Das ist meine Zeit. Howard Carpendale
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Wie war eigentlich dein Verhältnis zu deinen Schwestern?
Beide waren älter als ich – Anne vier Jahre, Jean acht Jahre. Anne und ich hatten nie ein herzliches Verhältnis. Wir haben uns oft gestritten. Jean und ich waren uns wesentlich näher.
Und Jean hat sich dann mehr um ihren kleinen Bruder gekümmert?
Sie war auch oft weg, aber unterm Strich war sie zumindest diejenige, die am meisten zu Hause war. Als „kümmern“ konnte man das aber sicher nicht bezeichnen.
Hast du noch Kontakt zu den beiden?
Leider sind beide viel zu früh gestorben, sodass viele Fragen, die wir vielleicht aneinander gehabt hätten, nicht mehr gestellt werden konnten. Ich habe auf meine ganz persönliche Art meinen Frieden mit der Erinnerung geschlossen und vermisse nichts.
Gibt es denn noch Familie in Südafrika?
Ja, Jeans Töchter leben noch dort, und wir schreiben uns oft E-Mails. So bekomme ich immer aus erster Hand mit, was gerade in Südafrika passiert, wie die Atmosphäre im Land ist.
Deine Söhne Wayne und Cass sind nicht zusammen aufgewachsen. Wie gestaltete sich ihre Erziehung?
Wayne hatte drei Menschen an seiner Seite, die ihn unterschiedlich geprägt haben: Claudia, Donnice und mich. Also zwei Mütter, ein Vater. Claudia kann perfekt und einfühlsam mit Kindern umgehen. Als Lehrerin musste sie jeden Tag kritische Momente bewältigen und zwangsläufig teilweise auch die Erziehung anderer Kinder übernehmen. Übrigens ein Talent, das ich an ihr sehr bewundere. Donnice war von Anfang an die Freundin, die Wayne immer zur Seite stand.
Bei Waynes Erziehung gab es zwei entscheidende Situationen für mich. Er war zwölf Jahre alt, als wir intensiv über das Thema Drogen gesprochen haben. Ich bat ihn damals: Falls er mit Drogen in Berührung kommen würde, dann sollte er sie das erste Mal gemeinsam mit mir ausprobieren. Das hat ihn sehr geprägt. Jedenfalls haben wir bis heute nie gemeinsam einen Joint geraucht – und er wohl bis heute auch nicht allein. Die zweite Situation war bei einem Tennismatch in Spanien. Ich saß auf der Tribüne. Bei einem Ballwechsel verletzte sich Waynes Gegner und lag am Boden. Waynes erste Frage in meine Richtung lautete: „Dad, wer hat jetzt den Punkt gemacht?“ Wenn man, besonders ein Sportler, unfair ist, geht bei mir die rote Lampe an. Nach dem Match habe ich Wayne zu mir gerufen. Er stand vor mir. Zum ersten und letzten Mal habe ich ihm eine geknallt. Mein Bauchgefühl löste diese Reaktion aus. Für Wayne war das eine Lehre fürs Leben. Er hat mir das auch nie übel genommen. Fairness bedeutet ihm heute sehr viel.
Und wie war das mit Cass?
Da waren wir alle in einer anderen Lage. Hier hatte Donnice den größten Part zu erfüllen. Ich war sehr oft in Deutschland und habe meine Karriere gelebt, während sie auf allen Ebenen für Cass da sein musste. Aber immer, wenn ich zu Hause war, lebten wir wie eine ganz normale Familie.
Hat dich dein Vater jemals geohrfeigt?
Wie sagt man auf Deutsch so schön: Er hat mir den Hintern versohlt, weil ich zu meiner Mutter „Shut up!“, also „Halt den Mund!“, gesagt hatte. In der Schule war es schlimmer, und die Schläge waren härter.
Ich dachte, in Südafrika war alles locker und entspannter.
Aber nicht in der Schule, ganz im Gegenteil. Dazu muss ich vielleicht zum besseren Verständnis ein wenig die Struktur erklären. Im letzten Schuljahr wurde ich von den Lehrern zum Prefect gewählt. In Südafrika gilt das als eine der höchsten Auszeichnungen, die du als Schüler erhalten kannst. Von allen Schülern wurden zehn Ausgewählte ernannt, die für die anderen die Verantwortung übernahmen.
