Arkadiertod. Thomas L. Viernau

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Arkadiertod - Thomas L. Viernau

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Bücherwurm. Beide mochten Süßigkeiten und freuten sich ebenfalls über Brettspiele, am meisten über komplizierte Strategiespiele, in denen es darum ging, in stundenlanger Geduldsarbeit ganze Königreiche zu erbauen.

      Linthdorf spielte gern Brettspiele. So nach und nach hatte sich in einer Ecke seines Wohnzimmers eine stattliche Sammlung dieser Spiele aufgestapelt. Da gab es Klassiker, wie »Monopoly«, »Die Siedler von Catan«, »Das verrückte Labyrinth« oder »Carcassonne«, exotische Spiele, die lange Vorbereitungszeiten erforderten um sie wirklich spielen zu können, wie etwa das verwirrende »Erebus«, ein Spiel, das in die finstersten Winkel der griechischen Unterwelt führte, oder »Eurotrucker«, was mehr eine Mischung aus »Mensch ärger‘ dich nicht« und »Bingo« war.

      Die Geschenke trafen auch dieses Mal wieder voll ins Schwarze. Stollen essen, Weihnachtstee, dazu eine Schallplatte mit Bachs Weihnachtsoratorium und ein paar Räuchermännchen, die einen angenehmen Duft verbreiteten. Der Heiligabend verlief harmonisch. Nach zwei Stunden verschwanden die beiden Jungs wieder um Heiligabend bei ihrer Mutter, seiner Exfrau Corinna, zu feiern.

      Linthdorf musste dauernd an Louise denken, die in ihrem einsamen Krankenzimmer lag und vielleicht gar nicht mitbekam, das Weihnachten war.

      Was merkte ein Komapatient überhaupt von seiner Umwelt? War es wie ein tiefer Schlaf? Oder war man nur gefangen in einem Körper, der nicht mehr reagierte, aber der Geist war noch hellwach?

      Linthdorf grübelte über diese Fragen schon seit Tagen. Gestern war der erste Tag seit Louises Einlieferung in die Charité, an dem er nicht zu ihr gekommen war. Er hatte ein schlechtes Gewissen. Wenn sie doch etwas bemerkte, dann war das ein nicht zu entschuldigender Umstand. Tief in seinem Innersten hatte sich der Glaube festgesetzt, dass seine Besuche für ihre Genesung immanent wichtig seien.

      Er hatte unruhig geschlafen. Verstörende Träume ließen ihn immer wieder aufwachen.

      Entsprechend unausgeschlafen war Linthdorf am Morgen des ersten Feiertags. Schon um Acht hatte seine Katze an die Tür des Schlafzimmers geklopft. Ein deutliches Signal: Hunger! Steh auf und gib mir mein Futter!

      »Miezi, du nervst!«

      Er trat die Flucht nach vorne an. Fuhr gleich nach dem provisorischen Frühstück nach Potsdam. Vielleicht hatten die Kollegen von der Technik schon etwas über den ominösen Leichenfund im Apfellager herausgefunden.

      Als er so gegen Elf in seinem Potsdamer Büro eintraf, hatte er bereits mit der Kriminaltechnik telefoniert. Die waren gestern noch bis spät am Abend beschäftigt gewesen. Vor allem das Abtragen der Apfelberge kostete Zeit. Entsprechend schlecht gelaunt war der Kollege am Telefon. Er hatte sich den Heiligabend anders vorgestellt. Auf Linthdorfs Computer blinkte das Posteingangssymbol. Es war der Bericht der Kriminaltechnik.

      Linthdorf vertiefte sich in den mehrseitigen Text und schaute zuerst die beigefügten Fotos an.

      Der Polizeifotograf war ein sachlicher, emotionsloser Mensch. Linthdorf kannte ihn. Schweigsam und stets mit einer missgelaunten Miene ging er seinem Beruf nach. Es war schwer, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Aber er lieferte immer erstklassige Fotos ab, vergaß kein Detail, auch wenn es noch so unbedeutend erschien, er fotografierte wirklich alles.

      Auch diesmal hatte er wieder ganze Arbeit geleistet. Bestens ausgeleuchtete Fotos, gestochen scharf und aussagekräftig. Einfach perfekt.

      Linthdorf musste schlucken beim Betrachten der Bilder. Ein älterer Mann erstarrt im Todeskampf. Weit aufgerissene Augen und der Mund wie zu einem Schrei geöffnet. Der spärliche Haarkranz stand wie eine graue Aura vom Kopf ab und verlieh dem Mann einen seltsamen Heiligenschein.

