Das ist meine Zeit. Howard Carpendale
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Ein Gitarrist suchte zu meiner Melodie die richtigen Harmonien, und Fred Jay, Deutschlands größter Texter, schrieb den Text. Der Song „Da nahm er seine Gitarre“ war geboren. Bei Dieter Thomas Heck sang ich das Lied in der ZDF-Hitparade – und es wurde ein Hit. Ich darf nicht darüber nachdenken, wo ich heute wäre, wenn das damals nicht geklappt hätte.
Ab dem Zeitpunkt warst du aber auch wieder mitten in der Schlagerszene.
Es gab nur Schlager. Und die habe ich gerne komponiert und gesungen. Die Hits wurden immer größer – „Du fängst den Wind niemals ein“, „Deine Spuren im Sand“, „Tür an Tür mit Alice“. Und dann kam mein Bassist Joachim Horn-Bernges dazu und half mir beim Komponieren. Er hatte großes Talent – lange Zeit schrieben wir alles zusammen. Für mich war diese Zusammenarbeit wahnsinnig wichtig, denn ich hatte in ihm einen Partner, mit dem ich lachen und streiten konnte. Nächtelang feilten wir an den Texten und wagten Dinge, die man normalerweise im Schlager nicht vermuten würde. Wir haben hin und wieder Harmonien hinzugefügt, die nicht typisch für den Schlager waren. Manche Nummern waren eher nach englischem oder amerikanischem Muster gestrickt.
Und nach fünfunddreißig Jahren war dann Schluss?
Es war ein schleichender Abschied von der Zusammenarbeit. Wir spürten beide, dass nach siebenhundertfünfzig Titeln irgendwie alles von uns schon mal bearbeitet wurde. Wir brauchten beide neue Impulse. Joachim schreibt heutzutage immer noch großartige Texte für andere Künstler. Seine Handschrift ist unverkennbar. Er war unendlich wichtig für meinen Erfolg.
Ihr hattet bis dahin viele Hits.
Es war unglaublich. Von 1974 bis 1990 landete ich einen nach dem anderen. Und die Alben dazu waren auch sehr erfolgreich. Der Schritt vom Singleverkäufer zum Albumkünstler ist der erste große Schritt in Richtung Entertainer. Und so fing ich ab etwa 1978 an, mich bewusst mehr auf ganze Alben zu konzentrieren und meinen eigenen Stil zu entwickeln. Hits waren wunderschön. Zu sehen, wie man in den Charts nach oben kletterte und all die großen Namen dieser Welt dabei hinter sich ließ, war sehr aufregend. Aber ich wusste, dass ich als Sänger einer von vielen war. Ich wollte auf die großen Bühnen, aber nicht nur mit einer Aneinanderreihung von Hits. Ich wollte entertainen. Ist deine Frage vom Anfang jetzt beantwortet?
Na ja, es gibt Songs und Situationen, bei denen du mal in die Schlager-Schublade und mal in die Entertainer-Kategorie gehörst. Ich denke, die breite Öffentlichkeit sieht dich in erster Linie als Schlagersänger.
Die Deutschen haben beim Wort Schlagersänger einen bestimmten Typ vor Augen. Davon gab und gibt es sicherlich noch einige. Dieter Thomas Kuhn und Guildo Horn haben es später perfekt verstanden, den typischen Schlagersänger zu verkörpern. Ganz klar als Parodie, aber immer mit Respekt. Das gefällt mir. Und wenn ich mir auf YouTube die Auftritte von Dieter Thomas Kuhn anschaue, wenn er vor der ausverkauften Waldbühne das „Ti amo“ interpretiert, dann hat das was. Ich habe damals in der ZDF-Hitparade fast alle Schlagerstars kennengelernt, die genau so wirkten. Ich war auch ein wenig so, wie ich gerade ja schon erzählte. Um meine Ansichten zum Schlager besser verständlich zu machen, möchte ich aber noch einmal viel weiter ausholen.
Okay.
Ich bin in Südafrika in einer englischen Gegend aufgewachsen. Unsere Stadt Durban hätte gut und gern ein Teil von England sein können. Die Engländer haben die gleichen Sportarten und die gleichen Filme geliebt wie wir. Unser Leben, vom Wetter einmal abgesehen, war sehr mit den englischen Verhältnissen zu vergleichen. Ich war mit coolen Jungs zusammen. Wir haben zusammen Musik gemacht, aber das Wort Schlager kannten wir gar nicht. Das Einzige, was bei uns vielleicht in eine ähnliche Richtung ging, das war die Afrikaans-Musik; diese Leute haben wir ein bisschen belächelt. Als ich nach Deutschland kam, habe ich sehr schnell verstanden, was mit Schlager gemeint ist.
