Geduld als Ressource. Bettina Siebert-Blaesing

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Geduld als Ressource - Bettina Siebert-Blaesing Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag: Pädagogik

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mit unterschiedlichen Ansichten in der Entwicklung der Sozialpädagogik, der Pädagogik, der Sozialen Arbeit und des Coachings von der Autorin als bereichernd angesehen wird.

      Die in diesem Kapitel beschriebenen historischen Quellen wurden ausgewählt, weil sie die Geduld jeweils in einer gesellschaftlichen Übergangsphase beschreiben und Aufschluss darüber geben können, wie Geduld in heutigen Veränderungsprozessen junger Erwachsener verstanden werden kann. Ihre Deutung im Kontext des Einzelcoachings junger Erwachsener erfolgt aus Gründen der Einheitlichkeit und der Verwertbarkeit in der Diskussion im Kapitel 4.

      Die ausgewählten Dokumente aus der der Antike und der Stoa zeigen sich als Stimmen einer Übergangszeit: Werden in der ausklingenden hellenistischen Phase noch das ‚individuelle Wohl‘ als Gut sowie die ‚Vernunft‘ vorrangig geschätzt, so werden mit der Entstehung des Christentums das ‚Überleben als Glaubensgemeinschaft‘ und der ‚Umgang mit dem Leid des Menschen‘ zentralere Themen.

      2.3.1.1 Publilius Syrus

      Die Sprüche des Publilius Syrus (1969) lassen sich als eine Sammlung von Lebensweisheiten der Antike verstehen. Von Publilius Syrus sind aus dieser Übergangszeit die Sprüche „Geduld ist ein verborgener Schatz der Seele“19, „Geduld und Mut erbauen ihr Glück sich selbst“20 sowie „Arznei für jeden Schmerz ist die Geduld“21 überliefert. Geduld zeigt sich somit bei Publilius Syrus als eine Verbindung von etwas Wertvollem und Geheimnisvollen sowie von Mut, Glück und gesundheitlichem Wohlergehen.

      2.3.1.2 Cicero

      Im Jahr 63 v.Chr. stellt der Konsul Marcus Tullius Cicero (106 v.Chr.–43 v.Chr.; Häberle 2015, S. 1–4) vor dem römischen Senat an den Politiker Catilina die Frage: „Wie lange noch, Catilina, willst Du unsere Geduld mißbrauchen?“22 und deckt damit eine Verschwörung gegen den Senat auf. Durch die Frageform verweist Cicero auf die zeitliche Bedeutung der Geduld sowie die Gefahr, Geduld zu instrumentalisieren. Gleichsam ist Cicero bedeutsam, weil auf ihn die Wortschöpfung der Toleranz zurückgeht, und hierin die Geduld ihre sprachliche Wurzel findet. Toleranz versteht der Stoiker Cicero als eine Tugend, die vorrangig auf das Subjekt sowie seine Bewältigung von persönlichem Leid gerichtet ist und weniger den Umgang mit seiner Umgebung berücksichtigt (vgl. Schmidt-Salomon 2017, S. 63–64). Die Stoiker sehen den Menschen nach Maximilian Forschner als einen nach Weisheit strebenden Menschen. Durch seinen Geist erlange der Mensch vollkommenes Glück. Die sachliche Sicht auf alle Dinge und Zusammenhänge stehe über den Emotionen (vgl. Forschner 2016, S. 314–320). Die Geduld im Sinne Ciceros ist hiermit eine vernunftbezogene, mentale Haltung, mit der eine Person möglichst ohne Beachtung der eigenen Emotionen Lebensaufgaben zu bewältigen hat.

      2.3.1.3 Seneca

      Etwa hundert Jahre später berät der Philosoph Lucius Annaeus Seneca (geboren circa im Jahr 1 bis 65 n.Chr., vgl. Seneca 2013), der ebenso den Stoikern zugerechnet wird, den Politiker und Geschäftsmann Serenus dahingehend, wie er zu einem ruhigen, gelassenen und ausgeglichenen Lebensstil kommen kann (vgl. Seneca 2013, Seneca 2017, S. 6). Serenus erlebt seine Rollensuche zwischen seiner Tätigkeit in der Öffentlichkeit und dem von ihm gewünschten Rückzug in das Private als seelisch kräfteraubend. In einem Brief an Seneca geht Serenus darauf ein, dass er wisse, dass sich alles Wesentliche erst durch „geduldiges Ausharren“ (ebd.) durchsetze. Er beschreibt, wie schwer ihm seine Aufgaben über die Zeit fielen. Dabei befinde er sich oft in unterschiedlichen „Zuständen“ (ebd.), was er für sich als Krankheit definiert (ebd.). In einem Antwortschreiben geht Seneca auf die Bedeutung der „Gemütsruhe“ (ebd., S. 14–15) ein, die aus seiner Sicht durch ein passendes Maß an „Freude“ (ebd.) und „Einvernehmen“ (ebd.) mit sich entstehe. Der menschliche Geist neige dazu, bewegt zu sein, Veränderung zu suchen und nicht zur Ruhe zu kommen (ebd., S. 19). Zudem zeige er durchgehend nicht die Energie „alles zu erdulden“ (ebd., S. 21) und sich mit bedeutenden Fragen „auf Dauer abfinden“ (ebd.) zu können. An anderer Stelle kritisiert Seneca ein Leistungsverständnis, das an eine hohe Position gebunden ist, indem er die Geduld als eine Tugend der für jedermann zugänglichen Gerechtigkeit, der Frömmigkeit, der Tapferkeit, der Todesverachtung und der Götterkenntnis zuordnet, wenn er schreibt:

