Dave Gahan. Trevor Baker
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Nach dem Auftritt ging Daniel in die Garderobe, um sich mit ihnen zu unterhalten. Er begrüßte zuerst Dave, weil er annahm, dass der Frontmann vermutlich auch der Songwriter wäre, doch der Sänger war seit ihrer Begegnung bei Rough Trade immer noch beleidigt und verwies ihn brüsk an Vince, der still in einer Ecke saß. „Ich glaube, ich sagte zu ihm, er solle sich verpissen“, sagte Dave später.
Es belustigte sie, dass er so „normal“ aussah, wie sein alter Bandname klang. Zu jener Zeit war es für die Anhänger der Futuristen- und New-Romantic-Szene ein absolutes Muss, Make-up und ausgefallene Kleider zu tragen. Sogar der normalerweise eher konservative Fletch sagte später, dass zu seinem Bühnenoutfit eine lila Bluse gehört habe, die Vince’ Mutter umgenäht hatte. „Dazu weiße Fußballsocken und schwarz angemalte Pantoffeln.“
Trotz allem konnte der begeisterte Miller die Gruppe schließlich für sich gewinnen. Im Grunde hatten sie ja auch nichts zu verlieren. Er sagte einfach, er werde ihnen helfen, eine Platte herauszubringen. „Was wollt ihr?“, fragte er. „Wir wollen in die Charts und im Radio laufen“, antworteten sie. Er versprach, sein Bestes zu tun.
Tatsächlich hatte er sie gerade noch zur rechten Zeit erwischt. Wenig später zeigten auch andere Plattenfirmen Interesse an der Band. Mit Vince’ außerordentlichem Händchen für Pop-Songs und Daves äußerlichem Saubermann-Image ließen sie sich bestimmt hervorragend vermarkten. Sie boten eine Kombination aus dem immer noch relativ neuen Stil der elektronischen Popmusik und etwas viel Älterem – eine Gruppe von vier jungen Burschen, die vor allem bei jungen Mädchen gut ankamen. Zahlreiche Vertreter der großen Plattenfirmen luden sie zum Abendessen ein und boten sogar große Geldsummen als Vorschuss. Es war verlockend. Sie waren pleite und gingen alle noch einer geregelten Erwerbstätigkeit nach. „Einer von denen, die uns ein Angebot machten, nahm später Wham! unter Vertrag – was für ein Fiasko“, sagte Martin Gore. „Wenn wir bei einem dieser Major Labels unterschrieben hätten, gäbe es uns heute nicht mehr, da bin ich ganz sicher. Nach unserem zweiten oder dritten Album hätte man uns fallen gelassen.“
Nach und nach wichen die Szenegänger im Publikum von Depeche Mode waschechten Pop-Fans, doch zu Beginn des Jahres 1981 rechnete man sie immer noch vage der Avantgarde-Elektronikszene zu. Ein früher Auftritt in London fand im Cabaret Futura in Soho statt, zusammen mit den Performancekünstlern der Event Group. Das Hauptziel des Cabaret Futura war es, gleichzeitig zu provozieren und zu unterhalten. Eine der Lieblingsgruppen der Veranstalter nannte sich A Haircut, Sir? (einen Haarschnitt gefällig, der Herr?), bei deren Auftritten ein Gruppenmitglied kopfüber von einem Mast gehängt wurde und rituell den Kopf rasiert bekam. Der Macher des Cabaret Futura, Richard Strange, schrieb auf seiner Homepage über die Truppe: „Neben dem festen Kern aus diesen zwei Mitgliedern gehörten manchmal auch acht E-Bassisten oder zweiundzwanzig Kricketspieler in voller Montur zu der Gruppe.“
Das war von dem, was Depeche Mode machten, meilenweit entfernt. Während sie spielten, bemerkten sie zu ihrem Entsetzen, dass von den Balkonen über ihnen etwas herunterspritzte, das aussah wie Urin. Sie hofften inständig, dass es nur eine gelbe Flüssigkeit war, die die Event Group mit Schläuchen auf sie nieder regnen ließ. Es war ein Hinweis darauf, dass der weit gefasste Begriff des Futurismus auch solch extreme Performancekünstler wie Throbbing Gristle mit einschloss. Depeche Mode hatten noch beileibe nicht alle davon überzeugt, dass sie ganz anders waren.
Ein neuer Fan jedoch, der DJ Rusty Egan, war überzeugt, dass etwas Besonderes aus ihnen werden könnte. Auch er versuchte sofort, sie unter Vertrag zu nehmen, wie er dem Autor dieses Buches erklärte. „Ich sah Depeche Mode bei diesem Auftritt und fand sie neu und originell und brillant und flippte aus und versuchte, sie unter Vertrag zu nehmen und Stars aus ihnen zu machen. Also sagte ich: ‚Ich finde euch toll, ich möchte, dass ihr für mich spielt, ich möchte, dass ihr dieses und jenes macht.‘“
Rusty war der Schlagzeuger der Rich Kids gewesen, jener Band, die Glen Matlock nach den Sex Pistols gegründet hatte, doch inzwischen war er durch und durch ein Jünger der neuen Elektronik-Welle. Er war neben Steve Strange als DJ im Club The Blitz äußerst einflussreich und veranstaltete in weniger hippen Stadtteilen Londons zahlreiche Clubnächte. Das seiner Meinung nach gekünstelte Gehabe und Getue großer Teile der Avantgarde-Musikszene war ihm zuwider. Vielmehr hatte er sehr klare Vorstellungen davon, was Popmusik war und was nicht.
