Das ist meine Zeit. Howard Carpendale
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Howard, wenn ich das so lese, dann frage ich mich: Was bist du denn nun – Schlagersänger, Popsänger oder Entertainer?
Diese Frage ist ganz leicht zu beantworten: Ich lese immer wieder über mich, dass ich ein Entertainer sei. Das trifft es am besten. Ich bin aus tiefer Überzeugung und mit voller Leidenschaft ein Entertainer. Ich will mein Publikum auf eine Reise mitnehmen. Auf eine Reise der Emotionen, die wir gemeinsam erleben möchten. Das klappt nur, wenn man eine Verbindung zu den Leuten aufbaut und offen füreinander ist. Es geht nicht darum, eine kurze Begeisterung zu erzeugen und emotionslos abzufeiern. Gute Konzerte sind etwas anderes. Es versetzt mich immer wieder ins Staunen, wie viel Kraft entstehen kann, wenn Menschen wirklich miteinander verbunden sind. Das Publikum gibt mir diese Kraft – und ich tue alles, um sie zurückzugeben.
Wie und wann entwickelte sich bei dir der Wunsch, diesen ganz besonderen Weg zu gehen?
Ich war elf oder zwölf Jahre alt und sah – Elvis. Das klingt jetzt vielleicht banal, aber ich sage nur: Wer diese Zeit nicht erlebt hat, kann sich das nicht vorstellen. In der damaligen Zeit gab es zwar viel gute, aber auch ziemlich triste Musik – Frank Sinatra, Nat King Cole, Dean Martin. Diese Sänger waren alle hervorragend, haben aber dennoch nicht die Welt verändert. Und dann kam dieser Typ namens Elvis. Das war schon einmal ein Name, den es vorher nie gegeben hatte. Er hatte ein Gesicht, das man zuvor nie gesehen hatte. Sein Aussehen war einmalig, aber wirklich einmalig. Seine Bewegungen, sein Lächeln, diese ganz besonderen Augen – das war faszinierend. Er sang auch anders, als ich es je zuvor gehört hatte. Ich habe ihn gesehen und ich wusste, was ich mit meinem Leben machen wollte.
Und wie ging es weiter?
Ich gründete eine Band, und wir sind überall in der Gegend von Durban aufgetreten. Mädchen, Partys, Rock’n’Roll, manchmal einen Joint dazu. Na ja, diese Geschichten hat wohl jeder Sänger irgendwie erlebt.
Aber Südafrika bot keine Basis für eine musikalische Karriere?
Die Szene in Südafrika war klein. Es gab auch nicht so viele Clubs wie zur gleichen Zeit in England oder auch bereits in Deutschland. Es war konsequent, dort wegzugehen. Ich habe musikalisch in Durban auch keine so tiefen Spuren hinterlassen, dass man mich vermisst hätte.
Gab es denn überhaupt zu der Zeit Künstler aus Südafrika, die weltweit Erfolg hatten?
Mir ist keiner bekannt, aber ganz aktuell gibt es diese wahnsinnige Story über Rodriguez. Hast du davon gehört?
Nein.
Rodriguez ist ein Songwriter aus Amerika, der in den Siebzigerjahren zwei Alben produzierte, die aber beide floppten. Irgendwie gelangten die Aufnahmen nach Südafrika – und ohne sein Wissen wurde er dort zum Kultstar. Gerade die Jugend in Südafrika feierte ihn für seine Texte, die sehr den bekannten Protestsongs von Bob Dylan und Jimi Hendrix ähnlich waren. Sein Erfolg und seine Verkäufe übertrafen in Südafrika die der Beatles. Das Irre ist, dass keiner gewusst hat, wo sich Rodriguez aufhält – und ob er überhaupt noch lebt. Man kannte nur seine Musik. Erst jetzt, vierzig Jahre später, weiß er davon und spielt in Südafrika in ausverkauften Arenen.
Und es hat wirklich keiner gewusst?
Nein. Ein Fan aus Südafrika hat sich auf die Suche gemacht, um Rodriguez in Amerika zu finden und ihm von seiner Berühmtheit zu erzählen. Er hat ihn dann nach Südafrika geholt. Aus meiner Sicht erklärt diese Story sehr gut die südafrikanische Einstellung zu Künstlern.