      Der Mann war mit einem grauen Anzug bekleidet. Anstelle einer Krawatte trug er eine Fliege. Seltsam, er erinnerte Linthdorf in dieser Aufmachung an einen Lehrer aus seiner Schulzeit. Der kam auch immer mit einer Fliege zum Unterricht. Damals hatten sich alle darüber lustig gemacht. Allerdings nur hinter seinem Rücken. Dank dieser Fliege strahlte er im Klassenzimmer eine Würde aus, die es nahezu unmöglich machte, ihn nicht zu respektieren.

      Linthdorf wandte sich dem Bericht der Rechtsmedizin zu. Als Todesursache wurde Ersticken angegeben. Im Blut war de facto kein Sauerstoff mehr nachweisbar. Dafür aber deutlich überhöhte Mengen an Kohlendioxid und Stickstoff. Das würde ja zu dem von Malzbrandt geschilderten Szenario passen.

      Der Todeszeitpunkt konnte nicht mit Sicherheit bestimmt werden. Aufgrund der kühlen Temperaturen und der veränderten Gasanteile der Umgebungsluft sei es wohl sehr schwierig, einen exakten Todeszeitpunkt anzusetzen. Eine mikrobiologische Untersuchung wäre hier wohl unerlässlich. Aber das würde doch etwas länger dauern. Eine erste vorsichtige Schätzung ging von einem Todeszeitpunkt vor fünf bis acht Wochen aus. Linthdorf atmete tief durch. Wieso hatte keiner bemerkt, dass da ein Mensch einfach spurlos verschwunden war?

      Die Spurensicherung hatte ebenfalls ihren Bericht angehängt. In den Taschen des Mannes habe man nichts gefunden außer ein paar Tabakkrümeln und ein unbenutztes Papiertaschentuch. Weder Papiere noch eine Brieftasche oder ein Portemonnaie hatte der Mann bei sich. Die Abgleichung der biometrischen Daten mit den diversen Datenbanken der Polizei hatte auch nichts gebracht. Auch die am Fundort vorgenommene Untersuchung der direkten Umgebung war ergebnislos.

      Inwieweit der Mann durch die auf ihm lagernden Apfelmengen bereits bewusstlos war oder noch lebte, konnte bisher nur vermutet werden. Linthdorf musste an die beigefügten Fotos denken. Der Gesichtsausdruck hatte da schon eine gewisse Aussagekraft.

      Linthdorf arbeitete sich systematisch durch das gesamte Material, las auch noch einmal die gestrigen Protokolle.

      Ein Blick auf die Uhr, es war kurz nach Eins. Ein Magenknurren meldete den Hunger an. Heute hatte die Kantine ein schmales Angebot. Nur wenige Mitarbeiter waren über die Weihnachtsfeiertage im Dienst. Etwas enttäuscht packte sich Linthdorf ein paar belegte Brötchen auf sein Tablett, dazu eine Apfelsine und ein paar Kiwis.

      Weihnachten hatte hier in der Kantine vollends seinen romantischen Reiz verloren. Obwohl ein künstlicher Tannenbaum festlich geschmückt auf einem kleinen Tischchen direkt neben der Kasse aufgebaut worden war und auf jedem der quadratischen Tische kleine Vasen mit Tannengrün und einer Kerze standen, verbreitete die Kantine die anheimelnde Atmosphäre einer Bahnhofswartehalle.

      Linthdorf war es ganz recht so. Er schälte sorgfältig seine Apfelsine und verspeiste sie dann mit großem Appetit. Vitamine konnte man in der dunklen Jahreszeit gut gebrauchen.

       Fette Krebse, volle Gläser,

       wenn du nicht trinkst, ist die beste Zeit dahin.

      

       Qi Bai Xi 1924

      VI

      Potsdam, Havelufer der Berliner Vorstadt

      Dienstag, 26. Dezember 2006

      Auch am zweiten Weihnachtsfeiertag war das Wetter trübe. Ein fahlgrauer Himmel erzeugte die Illusion von Taghelligkeit. Die Temperaturen schlichen wie schon an den Vortagen zwischen Null und Sieben Grad herum. Am Havelufer fütterte ein großer Mann mit schwarzem Hut und Mantel eine große Schar von Blesshühnchen, Stockenten und Schwänen, die allesamt im Uferbereich aufgeregt hin und her schwammen.

      Linthdorf, niemand anderes war dieser ominöse Entenfütterer, hatte den Tagesrhythmus wiederaufgenommen,

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