Geduld als Ressource. Bettina Siebert-Blaesing

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Geduld als Ressource - Bettina Siebert-Blaesing Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag: Pädagogik

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im Kontext dieser Arbeit verwendete Coachingansatz folgt primär der Idee der Förderung der Selbstorganisation und der Entwicklung der Persönlichkeit der Klient*innen im jungen Erwachsenenalter sowie der dialogischen Begegnung zwischen dem/der Klient*in und dem Coach in einer Beratungsbeziehung. Wird in dieser Untersuchung von Coaching gesprochen, so ist das Einzelcoaching gemeint. Gesundheit wird in dem fokussierten Coachingansatz als gesundheitsförderliche Haltung verstanden, die auf umfangreiche Ressourcen aufbaut und diese generiert. Die Geduld wird somit als eine solche Ressource im Coaching im spezifischen Feld der Beratung und Begleitung junger Erwachsener aufgefasst.

      Was junge Menschen unter ‚krank‘ oder ‚gesund‘ verstehen, prägt sich mit dem Beginn der Pubertät bis in das junge Erwachsenenalter aus, wird aber wesentlich durch den kulturellen Kontext und die Lebensbedingungen des Umfeldes im Sinne eines subjektiven Verständnisses von Gesundheit mitbestimmt (vgl. Blättner und Waller 2018, S. 72–73). Die aktuelle Situation junger Erwachsener zeichnet sich durch zwei gesellschaftliche Prozesse aus, die Einfluss auf die Gestaltung von Coachingprozessen nehmen. Einerseits erfahren junge Erwachsene in ihrer konkreten Lebenssituation verstärkt eine Zunahme von Qualifizierungs-, Leistungs- und Handlungsdruck, der mit einem Anstieg an psychosozialen Belastungssymptomen verbunden ist. Andererseits ziehen heutige junge Erwachsene als neue Generationen bewusst deutlichere Grenzen als die Vorgängergenerationen bezüglich der Beachtung privater und betrieblicher Ansprüche sowie Bedürfnisse und markieren somit eine Veränderung des Stellenwerts der Gesundheitsinteressen in der Arbeitswelt. Diese beiden Aspekte werden im Folgenden vorgestellt.

      2.1.3.1 Zunahme von Druck und gesundheitliche Belastung bei jungen Menschen

      Junge Menschen sind einem hohen Druck ausgesetzt: Der 15. Kinder- und Jugendbericht (BMFSFJ 2017) betont, dass die frühzeitige Selbstständigkeit und berufliche Positionierung junger Menschen als gesellschaftliche Ziele gefordert werden.13 Hierdurch wird ein kontinuierlicher ‚Qualifizierungsdruck‘ erzeugt. Es ist zu überlegen, ob damit ausreichend Zeit und „Spielraum“ (Hemmerich 2012) zur Entwicklung einer gesunden Lebensweise bleiben, die den Aufbau stabiler Bindungen (vgl. Buchheim 2004, S. 339; Hurrelmann und Quenzel 2013) und die Verlängerung der Jugendphase in eine zeitlich unbestimmte Phase als „junges Erwachsenenalter“ (Gaupp und Berngruber 2018, S. 4; Erzbischöfliches Jugendamt München und Freising 2016) berücksichtigen.

      Interessensvertreter*innen pädagogischer (vgl. Kaltwasser 2008, S. 11–14, 2013; Schomäcker 2011; BLLV 2015, S. 5) und psychologischer (vgl. Schulte-Körne in BLLV 2018, S. 40–41; Hüther 2016) Berufsgruppen sowie von Krankenkassen14 und Jugendverbänden15 sehen das gesundheitliche Wohlbefinden von jungen Menschen längerfristig gefährdet. Sie beurteilen es kritisch, dass der ‚Leistungsdruck‘ anhält und zunehmend Ruhe, Erholung, Entfaltung und Kreativität wegfallen. Besonders Lehrkräfte (als zentrale Ansprechpartner*innen in der Kindheit, Jugend und im jungen Erwachsenenalter, Anm. BSB) seien nicht ausreichend psychologisch geschult, um der Zunahme der Belastungsphänomene bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen angemessen zu begegnen. Gerd Schulte-Körne fordert von daher mehr Wissen über psychische Gesundheit und Belastungen bei Lehrkräften: „Wir brauchen in der Ausbildung der Lehrkräfte ein Umdenken: Wir brauchen mehr Wissen über psychische Gesundheit und über Belastungen.“ (Schulte Körne in BLLV 2018, S. 39)

      Hinzu kommt, dass sich im Übergang zwischen Schule und Ausbildung, Studium oder Beruf die Möglichkeiten, autonome Entscheidungen (vgl. Keupp und Dill 2010, S. 7) zu treffen, erweitert haben, was individuell den ‚Handlungsdruck‘ bei jungen Menschen in Richtung eines erfolgreichen Lebens vergrößern kann. Besonders in der Lebensphase der jungen Erwachsenen zeichnet sich laut Untersuchungen der Techniker Krankenkasse sowie der Barmer Krankenkasse eine hohe Belastungsanfälligkeit ab, sobald geplante Vorhaben schwierig werden und Veränderungsphasen als Krise erlebt werden.16 Dieser Situation müssen auch alle Beteiligten im Aus- und Weiterbildungsprozess begegnen.

