Dave Gahan. Trevor Baker

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Dave Gahan - Trevor Baker

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immer bekannter, und selbst Daves ängstliche Mutter musste zugeben, dass es nun so schien, als hätte er das Richtige getan. Die Vorstellung eines vaterlos aufgewachsenen Kindes, das in Musik und Auftritten vergeblich nach Zuneigung sucht, ist freilich ein Klischee, doch auf Dave Gahan trifft es wenigstens ein Stück weit zu. Als er älter wurde, akzeptierte er, dass der Wunsch nach Anerkennung eine der treibenden Kräfte seiner Persönlichkeit war. Er war sich trotzdem nie ganz sicher, ob alles anders gekommen wäre, wenn sein Vater bei ihnen gewesen wäre. Seine Mutter achtete stets darauf, dass all ihre Kinder in einem stabilen Umfeld heranwuchsen, sodass seine Entwicklung nicht gestört war. Nach den ersten Erfolgen mit Depeche Mode erwachte sein Interesse an Len von neuem. Also fragte er Sylvia, ob sie irgendwelche Fotos hatte. Sie zeigte ihm eines, auf dem er in einem Pub zu sehen war. Als Dave die Ähnlichkeit erkannte, sagte er trocken: „Ja, das ist wohl ganz offensichtlich mein Alter.“

      Durch ihren Auftritt in Top Of The Pops betrachtete man Depeche Mode nun im gesamten Familien- und Freundeskreis als Erfolgsunternehmen. Mitte der Achtziger war es fast so, als existierten Bands gar nicht, bevor sie in der Sendung auftraten. Die Band selbst wusste aber, dass sie noch einen weiten Weg vor sich hatte. Noch in derselben Woche gingen sie wieder in das Blackwing Studio und verbrachten dort zusammen mit Daniel Miller sechs Wochen, um ihr Debütalbum zu produzieren. Das Resultat unterschied sich deutlich von allem, was sie im weiteren Verlauf ihrer Karriere abliefern sollten. Sie hatten die Songs bereits fertig und spielten sie seit anderthalb Jahren live. Sie mussten also nur noch ins Studio gehen, die Kopfhörer aufsetzen und sie spielen, wie sie es auf der Bühne schon so oft getan hatten.

      Das Ergebnis war eine seltsame Mixtur aus Avantgarde-Einflüssen und Pop-Melodien. Bis auf zwei Songs stammten alle von Vince Clarke, der einen ausgesprochen ungewöhnlichen Geschmack hatte. Er liebte saubere, helle Klänge und hasste alles, was übermäßig dunkel oder prätentiös war. Sein Material klang sehr zuckrig und schwül, doch Daves jungenhafter Gesang mit dem typischen Essex-Einschlag bildete bei Songs wie „New Life“ einen guten Gegenpol zu den leichten Melodien.

      Sie beschlossen, die Platte Speak And Spell zu nennen, nach einem ungeheuer beliebten Lernspiel der späten Siebziger und frühen Achtziger. Es war ein Titel, der das Album fest in der Zeit seines Entstehens verankerte.

      Die Synthesizer, die sie einsetzten, waren dem Spielzeug technisch kaum überlegen, und doch gelang es der Band, ihnen ein paar außergewöhnliche Sounds zu entlocken. Später taten sie Speak And Spell häufig als Beginn einer langen Lernkurve ab, und doch kann man das Album über weite Strecken auch heute noch recht gut hören. Die technischen Beschränkungen verleihen ihm sogar einen gewissen naiven Charme. Zugegeben: Die Platte hat auch ihre Schwächen. Die pseudo-schwulen Hymnen „Boys Say No!“ und „What’s Your Name?“ klangen bemüht und unausgegoren. Niemand in der Band war wirklich schwul, doch für Vince schien das augenzwinkernde Liebäugeln mit der Schwulenszene zum kleinen Einmaleins der Popmusik zu gehören, wie er später auch mit Erasure bewies.

      Rückblickend waren beide Titel leider nur Trockenübungen für Vince’ spätere Arbeit mit Erasure. Die ebenfalls schwul angehauchte Pop-Nummer „Just Can’t Get Enough“ hingegen war etwas ganz Anderes. Es sollte der einzige Song aus den ersten vier Jahren ihrer Karriere werden, den sie bis in die Neunziger und sogar weit darüber hinaus noch gerne spielten. Als die Single im September 1981 noch vor dem Album erschien, war sie die Nummer, welche die Gruppe in die Pop-Stratosphäre katapultierte. Depeche Mode büßten ihren Platz in der Some Bizzare -Gemeinde endgültig ein und fanden sich dafür in den Herzen und den Plattensammlungen heranwachsender Mädchen in ganz Großbritannien wieder, was weitaus lukrativer war.

      Das dazugehörige Video markiert darüber hinaus die Geburtsstunde des von Dave einmal als „schwulen Lederlook“ bezeichneten Kleidungsstils, den sie viel zu früh aufgaben, wie ihnen später bewusst wurde. Damals mag man sie dafür verspottet haben, doch war er auf jeden Fall viel besser als die Anzüge, die sie später trugen. Während der ersten Hälfte ihrer Karriere schien es Depeche Mode schwer zu fallen, die Band als Einheit visuell zu kommunizieren. Die Gestaltung von Speak And Spell zeigt dies ganz deutlich. Daniel Miller schlug vor, mit dem Fotografen Brian Griffin zusammenzuarbeiten. Er war für seine Arbeit mit Bands wie Echo And The Bunnymen sehr bekannt. Es war mit sein Verdienst, dass diese Liverpooler Gruppe eine unverkennbare visuelle Identität entwickelt hatte.

