Das ist meine Zeit. Howard Carpendale
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Kathy und ich suchten gemeinsam nach weiteren Musikern – und fanden sie: zwei Gitarristen, einen Bassisten und einen Schlagzeuger. Diese Jungs wollten einfach nur Musik machen und ein bisschen Geld verdienen. Wir gründeten eine Band und nannten uns Greatful Dead. Der Name war wahrscheinlich wenig einfallsreich, zumal es schon eine bekannte Rockband namens Grateful Dead gab. Letztlich aber ziemlich wurscht. Musik war uns wichtig, der Name eher Beiwerk.
Die Geschichte vom berühmten Zufall? Was wäre aus dir geworden, wenn du dich nicht auf die Anzeige im Melody Maker gemeldet hättest?
Vielleicht hätten wir dann nie an diesem Buch gearbeitet. Wer weiß das schon? Vielleicht hätte ich aber auch ohne diese Anzeige meinen musikalischen Weg gemacht. Schwer zu sagen. Jedenfalls habe ich nach Gründung unserer Band erst mal meine sportlichen Ambitionen auf null heruntergefahren. Als ich nach London kam, war für mich ja vieles denkbar. Ich träumte durchaus auch von einer Profikarriere als Cricketspieler, obwohl ich eigentlich genau wusste, dass mein Talent nicht dazu reichte, um nach ganz oben zu kommen. Ich habe Schiffe beladen, irgendwelche Büros geputzt oder andere Jobs angenommen, um meine Miete bezahlen und leben zu können. Mein Vater schickte mir zu der Zeit monatlich zwar auch immer etwas Geld, mit dem ich mich über Wasser halten konnte. Ich wollte aber unabhängig sein und irgendwann nicht mehr meinem Dad auf der Tasche liegen. Und dann kam diese Anzeige im Melody Maker. Das fühlte sich für mich an wie ein Geschenk.
Und mit der neuen Band habt ihr alle Angebote angenommen, die reinkamen?
So ungefähr, wenn die Kohle für den jeweiligen Auftritt irgendwie passte. Vierzig Mark pro Nase und Abend war in der Anfangsphase so der Durchschnitt – mal gab es mehr, mal etwas weniger. Wir leisteten uns ja auch einen Agenten, der uns die Jobs besorgte. Das klingt jetzt etwas übertrieben, aber hört sich doch gut an, oder? Dieser Agent war von Anfang an Teil des Arrangements. Sein Name war Jim. Kathy hatte nicht nur die Anzeige im Melody Maker aufgegeben, sondern hatte auch diesen Freund mit im Gepäck. Ein junger Farbiger, der etwas von Musik verstand und gute Kontakte hatte. Das war schon klasse, wie Jim die Gigs heranschleppte.
Also ging die Band Greatful Dead auf Clubtour.
Genau. Wir haben gespielt, was das Zeug hielt. Wir haben Songs gecovert; meistens waren wir auf der rockigen Schiene unterwegs. Ich kann dir sagen, es waren manchmal schon harte Stunden in den Clubs. Unter der Woche spielten wir in der Regel von abends um neun bis nachts um drei. Am Wochenende fingen wir bereits um sechs Uhr an und spielten dann bis drei durch. Unsere Band war schon crazy drauf. Zwischendurch flogen die Fetzen, der eine oder andere hatte keinen Bock mehr. Wir fanden aber immer wieder Ersatz.
Euer Agent Jim ebnete euch auch den Weg nach Deutschland?
So ist es. Jim brachte uns nach Deutschland, zunächst einmal nach Düsseldorf. Dann kamen auch Auftritte in Norddeich und Oberhausen. Norddeich war große Klasse, unsere Gigs bei der Wirtin Meta Rogall. Meta war ein unglaublicher Feger. Ihr Musikschuppen in Ostfriesland war legendär. Meta hat für uns gesorgt, den Behördenkram erledigt, sie hat uns jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Eine tolle Frau. Per Zufall ist mir vor einigen Tagen noch ein toller Artikel über diesen Club und unsere Auftritte in die Hände gefallen. Das, was ich da las, versetzt mich komplett wieder zurück in diese schöne Zeit. Folgende Auszüge daraus muss man unbedingt gelesen haben:
„Ausgerechnet im beschaulichen Ostfriesland begann einst die Deutschland-Karriere des gebürtigen Südafrikaners. 1966 gastierte er über mehrere Wochen bei Meta in Norddeich im ,Haus Waterkant‘. Seinerzeit sorgte ,Howie‘ noch als Rock’n’Roller und Elvis-Imitator für Furore.
