Geduld als Ressource. Bettina Siebert-Blaesing

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Geduld als Ressource - Bettina Siebert-Blaesing Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag: Pädagogik

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der Möglichkeit auf ‚eigene Kinder‘ und einen ‚guten Kontakt zu den Eltern‘ als bedeutendste Vorbilder schätzen. Kennzeichnend für die jetzige Jugendgeneration sei besonders ihr ‚Engagement‘ und ihre politische Handlungsforderung für die ‚Umwelt‘, für ‚Nachhaltigkeit‘, für eine ‚gesunde Lebensführung‘ und für ein ‚achtsames Miteinander‘ sowie das Anliegen, als Generation mehr ‚gehört‘ zu werden. Die ‚Sinnorientierung‘ stehe für die befragten Jugendlichen im Vordergrund aller Entscheidung, gleichzeitig habe das ‚berufliche Fortkommen‘ immer noch einen hohen Stellenwert in der eigenen Lebensplanung (Albert et al. 2019b).

      In dem folgenden Schritt der Untersuchung von Quellen zur Geduld als Anregung für ein (sozial-)pädagogisches Handeln stellen sich die Auswahl von Textstellen sowie deren Systematisierung in einem zeitlichen Verlauf als zwei textanalytische Herausforderungen. Als Formulierung lassen sich die jeweiligen Textstellen auch außerhalb des Kontextes zwar lesen und als passend oder unpassend für eine heutige Situation einschätzen. Ein tatsächliches Verstehen einer Aussage kann aber erst stattfinden, wenn sie in ihrem jeweiligen Kontext verortet wird. Dafür ist die Arbeit von fachkundigen Biograf*innen, Expert*innen und Übersetzer*innen relevant. Veit-Jakobus Dieterich (1995, S. 11–19) weist darauf hin, dass eine Textaussage nur in einem biografisch gedeuteten Zusammenhang zu verstehen ist und damit mehr den jeweiligen Zeitgeist und die Interessen der Interpretation spiegelt als das Leben der Person.

      Jede Auswahl einer Textaussage und jede Auslegung stellt eine Reduzierung der Fülle an wählbaren Texten dar und kann nie ein umfassendes Bild einer Person in ihrer tatsächlichen Lebenszeit widerspiegeln. Stattdessen muss sich ein/eine Leser*in der unterschiedlichen Interessen der textgebenden, der textauswählenden und der lesenden Personen bewusst sein. Genauso ist zu beachten, dass eine Textstelle lückenhaft und selektiv für eine spezifische Fragestellung sein kann und dass auf die weiterführende Forschung verwiesen werden muss. Daher werden in der folgenden theoretischen Untersuchung zur Geduld im historischen Kontext exemplarische Aussagen ausgewählt, die im Kontext eines (sozial-)pädagogischen Coachings Relevanz haben können. Ihnen werden kurze biografische Beschreibungen zur textgebenden Person im Haupttext beifügt, sofern sie für das Verstehen der Textstelle notwendige Informationen liefern. Weitergehende Hintergründe finden sich in den Fußnoten und können bei Interesse in der teils umfangreichen Biografieforschung zu den einzelnen Personen vertieft recherchiert werden.

      Bei der Auswahl geeigneter Textstellen zur Geduld erweist sich die Systematisierung der Erkenntnisse im Kontext des historischen Verlaufs sowie der historischen Bedeutung eines aktuellen (sozial-)pädagogischen Coachings als zweite Herausforderung. Nach Bernd Birgmeier lässt sich der Auftrag der Sozialen Arbeit nur aus den „Geschichten der Menschen“ (Birgmeier 2010a, S. 144; 2012, S. 13–22) und ihrer Geschichtlichkeit verstehen. „Lebensweltorientierung“ (Grunwald und Thiersch 2016, S. 24–64) und „Lebensbewältigung“ (vgl. Böhnisch 2018), wie sie in einem (sozial-)pädagogisch orientierten Coaching thematisiert werden, stellt er somit in einen zeitlich dynamischen, veränderbaren Bezug, der sich in der konkreten Bewältigung von Problemen in einer Alltagswelt (vgl. Grunwald und Thiersch 2016, S. 24–64) zeigt. Mitzudenken ist auch das Konzept der Lebensführung von Peter Sommerfeld (vgl. Sommerfeld et al. 2011, S. 351; Sommerfeld 2013, S. 166) als Orientierung in einer handlungswissenschaftlich-systemisch ausgerichteten Sozialen Arbeit, Sozialpädagogik, Pädagogik bzw. im spezifischen Feld des (sozial-)pädagogischen Coachings. Heinrich Keupp (2016, S. 34–35) betont aus sozialpsychologischer Sicht die Notwendigkeit, Alltagsphänomene der Lebenswelt über einen qualitativ-hermeneutischen Zugang zu reflektieren.

