Geduld als Ressource. Bettina Siebert-Blaesing
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„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“4
Die Umsetzung dieses Auftrages konkretisiert sich in den einzelnen Diözesen und Einrichtung vor Ort. Zum speziellen Auftrag des ‚Fachreferates Jugend und Arbeit‘ gehören die Beobachtung und konzeptionelle Aufbereitung der Entwicklungen und Lebensfragen junger Menschen im Übergang zwischen Schule, Ausbildung, Studium und Beruf für die Einrichtungen und Verbände der Kirchlichen Jugendarbeit der Erzdiözese München und Freising, die Beratung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen und Multiplikatoren bei spezifischen Fragestellungen zum Thema ‚Arbeit‘ sowie die Vernetzung mit anderen Fachstellen, Einrichtungen, Organisationen und Initiativen. Das Einzelcoaching junger Erwachsener zählt zu den personenbezogenen Beratungsdienstleistungen des ‚Fachreferates Jugend und Arbeit‘ wie die ‚Patenschafts-Arbeit‘ und das ‚Mentoring‘ (vgl. Anders et al. 2007). Der Ansatz des Einzelcoachings, der über das ,Fachreferat Jugend und Arbeit‘ praktiziert wird, folgt dem christlichen Grundverständnis der Begegnung zweier Personen auf Augenhöhe sowie einem ressourcenorientiert-systemischen Prozessverständnis, das von der Entwicklungsfähigkeit junger Menschen in Übergangssituationen ausgeht (vgl. Siebert-Blaesing 2016, 2017).
In Kooperation mit dem Fachreferat ‚Freiwillige Soziale Dienste‘ als Träger des diözesanen ‚Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ)‘ wird das Einzelcoaching auch für die Freiwilligen im FSJ angeboten. Das FSJ wird in der Erzdiözese unter der gemeinsamen Verantwortung des diözesanen ‚Bundes Deutscher Katholischer Jugend (BDKJ)‘ und des diözesanen ‚Caritasverbandes e.V.‘ in einer ‚Trägergemeinschaft‘ durchgeführt. Über das Programm des FSJ werden jährlich circa einhundert junge Erwachsene von September bis August des Folgejahres als Freiwillige*r (FSJler/ FSJlerinnen) in sozialen Einrichtungen tätig. Dabei werden sie durch ein intensives mehrwöchiges Bildungsprogramm begleitet (vgl. BDKJ Diözesanverband München und Freising – FSJ Referat 2019).
1.1.3 Auftrag aus den gestiegenen Belastungsphänomen junger Menschen
Qualifizierung, Selbstständigkeit und Selbstpositionierung gelten in der aktuellen Jugendforschung als wesentliche Ziele, denen sich junge Menschen zu stellen haben (vgl. BMFSFJ 2017). Darin zeigt sich die Anforderung, in einem globalen Markt der Bildung von Kindheit an in der Lebenslaufplanung mithalten zu müssen. Gleichzeitig verlängert sich die Jugendphase bis weit in ein nicht exakt definierbares Erwachsenenalter hinein. ‚Jung sein‘ bedeutet in der heutigen Zeit, sich kontinuierlich in einem Prozess des Lernens und der Übergänge zu befinden (vgl. Gaupp und Berngruber 2018, S. 4). Eine zunehmende Zahl der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zeigt Stresssymptome, die sich auch in Belastungsstörungen bis hin zu einem Burnout bemerkbar machen. Schulische und außerschulische Institutionen warnen vor einem Anstieg des Qualifizierungs-, Leistungs- und Handlungsdrucks auf junge Menschen und sehen für sie die notwendigen Spielräume und Freiräume sowie Selbstentfaltung, Erholung und Bindungsgelegenheiten für eine gesunde seelische Entwicklung gefährdet (vgl. Hemmerich 2012; Buchheim 2004, S. 339; Hurrelmann und Quenzel 2013; Robert Koch Institut 2018, S. 24). Sie fordern mehr Zeit und Raum für Ruhe, Geduld und Persönlichkeitsentwicklung (vgl. Kaltwasser 2008, S. 11–14 und 2013; Schomäcker 2011; BLLV 2015, S. 5; Schulte-Körne in BLLV 2018, S. 40–41; Hüther 2016; aej & BDKJ 2017; Techniker Krankenkasse 2015; Techniker Krankenkasse 2017; Barmer GEK 2016; DAK 2019).