      2.1.3.2 Selbstverständnis junger Erwachsener

      Unter dem Begriff der jungen Erwachsenen werden zwei Generationen verstanden: Zur ‚Generation Y‘ zählen die jungen Menschen, die zwischen 1975 bis 1994 geborenen wurden. Die ab 1995 geborenen Personen werden in einem soziologischen Verständnis als ‚Generation Z‘ definiert. Die Übergänge zwischen beiden jung-erwachsenen Generationen sind fließend (vgl. Scholz 2014). Wird in dieser Untersuchung von den ‚jungen Erwachsenen‘ gesprochen, so sind beide Generationen gemeint. Der Fokus richtet sich aber besonders auf die ‚Generation Z‘ als hereinwachsende Generation in der Arbeitswelt.

      Christian Scholz bietet eine Analyse der ab 1995 geborenen jungen Erwachsenen der ‚Generation Z‘. Diese zeichne sich in einer zunehmend wettbewerbsorientierten und digitalisierten Arbeitswelt besonders durch ihr ‚Gesundheitsbewusstsein‘ und ihre ‚realistische Haltung‘ aus. Sie beende Tätigkeiten und Beziehungen aber schnell wieder, sobald Zusagen nicht eingelöst würden. In Abgrenzung von den Vorgängergenerationen, die von der ‚Generation Z‘ als ‚Burnout-gefährdet‘ und überlastet erlebt würden, strebe sie nach ‚Schutz‘ und ‚Trennung‘ zwischen dem Privatleben und der Arbeitswelt, exemplarisch markiert durch geregelte Arbeitszeiten. Sie hinterfrage das Leistungsideal der Vorgängergenerationen, misstraue Marketingaussagen und meide Führung aus Karrieregründen. Als Aufgaben akzeptiere die ‚Generation Z‘ nur ‚konkret überprüfbare Handlungen‘ und Zusagen zu ‚sinnvollen Tätigkeiten‘ mit der Möglichkeit der guten ‚Zusammenarbeit‘. In einer als unübersichtlich empfundenen Welt pflegten junge Menschen der ‚Generation Z‘ ein besonders hohes Kooperationsinteresse mit Personen aus der ‚eigenen Generation‘. Andere Generationen seien dort hilfreich, wo möglichst regelmäßiges positives Feedback gegeben werden könne.17

      Simon Schnetzer kommt in der repräsentativen Befragung Junge Deutsche 2019, in der er Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 14 und 39 Jahren (N = 1007) zu ihrer Wertehaltung befragt, zu dem Ergebnis, dass die Gesundheit und der familiäre Zusammenhalt einen besonders hohen Wert für die Befragten einnehmen. Er vergleicht in seiner Untersuchung die ‚Generation Z‘, in die er die 14 bis 21jährigen erfasst, mit der ‚Generation Y‘, in der er die Ergebnisse der Befragung der 22 bis 39jährigen dargestellt. Unter dem Thema ‚Gesundheit‘ sei bei den Befragten das umfassende körperliche und geistige Wohlbefinden gemeint. 68 % aller Befragten seien mit der psychischen Gesundheit zufrieden, 70 % mit der körperlichen Gesundheit. Hieraus lässt sich der Umkehrschluss ziehen, dass 32% der Befragten mit der psychischen Gesundheit nicht zufrieden sind. Gründe können in den zentralen Themen der Generationen gesucht werden. Prägend für die ‚Generation Y‘ sei das Thema ‚Familie‘, die ‚Heimatverbundenheit‘ und die ‚Smartphone-Nutzung‘, das Thema ‚teurer/knapper Wohnraum‘ und die ‚Gesundheit‘. Bei der ‚Generation Z‘ stehe der ‚Leistungsdruck‘ als wichtiges Thema nach der ‚Familie‘ und vor der ‚Nutzung des Smartphones‘, der ‚sozialen Netzwerke‘ und der ‚Heimatverbundenheit‘ schon an zweiter Stelle. In der Zunahme des prägenden Einflusses des Themas des ‚Leistungsdrucks‘ in der ‚Generation Z‘ zeigt sich ein Handlungsauftrag für Untersuchungen. Die Bedeutung der ‚Familie‘ jedoch hat nach Schnetzer für die jüngeren Befragten im Vergleich zu den älteren Befragten zugenommen, da das reale Erleben von Beziehungen durch die Digitalisierung kostbarer werde und Eltern wie Geschwister als konkrete Menschen erfahrbar seien. Für die Altersgruppe der 14 bis 21jährigen seien die ‚Eltern‘ die zentralen ‚Vorbilder‘, bei den älteren Befragten der 22 bis 39jährigen würden die ‚Eltern‘ erst nach dem Begriff ‚ich‘ und ‚kein Vorbild‘ an dritter Stelle genannt. Für beide Altersgruppen seien das ‚Wohlfühlen‘ und die ‚gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit‘ die wichtigsten Erwartungen und Forderungen, die junge Menschen an Arbeitgeber stellen würden. (vgl. Schnetzer 2019)

      Auch die repräsentative 18. Shell-Jugendstudie (Albert et al. 2019a; 2019b) mit dem Titel Jugend 2019 – eine Generation meldet sich zu Wort belegt in ihrem quantitativen Befragungsteil (N = 2572), dass Jugendliche und junge Erwachsene, die in der Befragung zwischen

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