      „Oder leistet etwa derjenige mehr, der als Richter zwischen Fremden und Bürgern oder als städtischer Prätor den Parteien in feierlichem Tone das Urteil verkündet, als der, welcher Auskunft darüber gibt, was die Gerechtigkeit sei, was die Frömmigkeit, was die Geduld, was die Tapferkeit, was die Todesverachtung, was die Göttererkenntnis eine wie hohe Stellung unter allen Gütern, die umsonst zu haben sind, ein gutes Gewissen einnehme?“ (Seneca 2017, S. 23 in der Übersetzung von Otto Apelt)

      Senecas Schicksal nimmt eine tragische Wendung, als er im Jahr 65 n.Chr. auf Befehl seines ehemaligen Schülers Nero zum Selbstmord verurteilt wurde, da ihm eine Mitwirkung in einer Verschwörung unterstellt wurde. Seinen eigenen Tod vollzieht er gemäß seiner ethischen Haltung in stoischer Gelassenheit (vgl. Seneca 2013).

      In den jüdisch-christlichen Wurzeln des Alten Testamentes und des Neuen Testaments zeigt sich in den zahlreichen Verweisen auf die Geduld, dass, anders als in der hellenistischen Zeit und bei den Stoikern, das Ringen des Menschen mit krisenhaften Lebensphasen nun verstärkt thematisiert wird. Der Mensch begegnet in diesen Quellen der Vorstellung eines Gottes, der ihn in seiner Geduld prüft, ihm aber als Dialogpartner gegenübersteht. Verbunden wird dies mit der Hoffnung, dass er als Mensch von seinen Qualen erlöst wird.

      Aufgrund der Fülle der biblischen Aussagen zur Geduld werden ausgewählte Quellen aus dem Alten Testament und dem Neuen Testament wörtlich angeführt und direkt im Text mit einer Quellenangabe versehen.23

      2.3.2.1 Geduld im Alten Testament

      Im Buch Ijob wird die Geduld zwar nicht explizit erwähnt, die Figur des Ijob steht aber sinnbildlich für alle Menschen, denen schweres Leid und Krankheit widerfahren und die dies als Prüfungen für ihre Beständigkeit ansehen (vgl. EÜ, Ijob 2,10, Der Verlust der Gesundheit). In den Psalmen wird Geduld als Ausharren verstanden. „Ich bin wie ein Tauber, der nicht hört, wie ein Stummer, der den Mund nicht auftut. Ich bin wie einer, der nicht mehr hören kann, aus dessen Mund keine Entgegnung kommt. Doch auf dich, Herr, harre ich; du wirst mich erhören, Herr, mein Gott“ (EÜ, Psalmen 38,14–16).

      In den Sprüchen Salomons wird Geduld als Langmut bezeichnet und mit Friedfertigkeit, Überzeugungskraft und Sanftheit in Verbindung gebracht. Dort heißt es: „Der Langmütige ist immer der Klügere, der Jähzornige treibt die Torheit auf die Spitze“ (EÜ, Sprüche Salomons 14,29), „Ein hitziger Mensch erregt Zank, ein langmütiger besänftigt den Zank“ (EÜ, Sprüche Salomons 15,18), „Besser ein Langmütiger als ein Kriegsheld, besser, wer sich selbst beherrscht, als wer Städte erobert“ (EÜ, Sprüche Salomons 16,32) sowie: „Mit Geduld wird ein Vorgesetzter umgestimmt, sanfte Zunge bricht Knochen“ (EÜ, Sprüche Salomons 25,15). Im Buch Sirach wird Geduld als annehmende Haltung auch in Bedrängnis verstanden: „Nimm alles an, was über dich kommen mag, halt aus in vielfacher Bedrängnis!“ (EÜ, Sirach 2,4). Dies verpflichtet gleichsam zur Unterstützung von Bedürftigen: „Hab dennoch Geduld mit dem Bedürftigen, und laß ihn nicht auf die Wohltat warten!“ (EÜ, Sirach 29,8). In den Büchern der Propheten werden Menschen, die verfolgt wurden, ermutigt, dies geduldig als Zeichen des Zornes Gottes zu ertragen und auf den Untergang des Feindes zu setzen: „Meine Kinder, ertragt geduldig den Zorn, der von Gott her über euch kam: Der Feind hat dich verfolgt, bald aber wirst du seinen Untergang sehen und den Fuß in seinen Nacken setzen“ (EÜ, Baruch 4,25). An dieser Formulierung zeigt sich exemplarisch, wie existenziell die Geschichte Einzelner und ganzer Völker im Alten Testament von Krieg und Tod geprägt ist und welche zentrale Bedeutung Geduld für das Überleben hat.

      2.3.2.2

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