Die Generationen- und Jugendforschung (vgl. Scholz 2014; Albert et al. 2019b) zeigen gleichzeitig, dass die Generation der ab 1995 geborenen jungen Erwachsenen, die von Soziologen ‚Generation Z‘ (vgl. Scholz 2014) genannt wird, in einer digitalisierten, globalen und sich kontinuierlich verändernden Welt eine eigene Haltung zum Verhältnis von Arbeit und Privatleben entwickelt, die sich stärker von der Idee der Leistungsorientierung der Vorgängergeneration der jungen Erwachsenen der ‚Generation Y‘ abgrenzt (vgl. ebd., S. 38). Den jungen Erwachsenen insgesamt ist es aktuell wichtig, das Privatleben zu schützen (vgl. ebd., S. 146) und vom Beruf zu trennen sowie Sinn in ihrer Arbeit zu erfahren (vgl. ebd., S. 190). Sie haben konkrete Ansprüche an ein Gemeinschaftsgefühl als Ausdruck eines umfassenden Wohlbefindens an ihren Arbeitsplatz. Werden die beschriebenen Bedarfe nicht erfüllt, so treffen sie gegebenenfalls die Entscheidung, den Arbeitsplatz schnell zu wechseln (vgl. ebd., S. 113). Als Vorbilder sehen sie besonders ihre Eltern an gefolgt von Freunden. Der überwiegende Teil der jungen Erwachsenen äußert das Anliegen, eigene Kinder haben zu wollen. Gesellschaftlich ist jungen Erwachsenen ein Engagement für die Umwelt, für Nachhaltigkeit, ein gesundes Leben und ein achtsames Miteinander wichtig (vgl. Albert et al. 2019b). Die Sinnorientierung hat für heutige junge Menschen Priorität, verbunden mit dem Anliegen, sich beruflich positiv entwickeln zu können. Das geht jedoch nicht mehr unbedingt mit dem Wunsch nach einer Führungsposition und einem hohen Status auf dem Arbeitsmarkt einher (vgl. ebd., S. 174).
1.1.4 Auftrag für das Einzelcoaching
Für das Beratungsformat des Einzelcoachings junger Erwachsener bedeutet die oben beschriebene Situation, den Einfluss von Belastung und Leistungsorientierung wie auch der Entwicklung eigener (sinnvoller) Perspektiven innerhalb der individuellen Möglichkeiten und Grenzen der Lebenssituation der Klient*innen in geeigneter Form zu reflektieren und neue Handlungsansätze zur Stärkung junger Menschen zu entwickeln.
1.2 Problemstellung
Die Forschung zur Geduld steht im Kontext der vorliegenden Untersuchung vor dem Problem, dass eine wissenschaftliche Einschätzung fehlt, ob und wie Geduld als ein Ansatzpunkt für ein Einzelcoaching junger Erwachsener zur Förderung des gesundheitlichen Wohlbefindens empfohlen werden kann. Die Problemstellung kann in folgende drei Probleme untergliedert werden:
• Problem 1: Es gibt keinen Überblick darüber, wie Geduld sozialwissenschaftlich in der geschichtlichen Entwicklung sowie in der aktuellen Forschung gesehen wird und als Ressource in der Lösung komplexer (sozial-)pädagogischer bzw. psychosozialer Problemlagen berücksichtigt wird.
• Problem 2: Es ist bisher nicht bekannt, ob und in welcher Form junge Erwachsene selbst in einer beruflichen und privaten Übergangssituation Geduld als eine Ressource des gesundheitlichen Wohlbefindens sehen.
• Problem 3: Es fehlen Kriterien dafür, wie Geduld im (sozial-)pädagogischen Einzelcoaching junger Erwachsener unter dem Aspekt der Gesundheitsförderung eingesetzt werden kann.
1.3 Forschungsfragen
Die im Folgenden formulierten Forschungsfragen (F) sind den oben genannten Forschungsproblemen wie folgt zugeordnet:
• Problem 1: