Geduld als Ressource. Bettina Siebert-Blaesing

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Geduld als Ressource - Bettina Siebert-Blaesing Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag: Pädagogik

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durch eine Vernetzung geeigneter Unterstützer*innen des Gesundheits- und Sozialsystems sowie durch eine Förderung der individuellen Person in ihrem sozialen Gefüge.9 Der beschriebenen Richtung folgt in Deutschland auch das Bundesministerium für Gesundheit (Bundesministerium für Gesundheit (BMG) 2019) mit seinem Wegweiser zum gemeinsamen Verständnis von Gesundheitsförderung und Prävention – bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Hierin fordert das BMG basierend auf einer vernetzten Absprache mit zahlreichen Organisationen, Experten*innen und Initiativen im Feld der Gesundheit eine weitrechende salutogene Vorgehensweise. Über diese Kooperation soll, ganz im Sinne der (Sozial-)Pädagogik und Sozialen Arbeit, die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen unter einer weitgehenden Partizipation von jungen Menschen und ihren Familien möglichst vor Ort (kommunal) gefördert und verbessert werden. Den anderen gesellschaftlichen Ebenen (z.B. Landkreis, Bezirk, Land, Bund) kommt der Auftrag zu, diesen Prozess durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen.

      2.1.1.3 Gesundheitsverständnis der Untersuchung

      Da sowohl die Begriffe der ‚Gesundheit‘, des ‚Wohlbefindens‘ als auch der ‚Ressource‘ als weit gefasste Alltagsbegriffe benutzt werden, empfiehlt Doris Ostermann, sich dem unterschiedlichen Verständnis der genutzten Begriffe abhängig von den dahinterstehenden Interessenslagen der Akteure im Gesundheitsfeld bewusst zu sein und die jeweils individuelle Position zu definieren (vgl. Ostermann 2010, S. 83). Ihrem Rat folgend, wird ‚Gesundheit‘ in der vorliegenden Untersuchung im folgenden Sinne verstanden: Im Handlungsformats des Coachings wird explizit von einem Gesundheitsverständnis ausgegangen, das Gesundheit mental, emotional sowie im Handeln (auch) in der Alltagswelt junger Erwachsener verortet. Das Ziel einer Reflexion der Geduld im Sinne der Gesundheitsförderung ist es, Geduld somit als eine umfassende, für das Wohlbefinden förderliche Ressource zu untersuchen, die jungen Erwachsenen für ihre Lebensführung, berufliche und private Orientierung sowie Persönlichkeitsentwicklung zur Verfügung steht oder zugänglich gemacht werden kann.

      Personenbezogene Beratung findet in vielen unterschiedlichen Kontexten und Formaten statt. Sie „hilft bei Problemen des menschlichen Zusammenlebens und -arbeitens und dient der menschlichen Entwicklung“10. In der (sozial-)pädagogisch und psychosozial orientierten Beratung steht die Weitergabe von Information, von Wissen und von Erfahrung und Einschätzungen im Vordergrund (Sickendiek et al. 2008). Dabei verfolgen die Beratungsprozesse die individuellen Förderung der „Selbstorganisation“ (Schiersmann und Thiel 2012, S. 21) einer Person, eines Teams oder einer Gruppe bezüglich einer relevanten Fragestellung oder bei einem Problem. Jürgen Kriz unterscheidet hierbei zwischen den Beratungsformaten der Therapie, der Beratung und dem Coaching, in denen jeweils verschiedene Perspektiven auf einen Fall gerichtet sein können (vgl. Kriz 2017, S. 18–20). Im folgenden Schritt wird das Beratungsformat des Coachings erläutert, um auf dieser Grundlage anschließend das Coachingverständnis dieser Arbeit zu definieren.

      2.1.2.1 Coaching als Selbstoptimierung, persönliche Begegnung und Gesundheitsförderung

      Bernd Birgmeier verortet Coaching wissenschaftlich schwerpunktmäßig in der Handlungsphilosophie, der Ethik, den Sozialwissenschaften, der Ökonomie, der Pädagogik bzw. den Erziehungswissenschaften und der Psychologie. Jede dieser Wissenschaften stelle spezifische Aspekte, wie etwa die Bedeutung des Lernens, der Beziehungen oder der Wirtschaftlichkeit von Handlungen in den Mittelpunkt (vgl. Birgmeier 2011a, S. 27). Coaching lasse sich als enge Verzahnung von Selbstreflexion, Handlungswissen und Handlungskompetenz verstehen (vgl. ebd., S. 17–30; vgl. Birgmeier et al. 2019).

      Astrid Schreyögg sieht die Themen und Einsatzfelder im Coaching als differenziert und breit gefächert an, was verlangt, dass „der Coach über eine Vielzahl an methodischen Mustern verfügen muss, die den multipragmatischen und multidisziplinären Strukturmustern gerecht werden“ (Schreyögg 2011, S. 49; vgl. auch Birgmeier 2011b; Kriz 2016; Busse und Hausinger 2013).

