angeregt durch den von Aaron Antonovsky entwickelten Ansatz der Salutogenese (Antonovsky und Franke 1997) verändert sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Relation zwischen Krankheit und Gesundheit, indem Antonovsky Stressoren und Coping-Ressourcen (Widerstandsressourcen) in ein neues Verhältnis zueinander setzt. Ihn leitet die Frage, welche Widerstandsressourcen Gesundheit erhalten. Ging die Sicht auf die Gesundheit in der Wissenschaft und im Alltagsverständnis bisher von einem defizitorientierten, pathogenen Blick auf das Kranksein und von dem Ziel der vorrangigen Verhinderung von Krankheit aus (vgl. Zemp Stutz und Buddeberg-Fischer 2004, S. 309, S. 318), so fragt Antonovsky nun, wie auch bei Krankheit und unter widrigen Umständen mehr Gesundheit entstehen und gefördert werden kann. Diesen Prozess nennt er ‚Salutogenese‘. Gesundheit und Krankheit setzt er in eine fließende Beziehung zueinander. Für ihn kann eine Person gleichzeitig krank sein und sich in Richtung zu mehr Gesundheit entwickeln, wenn sie neben allen Stressoren und Belastungen einen ausreichenden Zugang zu Ressourcen findet. Das Optimum von Gesundheit zeichnet sich für Antonovsky durch einen Zustand des gesundheitlichen Wohlbefindens aus, der trotz großer sozialer, körperlicher und psychischer Probleme erfahren wird. In seinem Krankheits- und Gesundheitsverständnis misst Antonovsky besonders dem sozialen Umfeld einer Person als essenzielle Ressource eine hohe Bedeutung für die Entwicklung von Gesundheit bei und nimmt somit großen Einfluss auf die Entstehung von Konzepten und Programmen in der Sozialen Arbeit, der Sozialpädagogik und Pädagogik wie der Psychologie (vgl. Antonovsky und Franke 1997; Klemperer 2015; Blättner und Waller 2018; Ostermann 2010; Bengel 2001, 2001; Petzold 2010; Gfüllner 2015). Theodor Dierk Petzold erweitert Antonovskys Gesundheitsverständnis, indem er die „Selbstheilungsfähigkeit des Organismus“ (Petzold 2010, S. 176) als systemeigene Kraft fördern möchte. Für diese Ressource einer gesunden Entwicklung, die er als die bedeutendste ansieht, wünscht er sich eine „dynamische Prozessfähigkeit“ (ebd.), die sich ihm zufolge über die drei Fähigkeiten, a) fühlen zu können, was ungesund ist, b) handeln zu können, um Verbesserung zu ermöglichen und c) weitere Ressourcen über ein vernetztes Nachdenken aktivieren zu können, aufbaut (Petzold 2010, S. 176). Schiepek und Matschi (2013) gehen davon aus, dass nur die Ressourcen, die als solche identifiziert werden, auch wirken können. Eine Ressource sei immer auf ein bestimmtes Ziel bzw. einen Zweck ausgerichtet und werde über den Bewertungsvorgang einer Person bestimmt.

      2.1.1.2 Positionierung der WHO zur Gesundheitsförderung

      Die Veränderung des Verhältnisses zwischen ‚Krankheit‘ und ‚Gesundheit‘ zeichnet sich schon in der Präambel der WHO6 von 1946 sowie in der Ottawa Charta zur Gesundheit7 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 1986 in ihrer Definition zur Gesundheitsförderung ab. Im Gegensatz zu der bisher bevorzugten Haltung und Strategie der gesundheitlichen „Prävention“ (Zemp Stutz und Buddeberg-Fischer 2004, S. 319–321), die frühzeitig einen nicht gewünschten Zustand durch eine geeignete personenbezogene Verhaltensprävention sowie gesellschaftlich wirkende Verhältnisprävention verhindern will, wird nunmehr ergänzend die „Gesundheitsförderung“ (Hurrelmann und Richter 2013; Blättner und Waller 2018) als ein bestärkender umfassender Prozess in einem gesundheitlich selbstbestimmten Leben von Einzelpersonen und Gruppen gesehen. In den Mittelpunkt der Gesundheitsförderung stellt die WHO seit 1946 ein „umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden“8 als Merkmal einer bedürfnis- und umweltorientierten sowie hoffnungsvollen Gesundheit. Verantwortlich für die Gesundheitsförderung sind nun nicht mehr vorrangig das medizinisch ausgebildete Fachpersonal, sondern alle Personen und Organisationen. Indem die WHO Gesundheit als wesentlichen Bestandteil des alltäglichen Lebens versteht, sieht sie die Gesundheit bestärkt durch die Ottawa-Charta als eine Querschnittsaufgabe an, die alle Lebensbereiche berührt, Ressourcen integriert und besonders die Politik in der Gesundheitsförderung in die Pflicht nimmt (vgl. ebd.). Eine Ressource ist basierend auf dem Gesundheitsverständnisses der WHO damit als eine Lebensquelle zu verstehen, die Menschen umfassend im Alltag zur Förderung des Wohlbefindens zur Verfügung steht sowie zugänglich gemacht wird. Das betrifft verschiedene Ebenen von der gesamten „Lebensführung“ (Sommerfeld et al. 2011; Sommerfeld 2013), über die „Lebensqualität“ (Knecht 2010), des Umgangs mit „Krisen und Widerfahrnissen“ (Birgmeier 2010b), die Ressourcenorientierung in der Psychotherapie (vgl. Willutzki und Teismann 2013; Schiepek und Matschi 2013; Menning 2015) bis hin zur Berücksichtigung spiritueller

Скачать книгу