Der Thriller um Michael Jackson. Hanspeter Künzler
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Thriller um Michael Jackson - Hanspeter Künzler страница 10
Drei Monate und zwanzig Tage vorher, am 5. März, hatte Michael Jackson im Foyer der O2-Arena neben der Londoner U-Bahn-Station North Greenwich vor den versammelten Weltmedien und geschätzten 5000 Fans mit knappen Worten angekündigt, dass er in dieser Halle zehn Konzerte geben wolle, das erste am 8. Juli. Die Aufregung war groß. Seit im Oktober 1997 die „HIStory“-Tour zu Ende gegangen war, hatte der King of Pop nie mehr eine Tournee unternommen. Seine Live-Auftritte hatten sich auf sporadische und meist eher kurze Darbietungen bei speziellen Veranstaltungen beschränkt, zuletzt im November 2006 bei der Verleihung der World Music Awards in London, wo er sich auf eine aufwändige, aber fragmentarische Version von „We Are the World“ beschränkt hatte. Zehn Konzerte auf einen Schlag – das kam zumindest von der Quantität her einer Tournee gleich, wenn Jackson dabei theoretisch auch nie das Gebäude verlassen und einen Tour-Bus besteigen müsste. Als Promoter der O2-Shows fungierte die Firma AEG Live, ein Ableger der amerikanischen Firma Anschutz Entertainment Group, welche die Betriebsrechte für die O2-Arena für 99 Jahre gepachtet hat. Jackson versprach, dass das Programm ganz aus den populärsten Liedern zusammengesetzt sei, die sich seine Fans wünschten. „This is it“, sagte er: „Dies werden meine letzten Shows sein – in London. Das wird es sein. This is it. Wenn ich sage: This is it, dann heißt das nun wirklich: This is it.“
Der kuriose Nachtrag „in London“ bewirkte eine für die Jackson’schen Kommunikationsmethoden typische Verwirrung: Fans wie Journalisten fragten sich, ob er nun wirklich gemeint habe, dass er nach diesen zehn Konzerten endgültig von der Bühne abtreten wollte? Oder hieß es nur, dass er London satthatte – zum Beispiel wegen der unaufhörlichen Quälerei durch die Boulevardmedien – und vielleicht sogar plante, bei einem selbst seine Perfektionswut befriedigenden Verlauf der O2-Shows andere Städte mit seiner Präsenz zu beglücken? So oder so übertraf der resultierende Publikumsansturm selbst die allerkühnsten Erwartungen. Die „pre-sale“-Website, wo die Fans ihr Interesse an einem Ticket voranmelden konnten, soll am Anfang mit 16.000 Anmeldungen pro Sekunde zugehagelt worden sein. Die Notwendigkeit einer solchen „pre-sale“-Prozedur war nicht auf Anhieb zu erkennen: warum nicht direkt zum Verkauf beziehungsweise der Verlosung der Ticketzuteilung schreiten? Wenn es ein cleverer Trick war, aus einem prosaischen Alltagsereignis – dem Verkauf von Konzertkarten – gehörig Vorschuss-Publicity zu schlagen, lang, bevor diese überhaupt gedruckt waren, so ging die Rechnung voll auf: Die Website brach ob des Ansturmes prompt zusammen. Dennoch kamen binnen 24 Stunden fast eine Million „Voranmeldungen“ zusammen.
Von dieser Schwemme ohne Zweifel heftig angespornt, ließ AEG Live alsbald verkünden, aus den geplanten zehn Konzerten seien nunmehr deren fünfzig geworden. Am elften März gelangte ein erster Teil der Tickets in den tatsächlichen Verkauf. Davon gingen 190.000 binnen zwei Stunden weg. Am 13. März wurden die restlichen Karten freigegeben. Es verging kein halber Tag, bis auch noch der allerletzte Sitz im allerletzten Konzert besetzt war. Jackson, der nicht nur eine Passion für Spielautomaten, Märchenschlösser und Antiquitäten hegte, sondern auch für Rekorde, dürfte sich gefreut haben ob der frohen Kunde, die seine offizielle Website nun verbreiten durfte: Die „This Is It“-Konzerte hatten den Rekord für den rasanteste Ticketverkauf der Geschichte gebrochen.