      Michael Fischer und Pedro Graf definieren Coaching als prozess-, ziel- und handlungsorientierte Beratung, Anleitung und Training von Personen in ihren professionellen Rollen, Aufgaben und Kontexten als integralen Bestandteil von Personalentwicklung in Organisationen (vgl. Fischer und Graf 2000).

      Gerhard Roth und Alica Ryba beschreiben folgende Varianten des Coachings als übliche Formen: Selbstcoaching, Peer-Coaching, Einzelcoaching, Coaching durch Vorgesetzte, Coaching-Führungsstil, Gruppen-Coaching, Team-Coaching, Coaching-Kultur. Das Einzelcoaching ist aus ihrer Sicht die Coachingvariante, die in Deutschland überwiegt (vgl. Roth und Ryba 2016, S. 52).

      Unabhängig davon, ob ein Coaching einzeln oder in einer Gruppe durchgeführt wird, betonen Rauen, Strehlau und Ubben die Bedeutung der vertrauensvollen Beziehung zwischen dem/der Klient*in und dem Coach. Hierfür setzen sie die Freiwilligkeit, Diskretion, gegenseitige Akzeptanz, die Selbstmanagementfähigkeiten von Klient*innen, Offenheit und Transparenz wie auch die Veränderungsbereitschaft als Kriterien für ein gelingendes Coaching voraus (vgl. Rauen et al. 2011, S. 153–155).

      Oft folgt ein Coaching der Idee der Selbstoptimierung und damit der lernenden bzw. trainierenden Verbesserung von Fähigkeiten, Einstellungen und Haltungen (vgl. Conrad und Kipke 2015; Wallroth 2015). Marc-Ansgar Seibel (2019) hingegen verweist auf den doppelten Auftrag der Sozialen Arbeit, den Menschen einerseits in seinem individuellem Werden umfassend persönlich zu unterstützen sowie ihn gleichzeitig in der Ungerechtigkeit der “fluiden Moderne” (ebd.), die mit einer überfordernden Selbstoptimierungsidee einhergehe, strukturell (gesellschaftlich) zu stärken. Hierzu sei die Solidarität der Sozialen Arbeit unabdingbar.

      Martin Buber (2014) rät dazu, jede Beratung (zu der in der Beratungsprofession auch das Coaching gehört, Anmerk. BSB), als eine interpersonelle Begegnung über die Zeit zu verstehen, die von einer wechselseitigen Wertschätzung, einem tatsächlichen Interesse an der anderen Person und einer Bereitschaft, miteinander als Persönlichkeiten zu wachsen, geprägt sein sollte.

      Für Eric Mührel (2011, S. 75–81) bedeutet Coaching demnach angelehnt an das „dialogische Prinzip“ (Buber 2014) von Buber einen wechselseitigen Dialog, der in der Beziehung zwischen dem/der Klient*in und dem Coach sowohl auf ein gegenseitiges Verstehen der jeweiligen Lebens-, Berufs- und Arbeitswelt sowie auf ein Achten der Unterschiedlichkeit zweier Personen aufbaut. Eine solche Beziehung ereigne sich in der Idealform nicht als „Sozialtechnik“ (Mührel 2011, S. 75–81), sondern als Erleben einer tiefen Begegnung zweier Menschen.

      Auch Reinhard Stelter definiert Coaching in Orientierung an Buber als einen mitmenschlichen Begegnungsprozess. Für ihn stellen der sinnvolle Dialog, die Wertehaltung und die Kollaboration die Grundelemente von Coaching dar. Mit seinem Ansatz des „Third Generation Coachings“ (Stelter 2019, S. 3–16) grenzt er sich von einem technokratischen wie konstruktivistischen Coachingverständnis ab, sondern sieht Coaching als einen professionellen sinnorientierten Begegnungs- und Lernprozess zwischen Personen (vgl. Stelter 2019).

      Ein christliches Coachingverständnis geht von einer dialogischen Beziehung zwischen Coach und Klient*in aus. Exemplarisch fragt Jesus im Gleichnis von der Heilung eines Blinden in Jericho seinen Gesprächspartner etwa: „Was soll ich dir tun?“ (EÜ, Lukas 18,– 31–43). Erst der Auftrag des in diesem Fall blinden Gegenübers und im christlichen Sinne ‚sein Glaube‘ bewirken die Heilung als inneren Impuls der Veränderung. Das achtsame Gesehen- und Gehört-Werden in der Begegnung schafft den Rahmen für eine konstruktive Entwicklung in eine bessere Richtung.

      Die European Association for Supervision and Coaching (EASC)11 sowie die Deutsche Gesellschaft für Supervision und Coaching (DGSv)12 betonen als führende europäische bzw. deutsche Coachingverbände die Orientierung an der Gesundheit als einem der grundlegen Werte von Coaching.

      Für ein gesundheitsorientiertes Einzelcoaching empfiehlt Matthias Lauterbach aufgrund der Zunahme der Komplexität der Lebenssituation von Klient*innen je nach Situation und Auftrag eine Kooperation mit Expert*innen

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