      Als sich Brian mit Depeche Mode traf, war er genau so, wie sie sich einen Künstler vorstellten. Er trug einen großen Schlapphut und fuchtelte aufgeregt mit den Armen herum. Er sagte, er habe eine Vision von einem fliegenden Schwan. Sie waren beeindruckt und sorgten sich lediglich darum, was das Ganze wohl kosten würde. Das Resultat war am Ende jedoch nicht ganz das, was sie erwartet hatten. „Die Idee klang wirklich klasse“, sagte Brian gegenüber dem Autor dieses Buches. „Aber als es fertig war, sah es aus wie ein Schwan in einer Plastiktüte! Es sollte alles ganz hübsch und romantisch sein, aber es war einfach nur komisch. Ich wusste nicht recht, was ich tun sollte. Es wurde zu einem der schlechtesten Plattencover aller Zeiten gewählt! Es war echt mies.“

      Noch vor der Veröffentlichung der Platte hatten Depeche Mode Gelegenheit, sich auf ihrer ersten NME-Titelseite ganz anders darzustellen. Damals war der NME eine ungeheuer beliebte Zeitschrift mit einer Auflage von mehreren hunderttausend Exemplaren. Die Redaktion war außerdem für einen gewissen Zynismus bekannt, und eine Band wie Depeche Mode, die aus ihrem Bestreben, Popstars zu werden, keinen Hehl machte, passte nicht recht zu dem Post-Punk-Ethos des Blattes. Dies drückte sich vielleicht im Coverfoto aus, auf dem Dave Gahan vor den übrigen Bandmitgliedern zu sehen war. Zweifellos freute ihn das – bis zu jenem Mittwochmorgen, als er sein Exemplar der Zeitschrift erhielt und feststellte, dass er auf dem Bild verschwommen war, der Rest der Band hingegen gestochen scharf. Das verstand er nicht.

      „Ich war sehr enttäuscht“, sagte er später. „Ich stand ganz vorne … und doch wieder nicht. Das war ganz schön gerissen von dem Fotografen. Das ganze Foto überforderte mich komplett. Ich erinnere mich, dass ich dachte: ‚So ein Wichser! Ich bin da ja völlig unscharf drauf.‘“ Fairerweise muss man sagen, dass dem Fotografen die Musik von Depeche Mode überhaupt nicht gefiel. Er war ein junger holländischer Knipser, der durch seine Arbeit mit Joy Division bekannt geworden war. Sein Name war Anton Corbijn. Viele, viele Jahre später sollte er in der Geschichte von Depeche Mode eine bedeutende Rolle spielen.

      Sie waren nicht die einzige Elektro-Band, die in jenem Jahr an der Schwelle zum ganz großen Erfolg stand: Mit ihrem Album Dare sollten The Human League zu Popstars werden, Soft Cells Coverversion von „Tainted Love“ entwickelte sich zu einem der größten Hits der Achtziger, Architecture And Morality war das bis dato bestverkaufte Album von OMD, und in Übersee verkauften Künstler wie Yello und Jean-Michel Jarre Millionen von Platten. Als „Just Can’t Get Enough“ im September 1981 als Single erschien, wurde Depeche Mode zu einem Markennamen. Gleichzeitig grenzte sie der Song aber auch von ihren cooleren Zeitgenossen ab. Der Rolling Stone-Autor David Fricke fasste dieses Phänomen später in einem Artikel über die erste Welle englischer Synth-Pop-Alben Anfang der Achtziger zusammen: „Verglichen mit dem Schmuddel-Pop von Soft Cell ist Speak And Spell von Depeche Mode durch und durch jugendfreie Kost. Als saubere britische Vorstadtjungs haben sie weder die Ambition von Orchestral Manœvres In The Dark noch den unverblümt kommerziellen Reiz von The Human League.“ Fricke betrachtete den britischen Synth-Pop-Trend jedoch als „Eintagsfliege“ und erklärte in einer spektakulären Verkennung der Tatsachen: „Wenn diese paar Platten ein Hinweis sind, dann wird es wohl keine Synthesizer-Revolution geben.“

      Depeche Mode hatten offensichtlich jegliche Kritikergunst verspielt, derer sie sich in der Vergangenheit vielleicht einmal erfreut hatten. Sie befanden sich nun in einer vollkommen anderen Welt: der Welt von Duran Duran, Spandau Ballet und anderen Synth-Gruppen, die keine New Romantics oder Futuristen mehr waren, sondern nur noch Pop-Gruppen. Trotzdem vergaßen sie die wenigen Enthusiasten nicht, die sie am Anfang unterstützt hatten.

      „Sie verhielten sich mir oder Steve Strange gegenüber niemals abweisend oder unhöflich“, sagt Rusty. „Da gab es ganz

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