Dave Gahan. Trevor Baker
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Dave Gahan - Trevor Baker страница 11
Es sah aus wie eine große Chance: Das Jahr 1982 markierte den Beginn der so genannten „Zweiten Britischen Invasion“. Seit der Gründung von MTV hatten britische Bands – die in aller Regel ihr Image besser pflegten als ihre amerikanischen Kollegen – gewaltigen Erfolg in den Staaten. Gruppen wie Duran Duran, Culture Club, Wham! und ABC wurden rasch zu Superstars. Auf dem Höhepunkt der Zweiten Britischen Invasion waren 18 der Top-40-Singles in den amerikanischen Billboard-Charts britische Produktionen.
Die Konzerte von Depeche Mode liefen hingegen nicht besonders gut. Mute beschloss, sie zu ihrem ersten Auftritt im New Yorker Ritz Club mit einer Concorde einzufliegen. Nach diesem gelungenen Start ging es mit der Unternehmung jedoch leider sehr schnell bergab. Dave bereute inzwischen eine seiner Jugendsünden. Er war mit seiner Freundin Joanne sehr fest zusammen. Kurz vor dem Abflug ließ er sich die schlechteste seiner alten Tätowierungen entfernen. Dies hinterließ eine böse Narbe, die so schwer anschwoll, dass er mit einem Arm in der Schlinge auftreten musste. Auf der Bühne hatten sie andauernd Probleme mit der Technik und sahen sich einem Meer enttäuschter Gesichter gegenüber. Es war wie eine Bestätigung für den durchschnittlichen amerikanischen Rock-Fan, dass Synthesizermusik eben doch keine „richtige“ Musik war.
Das allein wäre vielleicht noch nicht einmal ein so großes Problem gewesen, doch haperte es zudem auch an ihren frühen Videos, die berüchtigt für ihre miserable Qualität waren. Das vielleicht seltsamste davon war „See You“. Sie engagierten Julien Temple als Regisseur, der damals vor allem durch seinen Film über die Sex Pistols, The Great Rock And Roll Swindle, ein Begriff war. Später drehte er viel beachtete Dokumentationen, darunter ausgezeichnete Filme über Joe Strummer oder das Glastonbury-Festival. Er war also keinesfalls der typische Pop-Regisseur, trotzdem warf man ihm später oft vor, die Videos zu „See You“ und anderen Depeche-Mode-Singles hätten dem Ruf der Band geschadet.
Das Problem war vielleicht, dass er sie so drehte, als wären sie kleine Spielfilme. Daran wäre grundsätzlich nichts auszusetzen gewesen, aber die Bandmitglieder waren keine Schauspieler, sodass die Ergebnisse für viele Beobachter ziemlich unbeholfen wirkten. In „See You“ betritt Dave beispielsweise eine Fotokabine und starrt wehmütig ein paar Bilder seiner Angebeteten an, die er offenbar vermisst. Dabei sieht er aus, als wäre er am liebsten irgendwo anders, nur nicht in dieser Kabine.
„Schon von Anfang an war es uns verhasst, dass wir Videos drehen mussten“, sagte Martin 1993. „Wir hatten nie das Gefühl, dass wir uns auf die Regisseure verlassen konnten. Man begibt sich aber vollkommen in die Hand des Regisseurs. Man hat beim Dreh keine Vorstellung davon, wie es einmal aussehen wird. Man sieht das Video erst, wenn es fertig ist, und dann ist es zu spät, um noch irgendetwas zu ändern. Dann muss es raus.“
Während der ersten paar Jahre traten Depeche Mode regelmäßig live auf. Unter anderem gelang dabei eine triumphale Rückkehr ins Bridge House in Canning Town. Es war eine ganz andere Angelegenheit als damals, als sie noch Mühe hatten, eine Handvoll Leute zusammenzutrommeln. Obgleich es offiziell ein „geheimer“ Auftritt war, drängten sich bereits Hunderte von Fans vor der Tür, als die Kneipe um die Mittagszeit öffnete. „Es war unglaublich, wie viele Leute schon um ein Uhr mittags da waren“, sagt Terry Murphy. „Ich musste sie hinauswerfen und das Eintrittsgeld vorab bezahlen lassen, damit sie später wiederkommen konnten. Es war der helle Wahnsinn.“
Die rasante Entwicklung ihrer Bühnenpräsenz in nur sechs Monaten war beeindruckend. Sie hatten ein ganz neues Selbstvertrauen. Dass sie nun vor Hunderten von Zuschauern in einem Club spielten, wo sie einst Mühe hatten, zwanzig Gäste anzulocken, illustrierte, wie weit sie es gebracht hatten. Terry Murphy war begeistert, als er in die Garderobe kam, um ihnen ihren Anteil an den Eintrittsgeldern zu geben. Das Pub hatte damals gerade wirtschaftliche Schwierigkeiten und sollte bald geschlossen werden.