      Im Rückgriff auf die oben genannte These Bernd Birgmeiers, für eine Auftragsklärung die Geschichten der Menschen erst einmal hören zu müssen, interessieren für die Einbeziehung von Aussagen zur Geduld in ein (sozial-)pädagogisches Coaching, das die Alltagssicht und Lebenswelt der Klient*innen integriert, drei Perspektiven: Auf der einen Seite befindet sich der/die Klient*in als Adressat*in des Coachings in einer individuellen Entwicklung mit einem subjektiven Erleben und Handeln und in einer aktuellen Suche nach Orientierung, Rat und Hilfe. Auf der anderen Seite steht der Coach, der ebenso in einer eigenen Historizität geprägt ist. Darüber hinaus existieren beide begleitend in der Literatur Quellen geschichtlich überlieferter Personen, die in ihrer individuellen Arbeits- und Lebensweise und ihrer Zeit Aussagen zur Geduld getroffen haben. In der folgenden Analyse relevanter Aussagen bekannter Personen wird ihre Sicht auf die Geduld in den Vordergrund gestellt. Das Ziel ist es, aus von ihnen tradierten Aussagen zur Geduld sowie den relevanten Informationen zu ihrer Lebenssituation verstehen zu lernen, wie sich die Sicht auf die Geduld im geschichtlichen Wandel bis in die Gegenwart geändert hat. Die Deutung der Textstellen im Kontext des Coachings erfolgt gebündelt in der Diskussion dieser Arbeit.

      Die Analyse der historischen Quellen orientiert sich je nach Aussagekraft der vorhandenen Quelle daran, ob es eine Definition zur Geduld gibt, die Aufschluss zur Empfehlung von Geduld im Einzelcoaching aktueller junger Erwachsener unter dem Fokus der Gesundheitsförderlichkeit gibt. Untersucht wird, ob sich bei den ausgewählten geschichtlichen Personen eine neue oder markante Sicht als ein typisches Muster zur Geduld in ihrem spezifischen zeitlichen Kontext widerspiegelt.

      Die Darstellung der Aussagen zur Geduld einzelner Personen orientiert sich an den von Wilhelm Korff und Markus Vogt (2016, S. 20–23) beschriebenen Themen ethischer Gliederungssystematiken der Hellenisierung in der Antike, der biblischen Lehre, der Entwicklung des Christentums, der Entwicklung spezieller Standes- und Berufsethiken, von spiritueller Regeln im Mönchsorden sowie von Ethiken in wirtschaftlichen Prozessen insbesondere der Industriegesellschaft, der Suche nach Antworten im Feld der Sozialen Frage und der Entwicklung von Bereichsethiken in der heutigen Zeit zur Klärung spezifischer Fragen wie etwa der Medizinethik, der pädagogischen Ethik, der politischen Ethik sowie der Sportethik (vgl. Korff und Vogt 2016, S. 20–23). In dieser Untersuchung zur Geduld als Ressource wird hieran angelehnt die folgende zeitliche Struktur gebildet: Geduld in der Antike, Geduld in jüdisch-christlichen Wurzeln, Geduld in den Anfängen des Christentums, Geduld in der Entwicklung des klösterlichen Lebens, Geduld in der Industrialisierung, Geduld in der Gegenwart. Diese Struktur bedingt nicht, dass alle Phasen systematisch erklärt werden, sondern dient lediglich der Zuordnung einer Aussage zur Geduld in einen zeitlichen Rahmen, der für das heutige Verständnis von Geduld im (sozial-)pädagogischen Coaching Relevanz hat.

      Die Recherche bewegt sich aufgrund des Forschungsauftrages im Kontext der Kirchlichen Jugendarbeit im abendländisch-christlich geprägten Kulturraum. Auf Mahatma Gandhi wird hiervon abweichend eingegangen, da er in der empirischen Befragung zur Geduld als Ressource mehrfach als Vorbild zur Geduld genannt wird.18

      Aufgrund der Wurzeln der Sozialpädagogik auch im pädagogisch-theologisch-philosophischen Denken wird im Folgenden vor allem auf Aussagen zur Geduld von Theolog*innen, Pädagog*innen, Philosoph*innen, Sozialarbeiter*innen sowie Lyriker*innen, Schriftsteller*innen zurückgegriffen. Die umfangreiche Recherche der Textstellen verdeutlicht, dass die ausgewählten Aussagen anderer wissenschaftlicher Richtungen als der Sozialpädagogik und Pädagogik von Vertreter*innen dieser Professionen teils kontrovers reflektiert werden können sowie aus der Profession der Sozialen Arbeit und dem Coaching ggf. als nicht relevant für eine Positionierung im Kanon der Wissenschaften und Praxen angesehen werden können.

      Zu betonen ist jedoch, dass der interdisziplinäre, interreligiöse und interkulturelle Dialog über einen Begriff wie den der Geduld in einer Suche nach einer tragenden Ressource angesichts steigender psychosozialer Belastungen junger Erwachsener und der Veränderungen der Haltung junger Erwachsener in und mit der Arbeitswelt verstärkt von Seiten der Autorin empfohlen wird. Hierzu sind

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