„Was mich betraf, war ‚The Model‘ von Kraftwerk ein Pop-Song und hätte eine Nummer eins werden sollen“, sagt er. „Ich interessierte mich aber nicht für Tangerine Dream, sondern für Popmusik, die von Engländern auf Synthesizern gespielt wurde – und nicht für Giorgio Moroder, der für kränkliche Divas Discomusik produzierte.“
Die von den Blitz Kids geschaffene Szene war äußerst elitär, doch paradoxerweise war es eine demokratische Elite. Jeder konnte sich anschließen, wenn er sich denn die Mühe machen wollte. Depeche Mode entsprachen nicht dem, was man sich unter coolen Szenetypen vorstellt, doch die Musik, die sie spielten, hinterließ bleibenden Eindruck. Rusty Egan war überrascht, wie weltfremd sie waren. Er war den Umgang mit den extrem selbstbewussten New Romantics und Futuristen gewohnt. Depeche Mode wirkten wie nette Jungs.
„Sie waren die nettesten, höflichsten und freundlichsten Typen, die man sich nur vorstellen konnte“, sagt er. „Dave war mit einem Paar Handschellen an seine Freundin gekettet, im übertragenen Sinne. Sie folgte ihm überall hin, und sie waren sehr verliebt. Da hieß es dann: ‚Das kann ich nicht beantworten, da muss ich zuerst mit meiner Freundin reden.‘ Das waren keine vier jungen Burschen, die es wirklich wissen wollten und Dinge sagten wie ‚Gehen wir zu mir nach Hause und unterhalten uns ein bisschen‘ oder ‚Kommt, wir hauen uns die Nacht um die Ohren‘. Vielmehr hieß es: ‚Nein, da muss ich mit meiner Freundin sprechen.‘“
Rusty sagte Dave, er könne ihnen Auftritte im Flicks besorgen, seinem Club in Dartford, doch das Croc’s war immer noch ihre wichtigste Bühne. Es war zwar nur eine Kopie des Blitz, was aber nicht bedeutete, dass es ein schlechterer Club gewesen wäre, da die New-Romantics-Bewegung im Großen und Ganzen eine Erscheinung der Vororte war. Zu den Stammgästen gehörten Boy George und Culture Club, doch Depeche Mode wurden schließlich zu den Stars ihrer eigenen kleinen Szene.
„Es war eben das Blitz in der Pampa“, sagt Rusty Egan. „Man darf nicht vergessen, was das Blitz war – ein Club für arbeitslose Leute aus der Arbeiterschicht, die sich in irgendeiner Form für talentiert hielten und dachten, sie könnten sich einbringen. Der No-Future-Schick war vorbei, drei Millionen Leute hatten keinen Job. Es war die Zeit, als Factory Records und Manchester und diese ganzen grauen, trostlosen Orte auf einmal einen neuen Sound — Industrial — hervorbrachten, der zum Grundstein von Mute Records wurde. Im Croc’s traf man genau dieselben Leute wie im Blitz.“
Im Croc’s begegneten Depeche Mode auch immer wieder Stevo vom Some-Bizzare-Label. Stevo gefiel „Photographic“, und sie waren überrascht, dass er die Band als Teil seiner ungewöhnlichen, verschrobenen Pop-Szene betrachtete. Er war gerade dabei, eine Compilation mit Bands wie Soft Cell und Blancmange zusammenzustellen, die den schlichten Titel Some Bizzare tragen sollte. Er und Rusty hatten beide ein Faible für elektronische Musik, aber Stevos Geschmack war wesentlich ausgefallener.
„Er hielt sich für einen großartigen DJ“, sagt Rusty. „Er legte Cabaret Voltaire auf und erklärte, wie genial diese Musik doch sei. Ich hingegen meinte: ‚Ja, aber das fegt die Tanzfläche leer, Stevo!‘ Man muss Platten auflegen, zu denen die Leute tanzen können. Er spielte Platten von Suicide und Throbbing Gristle, die regelmäßig die Tanzfläche leerten.“
Zu diesem Zeitpunkt waren Depeche Mode in Sachen Musikgeschmack eher mit Rusty auf einer Wellenlänge. Als Stevo vorschlug, „Photographic“ in seine Compilation aufzunehmen, waren sie erfreut, aber auch ein wenig verwirrt.
„Wir sind keine bizarre Band“, protestierte