Es war Anfang August 1966, als ,Waterkant‘-Wirtin Meta Rogall ein Schreiben vom Arbeitsamt Hannover ins Haus flatterte. Darin wurde ihr eine ,englische Beat-Band‘ namens ,Great für Death‘ angepriesen. Tatsächlich nannte sich die – im Übrigen nicht mit dem amerikanischen Hippie-Kollektiv ,Grateful Dead‘ zu verwechselnde – Gruppe ,Greatful Dead‘. Deren Sänger Howard Carpendale hatte bereits in seiner südafrikanischen Heimat Schallplatten aufgenommen und galt zudem als exzellenter Sportler. Mitte der 1960er-Jahre soll er nach England gegangen sein, zunächst in der Absicht, dort als Profi-Cricketspieler Fuß zu fassen. Nachdem das nicht geklappt hatte, besann er sich wieder auf die Musik und machte in dem Zusammenhang auch einen Abstecher nach Deutschland. Nicht zuletzt das Beispiel der ,Beatles‘ hatte ja eindrucksvoll gezeigt, dass ein solcher Trip der Karriere durchaus förderlich sein konnte.
Metas Live-Club beherbergte in den 1960er- und 1970er-Jahren bekanntlich eine stattliche Reihe zum Teil recht namhafter Live-Bands aus dem In- und Ausland. Weil sie ständig Nachschub brauchte, beschloss sie, Carpendale und seine Gruppe für ein mehrwöchiges Gastspiel zu verpflichten. Völlig unkompliziert gestaltete sich das Engagement allerdings nicht. Für Nicht-EU-Ausländer – und seinerzeit war nicht einmal Großbritannien offizielles EU-Mitglied – galten strenge Auflagen, was auch einer der Gründe war, warum die Musiker über das Arbeitsamt vermittelt wurden. Unabdingbare Pflicht war eine Arbeitserlaubnis, die ebenfalls über das Arbeitsamt beantragt werden musste. Obwohl ,Greatful Dead‘ erst ab dem 15. August in Norddeich auftreten sollten, wandte sich Meta laut einem Aktenvermerk bereits am 8. August an die zuständige Behörde im Norden und datierte die mit ihrer Unterschrift gegengezeichnete Arbeitserlaubnis um einen Tag zurück. Dies lässt darauf schließen, dass Howard Carpendale, der laut einem weiteren Aktenvermerk zwischen dem 15. Juli und 4. August in Düsseldorf weilte, die Papiere dringend brauchte, was wiederum die Vermutung nahelegt, dass er bis dahin keine gültige Arbeitserlaubnis besaß. Faktisch hätte er sich damit illegal in Deutschland aufgehalten. So etwas passierte damals häufiger. Junge Musiker hatten andere Dinge im Kopf, als sich um bürokratische Banalitäten zu kümmern. Der Leichtsinn wider besseres Wissen konnte aber fatale Konsequenzen haben. Veranstalter, die gegen die Auflagen verstießen, bekamen von den deutschen Behörden Bußgelder von bis zu 1000 Mark aufgebrummt. Wenn die Musiker Pech hatten, wurden sie kurzerhand in ihr Heimatland abgeschoben.
Insgeheim durfte Howard Carpendale Meta deswegen dankbar sein, dass sie ihm und seinen Bandmitgliedern den lästigen Formalkram abgenommen hatte. Den Vorgang selber zu regeln, wäre für ihn wohl schwierig geworden. ,Der sprach ja kein Deutsch‘, weiß Metas Sohn Sven, der zu dem Zeitpunkt knapp acht Jahre alt war. Probleme bereiteten Carpendale darüber hinaus das raue Nordseeklima und gewisse regionale kulinarische Gepflogenheiten. Grundsätzlich war es ihm in ,Ostfreezeland‘ viel zu kalt. Und als Svens Oma gerade ein paar fangfrische Krabben auspulte, erschrak der Südafrikaner, weil er dachte, das wären Würmer.
Passend dazu präsentierte sich der semmelblonde Schönling gerne in schickem Anzug und mit ordentlich gebundener Krawatte. Das ebenso kritische wie verwöhnte Norddeicher Publikum begegnete dem vermeintlichen Softie anfangs noch skeptisch, legte seine Zurückhaltung jedoch schnell ab, als klar wurde, dass der Mann sein Handwerk offensichtlich verstand. Zwar besaß Carpendale bereits zu Beginn seiner Karriere ein Faible für Balladen und hing sehr am traditionellen Rock’n’Roll. Aber den brachte er nach übereinstimmenden Aussagen diverser Zeitzeugen richtig gut rüber. ,Howard ist ein exzellenter Sänger – insbesondere seine Elvis-Imitationen waren früher klasse und sind es bis heute‘, meint Burkhard Eilts, der in den 1960er-Jahren bei den Norder ,Merrybeats‘ musizierte und zwecks Anschauungsunterricht regelmäßig zum ,Haus Waterkant‘ pilgerte. Eilts erinnert sich auch an eine nette Anekdote, in der Carpendale seine Kollegialität als Musiker unter Beweis stellte. ,Uns ereilte ein Hilferuf eines befreundeten Gitarristen, der bei einem Gig in Wiesbaden sein Instrument verpfändet hatte‘, erzählt Eilts. ,Howard ließ sich daraufhin 400 Mark von seiner Gage auszahlen und ist hingefahren, um das Ding