Sozusagen als Aufpasser? Worauf?
Ein Prefect hat die Aufgabe, darauf zu achten, dass alle Schüler die Schulordnung einhalten. Am Wochenende war es zum Beispiel Pflicht, die Schuluniform zu tragen, wenn man durch die Stadt lief. Wenn ich also am Wochenende jemanden ohne Uniform sah, musste ich das am Montag dem obersten Prefect melden. Der bestrafte die Betreffenden dann mit jeweils mindestens zwei Stockhieben auf den Hintern. Ich bin stolz darauf, dass ich nach wenigen Monaten meinen Prefect-Posten abgab, weil ich den Job einfach unwürdig fand. Ich wollte meine Kameraden nicht mehr verpfeifen.
Und daraus entstand für dich kein persönlicher Nachteil?
Nein, es wurde akzeptiert. Wobei – es wäre mir auch egal gewesen. Es fühlte sich für mich nicht gut an. Es gab genügend andere, die die Aufgabe sehr gewissenhaft erfüllt haben. Als ich vor ein paar Jahren den Film Das Experiment mit Moritz Bleibtreu sah, erinnerte ich mich sehr an die damalige Zeit und daran, was Macht an der falschen Position auslösen kann.
Wenn wir schon beim Thema Schule sind: Wie fällt deine Bilanz für Wayne und Cass aus?
Mit meinen beiden Söhnen habe ich so ein Schweineglück gehabt. Wayne wollte als Fünfzehnjähriger auf eigenen Wunsch ein Internat in England besuchen. Das fand ich sehr mutig. Die dann folgenden drei Jahre dort haben den Jungen total verändert. Er ist ein sehr guter Schüler und Sportler geworden, er ist zu einem Mann gereift. Er pflegt heute noch Freundschaften von damals. Cass war und ist ein Computerfreak, heute entwickelt er Computerspiele. In der Schule ist er seinen Weg gegangen, und er hat die Uni in Orlando mit summa cum laude abgeschlossen. In vier Jahren hat er nicht einen Tag gefehlt, und er war der Beste in acht Fächern. Cass hat eine ganz besondere Mentalität.
Fazit für beide?
Best boys ever.
Hast du heute ein schlechtes Gewissen, weil du früher als Vater beiden nicht so viel Zeit schenken konntest?
Ja, ein bisschen vielleicht. Die Zeiten, in denen ich unterwegs war, taten manchmal schon weh. Insbesondere Cass gegenüber würde ich mich nicht als tollen Vater bezeichnen. Ich bin heute allerdings sehr stolz darauf, mit dem Gefühl leben zu dürfen, dass mich beide Jungs wirklich, wirklich lieben.
Im Falle, dass du demnächst Großvater werden solltest, würdest du …
Stopp. Ich weiß, was jetzt kommt. Nein, ich würde genauso weitermachen und mein Leben leben. Wenn es dann meinen Rat braucht, bin ich immer da. Aber eines sage ich dir: Meine Enkelkinder wären die Einzigen, die mich „Howie“ nennen dürften.
Was kann man heutzutage noch mit dreißig Cent machen? Nicht viel, oder? Eine Kugel Eis bekommt man für diesen Preis schon lange nicht mehr. Ein Brötchen? Vielleicht. Wer an einer Autobahnraststätte auf die Toilette möchte, sollte auch mehr als dreißig Cent dabei haben.
Weswegen ich über dreißig Cent nachdenke? Weil mich diese dreißig Cent nach Deutschland gebracht haben. Als ich Mitte der Sechzigerjahre meine Heimat Südafrika in Richtung London verließ, war für mich überhaupt nicht klar, wohin meine berufliche Reise gehen würde. Sportler oder Sänger? Sänger oder Sportler? Oder etwas ganz anderes? Erfolgreich wollte ich schon werden. So erfolgreich, dass ich auch schon mal auf der Straße von den Menschen erkannt werde. In meinem Kopf wechselten sich etliche Gedankenspiele ab.
Eines Tages ging ich wie so oft mal wieder