Dave Gahan. Trevor Baker
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Sie waren bemerkenswert anders als die meisten Bands, die man damals auf der Bühne sah. Viele der Punk- und Mod-Gruppen pflegten einen Rock’n’Roll-Lebensstil, tranken nach Konzerten gemeinsam bis morgens früh um vier und schliefen dann ihren Rausch aus. Die Attitüde von Composition Of Sound war eine ganz andere. „Sie blieben nie länger hier, um noch etwas zu trinken“, sagt Terry. „Sie torkelten nicht besoffen im Bridge herum. Ein paar von ihnen hatten feste Jobs, also mussten sie am nächsten Morgen wieder zur Arbeit. Bei vielen anderen Bands schimpfte man nach dem Konzert: ‚Scheiß Band, macht jetzt endlich, dass ihr rauskommt!‘ Bei ihnen dauerte es hingegen zwanzig Minuten, maximal eine halbe Stunde, dann waren sie weg.“
Ihre Hartnäckigkeit und Professionalität wurde schließlich mit einem Auftritt im Ronnie Scott’s belohnt, einem berühmten Londoner Jazzclub. Es sollte ein bedeutender Meilenstein in ihrer Karriere werden, und sie traten zum ersten Mal unter einem neuen Namen auf — Depeche Mode. Der neue Gruppenname war ein Vorschlag von Dave gewesen. In seiner College-Zeit war ihm einmal eine französische Modezeitschrift mit diesem Titel in die Finger gekommen. Er klang cool, wenngleich er nicht ganz genau wusste, was er bedeutete. Es war jedoch immer noch besser als Composition Of Sound und viel, viel besser als die anderen Vorschläge für einen neuen Bandnamen wie Peter Bonetti’s Boots, The Lemon Peels, The Runny Smiles und The Glow Worms.
Mit ihrer Karriere schien es zwar steil bergauf zu gehen, doch Depeche Mode mühten sich immer noch ab, Konzerte im Herzen von London zu bekommen. Es half auch nicht viel, dass sie ständig in Clubs und Konzertschuppen rannten, um den Betreibern ein von ihnen aufgenommenes Demoband mit drei Stücken vorzuspielen – zwei Instrumentalnummern und einen von Vince’ besten Songs, „Photographic“.
Die Nummer war nervös, schnell und unheimlicher als alles andere, was er bislang geschrieben hatte. Diese unterschwellige Kälte wurde durch Daves monotonen Gesang noch unterstützt, der dem Sound anderer Elektronikbands wie The Human League weit mehr ähnelte als sein späterer Stil. Vince und Dave gingen mit dem Demoband auch bei Plattenfirmen in London hausieren, wo sie auf eine ähnlich unterkühlte Resonanz stießen wie in den Clubs. Ohne einen verabredeten Termin betraten sie die Büros und baten darum, dass man sich dort ihr Band anhörte. Oft schlug ihnen die Empfangsdame höflich vor, ihre Kassette zu hinterlegen, worauf sie gestehen mussten, dass sie nur ein einziges Exemplar besaßen. Vielleicht noch bizarrer mutet an, dass einige A&R-Abteilungen ihnen tatsächlich Einlass gewährten, um das Band vorzuspielen.
Eines Tages klapperten sie ohne jeden Erfolg zwölf Labels ab. In ihrer Verzweiflung statteten sie sogar den berühmten Rough Trade Records einen Besuch ab. Es war nicht ihre erste Wahl gewesen, da die Indie-Ästhetik der Plattenfirma nicht ganz zu Vince’ Vorstellung von Pop passte. Sie dachten, dass sich ein Label, das so viele kommerzielle Flops gelandet hatte, bestimmt nicht zu fein wäre, auch sie unter Vertrag zu nehmen. Dass Rough Trade ganz bewusst einen antikommerziellen Kurs fuhr, hatten sie nicht gecheckt.
In der Dokumentation Do We Have To Give Up Our Day Jobs (Müssen wir unsere bürgerlichen Berufe aufgeben) beschrieb Dave Rough Trade als „letzten Ausweg“. Die Person, die sie im Büro antrafen, reagierte jedoch ausgesprochen positiv. Es war Scott Piering, der durch seine Zusammenarbeit mit Bands wie den Smiths, KLF und vielen anderen später zu einem der meist geachteten Promoter im Musikgeschäft werden sollte. Er klopfte mit dem Fuß im Rhythmus der Musik und wirkte ehrlich beeindruckt. Dave und Vince blickten einander an, überzeugt, dass sie nun am Ziel waren. Doch als das Band zu Ende war, schüttelte Piering den Kopf. Er sagte, es sei gut, passe jedoch nicht ins Programm von Rough Trade. Stattdessen schlug er vor, sie sollten es bei dem Mann versuchen, der soeben eingetreten war – Daniel Miller.