Am 20. Mai verbreitete AEG Live plötzlich die eigenartige Nachricht, der Beginn der Konzertserie sei hinausgeschoben worden, und zwar vom 8. Juli auf den 13. Juli. Die fünf so gewonnen Tage würden gebraucht, um zusätzliche Proben durchführen zu können, hieß es. Es mutete merkwürdig an, dass eine solche mit viel Ungemach für die Fans verbundene Verschiebung bei einer vermeintlich von langer Hand vorbereiteten Show nötig wurde oder gar einen wesentlichen Unterschied ausmachen sollte. Selbstverständlich löste es bei den Spürhunden der Boulevard-Presse Alarmstufe eins aus. Man hatte sich eh schon seit dem 5. März in endlosen Spekulationen ergangen, ob Jackson zehn Konzerte, geschweige denn deren fünfzig, gesundheitlich überhaupt durchstehen würde. War die Verschiebung nur die Tarnung für eine tiefer greifende Krise hinter den Kulissen? Die Reporte – alle angeblich direkt aus dem Staples Center oder aber aus dem inneren Kreis der Jackson-Familie – widersprachen sich heftig. Alle, die mit der Organisation der Konzerte zu tun hatten, beteuerten, Jackson befinde sich bei bester Gesundheit. In der Tat hatte sich der Künstler einer rigorosen ärztlichen Untersuchung unterziehen müssen, ehe AEG Live und die Versicherungen das Risiko eingehen wollten, mit ihm ins Geschäft zu steigen. „Einer der Ärzte, welche die Tests ausführten, scherzte nachher, Jackson habe die Kondition eines 20-Jährigen“, berichtete Robert Baker, der Direktor eines Tanzstudios. „Vier Tänzer aus meinem Studio wurden für die Show ausgewählt. Sie waren jeden Tag mit Michael zusammen und erlebten ihn bei der Arbeit. Sie sind alle in ihren 20ern, aber sie erzählten, Michael habe bei den Proben mühelos mit ihnen Schritt halten können.“
Andererseits wusste The Sun am 3. Juni zu berichten, dass Jackson an Hautkrebs und damit verbunden an einer Essstörung leide, denn er befürchte, seine Genesungschancen würden beeinträchtigt, wenn er „Fett“ ansetze. Es gab auch Stimmen aus dem Familiensitz der Jacksons in Encino, die vernehmen ließen, man hege den Verdacht, Michael sei gegen seinen Willen gezwungen worden, sich auf eine Verlängerung der Konzertserie einzulassen. Seine Gesundheit sei durch den Stress arg in Mitleidenschaft gezogen worden, er habe sich völlig abgeschottet und verweigere der Familie den Kontakt. Dabei hatte Michael noch im Mai die Konzertvorbereitungen unterbrochen, um an einer Familienzusammenkunft zur Sechzigjahrfeier der Hochzeit seiner Eltern, Joseph und Katherine Jackson, teilzunehmen.
Kenny Ortega ist eine Frohnatur, die ganz zur Klischeevorstellung eines Kaliforniers passt, der selbst dann noch positiv denkt, wenn es Katzen hagelt und das Surf-Board von einem Haifisch verschluckt worden ist. Selbst er habe nicht immer daran geglaubt, dass Michael die Konzerte durchstehen würde, gestand er McLean in einem Interview für The Times, das am 24. Oktober 2009 publiziert wurde. „Ich wusste, dass er schlaflose Nächte hatte. Ich machte mir Sorgen, dass er dadurch geschwächt werden könnte, und ich machte mir auch darüber Sorgen, ob er tatsächlich die richtigen Dinge tat oder aber sein ließ, um die Kräfte zu schonen, die er für unser Vorhaben brauchen würde.“ Offenbar lag der Grund für Jacksons Schlaflosigkeit darin, dass sich in seinem Kopf die Einfälle überschlugen. Nebst den Vorbereitungen für die „This Is It“-Konzerte beschäftigten ihn auch die Lieder für ein neues Album. Er sei ständig dabei, neue Songs zu „empfangen“, erklärte er Ortega, die Flut von Ideen sei nicht zu stoppen. Ortega habe ihm daraufhin angeraten, mit „seiner höheren Kraft“ ein Abkommen zu schließen und selbige darum zu bitten, mit den Eingebungen wenigstens bis dann aufzuhören, bis in London die „This Is It“-Premiere über die Bühne gegangen sei. „Aber es war nichts zu machen. Für Jackson war Inspiration ein Geschenk Gottes, und ein Geschenk Gottes wurde nicht zurückgewiesen.“ Gefragt, ob Jackson sich in den Wochen vor seinem Tod vernünftig ernährt habe, entgegnete Ortega: „Er nahm eben so viel zu sich, wie er für ausreichend hielt. Ich wünschte mir schon, dass er mehr Nahrung zu sich genommen hätte. Ich achtete darauf, dass jederzeit reichlich zu essen da war. Es hieß, man habe beobachtet, wie ich Fleisch in Stückchen geschnitten und ihn damit von Hand gefüttert hätte. Das stimmt überhaupt nicht. Ich habe wohl manchmal die Plastikfolie vom Teller entfernt und ihm diesen hinübergeschoben. Aber gefüttert habe ich ihn nicht.“ Von AEG Live-CEO und Mitproduzent Randy Phillips war zu vernehmen, dass Jackson mit Vorliebe „kleine Quantitäten“ von vegetarischer Lasagne, gedämpfte Broccoli, „nut loaf“ und Tofu mit Chili-Sauce zu sich genommen habe: „Er war bestimmt nicht gebrechlich“, erklärte Phillips. Manchmal habe man ihm die Nahrung in den Mund schieben müssen einfach deswegen, weil sich Jackson so stark auf die Arbeit konzentriert habe, dass er glatt nicht ans Essen dachte.
Von