„Es waren bestimmt ein- oder zweitausend Pfund“, sagt er. „Jedenfalls weit über tausend. Sie aber sagten: ‚Nein, nein, behalte es. Lass’ das Pub geöffnet; es war ein tolles Konzert!‘ Das war sehr nett von ihnen, weil sie keinesfalls reich waren. Sie waren immer noch arm wie Kirchenmäuse!“
Der Wandel innerhalb der Band rührte teilweise von einer neuen Sicherheit her, die Alans musikalisches Können ihnen verschaffte. In späteren Jahren erwies sich seine hervorragende Studioarbeit als weiterer Pluspunkt für die Gruppe, nicht zuletzt deshalb, weil ein Großteil ihres Materials stärker denn je von der Elektronik abhing. Trotzdem wurde Alan in den nächsten zwei Jahren nicht als vollwertiges Bandmitglied aufgenommen – ein Weg, den viele Bandgründer wählen, wenn sie ein neues Gesicht in ihrem engsten Kreis willkommen heißen. Zunächst erhielt Alan nur einen bescheidenen Wochenlohn, angeblich nicht mehr als 100 oder 200 Pfund. Doch war dies ebenfalls nichts Ungewöhnliches.
Die Shows auf dem europäischen Festland waren eine besonders bizarre Angelegenheit. Trotz der Tatsache, dass die Pioniere von Kraftwerk aus Deutschland stammten, betrachtete man Depeche Mode in weiten Teilen des Kontinents beinahe wie einen exotischen Wanderzirkus. Die Journalisten hatten über die englische New-Romantic-Szene gelesen, und Depeche Mode wurden andauernd gefragt, ob sie „Blitz Kids“ seien. Oft wirkten Journalisten und TV-Moderatoren ein wenig verwirrt angesichts dieser naiven Jungs aus Basildon. Bei einem ihrer ersten TV-Auftritte, einer Sendung im schwedischen Fernsehen, wurde Dave gefragt, was ihre Texte bedeuteten, und er musste gestehen, dass er keine Ahnung hatte.
„Ich weiß nicht“, sagte er zu dem verwirrten Moderator. „Vince hat kürzlich die Band verlassen. Wir fragten ihn immer, was die Texte bedeuten, aber wir wissen es immer noch nicht.“
Es wäre im Prinzip in Ordnung gewesen, das zu sagen, wäre der Song, den sie in der Sendung vorstellen wollten, nicht ausgerechnet das von Martin geschriebene „See You“ gewesen! Daneben sorgten sie auf dem europäischen Festland auch deshalb für einigen Aufruhr, weil die englischen Synthesizerbands vom Mainstream als Kuriosität betrachtet wurden.
„Glauben Sie, dass Synthesizer echte Instrumente vollständig ersetzen können?“, wurde Dave gefragt. Seine Antwort war interessant: Anstatt darauf zu verweisen, dass Synthesizer sehr wohl richtige Instrumente seien, entgegnete er höflich: „Nein, ich denke Gitarren und Schlagzeuge wird es immer geben.“ Bei einem anderen Fernsehauftritt in Holland fragte der neugierige Moderator die einzelnen Bandmitglieder: „Wer ist denn jetzt der Gitarrist? Und wer der Bassist? Wer spielt Schlagzeug?“ Da mussten sie umständlich erläutern, dass sie solche Musiker gar nicht in der Band hatten, bis Dave eine kleine Führung gab, die Keyboards erklärte und den „Schlagzeuger“ vorstellte – eine etwas plump wirkende Bandmaschine. Zu dieser Zeit gaben sie es auch auf, darauf zu pochen, dass man ihren Bandnamen „Depesch-ey“ aussprach. Anfangs gefiel ihnen das, weil es sich so französisch und gebildet anhörte, dabei klingt die tatsächliche französische Aussprache wie „Depesch“.
Alan willigte ein, sich an sämtlichen Werbeaktivitäten zu beteiligen, die man der Band abverlangte. Hinsichtlich Musik und Kleidung war dies zweifellos der Tiefpunkt in der gesamten Karriere von Depeche Mode. Sie sahen nicht besonders aus und erledigten die meisten Aufgaben, die man ihnen stellte, ohne Murren und Knurren. Darunter waren auch einige ziemliche schräge Fernsehauftritte. In einer deutschen Sendung namens Bananas filmte man sie zu einem Playback von „See You“ in einer Scheune voller Stroh. Anfangs wirkte Dave in seinem schrecklichen Anzug und den hoch geschnittenen Hosen einfach nur leicht dämlich. Dann folgte eine Einstellung, in der er sitzend ein Huhn hält, während anderes Geflügel zwischen den Beinen der übrigen Bandmitglieder herumrennt. Alans Blick, als er sich todesmutig ebenfalls ein Huhn schnappt, ist unbezahlbar. Als wäre das noch nicht genug gewesen, vergnügt