Daniel Miller war ein Produzent und Musiker, der sein eigenes Label Mute Records beinahe durch Zufall gegründet hatte: Er veröffentlichte die Aufnahmen seines Projekts The Normal in Eigenregie, und da er auf dem Cover der Single „Warm Leatherette“ (1978) eine Adresse abdruckte, schickte man ihm bald Demos zu. Dies ermutigte ihn, mehr Platten zu veröffentlichen, darunter Musik des einflussreichen Elektronik-Künstlers Fad Gadget und später seiner eigenen Band Silicon Teens. Die Silicon Teens waren seine Vision einer perfekten Pop-Gruppe, nämlich vier Teenager mit Keyboards. In Wahrheit spielte er sämtliche Parts selbst ein, aber die Musikindustrie brauchte eine Weile, bis sie den Witz kapierte. Er vertrieb seine Platten über Rough Trade, doch an dem Tag, als er Dave und Vince dort über den Weg lief, war er in keiner besonders guten Stimmung. Es gab anscheinend Probleme mit dem Plattencover von Fad Gadget, und er wollte herausfinden, was los war. Er musterte sie kurz und vergaß das Ganze wahrscheinlich wieder. Dave nahm seine desinteressierte Reaktion persönlich, was typisch für ihn war. „Er sah uns an und sagte ‚oho‘“, erinnerte er sich später. „Wir dachten nur: ‚Wichser!‘“
Ihr Problem war, dass sie offensichtlich mit nichts vergleichbar waren, was sich damals auf der Szene tummelte. Die anderen Elektronikbands waren zumeist supercoole Futuristen, für die der Keyboardeinsatz ein künstlerisches Statement darstellte. Depeche Mode spielten Keyboards, weil sie tolle Popmusik machen wollten. Die Futuristen-Szene verwirrte sie nur. Sie hielten das Ganze für gekünstelt, und da sie noch Teenager waren, erschienen ihnen die oft in ihren Zwanzigern befindlichen Musiker ohnehin wie von Gestern.
„Ich mag diese Szene überhaupt nicht“, sagte Dave später in einem Gespräch mit Betty Page, einer frühen Bewunderin. „Die ganzen Bands, die damit assoziiert werden, hängen in einem Klüngel zusammen und werden deshalb nie über ihren eigenen Horizont hinausschauen können. Soft Cell sind vielleicht die einzigen, die eine gute Chance haben. Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber Naked Lunch zum Beispiel kochen schon seit Jahren nur im eigenen Saft.“
Trotzdem war der nächste wichtige Schritt der Band ein Auftritt im Vorprogramm von Fad Gadget im Bridge House. Fad Gadget, mit bürgerlichem Namen Frank Tovey, war ein Musiker, den sie respektierten. Seine Musik war definitiv künstlerisch, aber er war gleichzeitig auch äußerst geistreich und hatte eine ausgezeichnete Bühnenpräsenz. „Für uns war es, als hätten wir es endlich geschafft“, sagte Dave. „Wir würden die Bühne mit Fad Gadget teilen, und das war ganz schön aufregend.“ Außerdem war es eine neue Chance, Daniel Miller zu beeindrucken. Er mischte den Sound für Fad Gadget, also waren Depeche Mode zuversichtlich, dass er sich auch ihren Auftritt ansehen würde. Ein Fan, Russell Lee, schätzt, dass etwa 30 Zuschauer wegen Fad Gadget ins Bridge House kamen. Davon trafen ganze zehn rechtzeitig zum Konzertbeginn von Depeche Mode ein.
„Ich wollte sie mir eigentlich nicht ansehen“, sagte Daniel Miller Jahre später. „Ich wollte mit Frank Tovey einen Hamburger essen gehen. Doch dann betrat diese Band die Bühne, jeder von ihnen an einem Mono-Synthie auf Bierkisten. Dave stand stocksteif da. Er hatte eine Art indirekter Beleuchtung, die ihn von unten anstrahlte und ihn irgendwie gruselig wirken ließ. Ich dachte: Dieser Song ist richtig gut, aber es ist nur der erste Song. Ich bin sicher, sie spielen ihre besten Songs am Anfang. Aber es ging einfach immer weiter und weiter mit diesen unglaublich arrangierten Pop-Songs. Sie waren noch Kinder, und Kinder machten damals keine elektronische Popmusik. Das taten meistens Leute, die die Kunstschule besucht hatten, aber Depeche Mode hatten mit dieser ganzen Ästhetik nichts am Hut. Sie machten einfach nur Popmusik auf Synthesizern. Und das funktionierte unglaublich gut.“
Unter den etwa zehn Zuschauern befanden sich auch der Szenegänger Stevo (der kurz zuvor sein Label Some Bizzare gegründet hatte) und Daniel Miller, doch zu diesem Zeitpunkt war sich Terry Murphy bereits sicher, dass er sie selbst unter Vertrag nehmen würde. „Wenn ich schnell zugegriffen hätte, hätte ich sie bekommen“, sagt er. „Aber ich hatte damals viel zu viel mit der Plattenfirma zu tun. Ich hatte andere Bands. Ich wusste, dass ich sie erst aufbauen müsste. Was bringt es, die Platte jetzt zu veröffentlichen? Niemand wird sie kaufen!“
Mute und das hauseigene