Wie definierst du denn den Begriff Schlager?
Schlager kann manchmal verdammt gut sein. Eine Definition habe ich für mich bis heute nicht finden können. Schlager ist für viele eine etwas einfache Art von Musik. Simpel, meistens drei Harmonien und Texte, die nicht groß anregen. Es wird sehr oft über das Wetter, die Sonne und die Sterne gesungen.
Und über die Liebe.
Ja, aber es gibt viele verschiedene Arten, über die Liebe zu singen. Die Liebeslösung in Schlagern entspricht oft der Variante „Ich bin für dich da“. Bei Schlagern kann ich meistens von vornherein erahnen, wie sich das Lied entwickelt. Ich denke, generell hat der Schlager kein gutes Image, obwohl ich gewisse Songs durchaus immer noch mag.
Welche Beispiele fallen dir aus der aktuelleren Zeit ein?
Es gibt sehr gute und clevere Nummern, die perfekt gemacht sind. DJ Ötzis „Stern“ ist so ein Song. Eine Zeile wie „Du hast mich tausendmal belogen“ von Andrea Berg spricht die Massen an. Und Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“: Da hat sie den Nerv der Nation getroffen wie niemand zuvor. Das Gesamtpaket war einfach stimmig. Eine Helene Fischer, die mit dieser Nummer total explodierte. Die Zeit war reif für einen großen Hit von ihr.
Der millionenfach verkauft wurde.
Ja, und das ist auch absolut verdient. Aber zurück zu meiner Ausgangssituation: In den Siebziger- und Achtzigerjahren war ich auch ein Schlagersänger. Es gab keine andere deutsche Musik. Wenn ich deutsch singen wollte, musste ich Schlager singen. Ich habe zwanzig Jahre lang voll mitgemacht, aber ich war dabei doch überzeugt, dass meine Erfolge wie „Hello Again“, „Nachts, wenn alles schläft“ oder „Ti amo“ alle ein bisschen anders waren. Diese Lieder waren einen Tick moderner als das, was man sonst hörte. „Carpendale war immer fünf Sekunden voraus“, hat zum Beispiel einmal Thomas Anders in einem Interview gesagt.
Die Songs haben an Kraft bis heute nicht verloren.
Und soll ich dir was sagen? Sie machen mir heute auch wieder richtig Spaß. Auf meiner Tour 2015/2016 hatten wir die Songs natürlich im Programm – und die Leute gingen voll mit. So, wie ich es jetzt gerade in meinen Konzerten erlebe, hat es eine ganz neue Dimension erreicht. Ich sehe in die Gesichter aus unterschiedlichen Generationen – und sehe die Freude, die diese Songs auslösen. Ein großer Dank gilt hier auch meinem langjährigen Musical Director, André Franke, der die Songs modern und zeitgemäß arrangiert.
Ganz am Anfang deiner Karriere hast du den Beatles-Hit „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ gecovert. Auch ein Schlager …
Ja – und dann auch noch gesungen von der größten Gruppe aller Zeiten. Warum das Original in Deutschland nicht als Schlager durchging, weiß ich auch nicht so recht. Wir reden von einer Musik, die sehr simpel ist. Simpler als „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ geht es nicht. Für mich ist das ein englischer Schlager. „Ti amo“ von Umberto Tozzi ist Pop, die deutsche Version von mir ist Schlager. Das habe ich nie verstanden.
Es wird wirklich ein Unterschied zwischen der italienischen und deutschen Version gemacht?
Von manchen, ja – besonders von den Radioleuten. Ich habe jahrelang versucht zu verstehen, warum von einigen Radiostationen Umberto Tozzis italienische Version lieber gespielt wird als meine. Manche Verantwortliche haben mir erzählt, dass sie den italienischen Text nicht verstehen, die Melodie aber toll finden. Was soll das denn? Ich kann doch nicht sagen, dass ich einen Titel deswegen mag, weil ich ihn nicht verstehe.
Viele Hits von Coldplay oder anderen sehr erfolgreichen internationalen Bands oder Künstlern gehören dann wohl auch in die berühmte Schublade?
Ich bin der Meinung, ja. Viele Popsongs sind Schlager. Deswegen suche ich schon