Was war dein Alleinstellungsmerkmal, um in Deutschland so schnell zum Erfolg zu gelangen?
Ich hatte eine ganz eigene Stimme. Bestimmt gibt es viele bessere. Aber gut, meine war dazu noch mit einem für Deutschland ungewöhnlichen Akzent ausgestattet, und ich war als Südafrikaner ein Unikum. Der schnelle Erfolg war nicht gerade gut für mich.
Warum?
Hey, ich war plötzlich mitten in Europa – ein Südafrikaner, der bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr nicht mal wusste, wie ein Fernsehgerät aussah. Und dann verkaufte ich von der Single „Das schöne Mädchen von Seite 1“ sechzig- bis achtzigtausend Platten am Tag. Das war der Wahnsinn.
In welcher Hinsicht denn?
Na, was macht ein junger Mann als Erstes? Jedenfalls damals? – Er kauft sich ein tolles Auto. Für mich ein Traum: ein blauer Mustang Mach 1. Dazu war mein Blick in die Zukunft voller Zuversicht, und ich hatte ein buntes Sexleben. Damals sprach ich noch wenig Deutsch. Von Schlagern hatte ich als Südafrikaner nie etwas gehört. Aber ich sang das, was die Experten – Produzenten, Texter, Komponisten – mir anboten. Das Geld wurde auf ein Konto gelegt und vermehrte sich schnell. Als ich beim deutschen Schlagerfestival 1970 klar auf Platz eins landete, war ich der Meinung, dass ich nun darauf verzichten konnte, in der legendären ZDF-Hitparade mit Dieter Thomas Heck aufzutreten. Ja, und dann musste ich schnell lernen, dass es ohne doch nicht ging.
Das klingt ganz schön arrogant.
Das war es auch. Aber der berühmte Erfolg über Nacht ist gefährlich – und selbst bis heute gibt es dagegen kaum ein Rezept. Natürlich wird ein möglicher Erfolg heutzutage viel besser vorbereitet. Künstler und Management arbeiten ganz anders zusammen. So etwas gab es in meiner Anfangszeit nicht. Wir traten jeden Samstag vor der halben Nation auf und konnten überhaupt nicht einschätzen, was drei Minuten Auftritt am nächsten Tag aus uns machen würden.
Nun gab es also erst einmal einen Rückschlag. Konnte der erfolgsverwöhnte Howard Carpendale den so einfach wegstecken?
Klar, mein Ego war angekratzt. Doch wenn ich heute zurückblicke, muss ich sagen, dass diese Jahre des Misserfolgs, also 1971 und 1972, meine Rettung waren. Ohne diese Erfahrungen wäre es mir sicherlich so ähnlich gegangen wie den meisten Sängern aus der damaligen Hitparade. Manche sind leider schon von uns gegangen, viele sind vereinsamt, sogar verarmt und verzweifelt.
Diese Jahre, in denen ich keinen einzigen Hit hatte, zeigten mir, dass die sogenannten Experten gar keine waren. Irgendwann war ich so weit, dass ich meiner damaligen Frau Claudia sagte, ich würde meine Zelte abbrechen und zurück nach Südafrika gehen. Aber da tat sie etwas, was sie heute auch noch macht – sie unterstützte mich bedingungslos und sagte: „Nur über meine Leiche.“ Über die besondere Beziehung zwischen Claudia und mir werden wir in diesem Buch sicher noch ausführlicher sprechen. Sie bestand darauf, dass ich zu meiner Schallplattenfirma ging und einen ganz besonderen Deal anbot.
Was für einen Deal?
Ich hatte 1970 einen Zehnjahresvertrag über eine Million D-Mark abgeschlossen. Damals ein Traumvertrag. Der war mir nun jedoch völlig egal. Ich ging also zu meinem Schallplattenboss und sagte ihm: „Ihr könnt euch euren Vertrag sonst wohin stecken. Ihr lasst mich zwei Platten alleine machen. Wenn kein Hit dabei ist, zerreißen wir den Vertrag.“ Ich kann dir sagen, der Schallplattenboss war sehr glücklich.
Und was passierte dann?
Ich komponierte mein erstes Lied. Das heißt, ich sang die Melodie, die ich im Kopf hatte, in