Arkadiertod. Thomas L. Viernau
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Im Winter war er mit den ominösen Todesfällen in den großen Flüssen beschäftigt. Die Nixentode, so wurden die toten Frauen in der Presse genannt, verwickelten ihn in seine bisher kompliziertesten Ermittlungen. Wochenlang stocherte er im Nebel um einen Ansatz zu finden. Ohne die Unterstützung von Louise Elferdink und Alfred Stahlmann hätte er den verzwickten Fall nicht gelöst.
Am Ende war Alfred tot, erschlagen von einem Psychopathen. Er hatte sich schützend vor Louise geworfen und sie damit gerettet.
Umsonst!
Louise lag jetzt im Koma. Zwischen Leben und Tod. Nach einem turbulenten Sommer, immerhin war ja auch noch die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland. Vier Wochen lag sich das ganze Volk in den Armen und jubelte den Helden auf dem Rasen zu.
Linthdorf schaute diesem bunten Sommertreiben seltsam unbeteiligt zu. Er war kein Fußballfan und konnte auch dem Public Viewing nichts abgewinnen. Die Menschenmassen, die vor den Großbildschirmen ihre Feiern zelebrierten, waren für Linthdorf der blanke Stress. Er fuhr raus ins Grüne. Das machte ihm zehnmal mehr Freude als jedes geschossene Tor.
Seine Kollegen schüttelten den Kopf über den Spielverderber und Spaßverweigerer. Obwohl er überall als ein umgänglicher und freundlicher Mensch bekannt war, wurde es immer einsamer um ihn.
Die neue Aufgabe als Leiter der SoKo »Kranichtod« war für ihn eine echte Chance, neue soziale Kontakte aufzubauen und aus seiner Rückzugswelt wieder in die normale Großstadtwelt einzutauchen.
Und dann war da ja auch noch Louise. Endlich, ja endlich, hatte er mal wieder das Gefühl von Zweisamkeit. Es machte ihn glücklich, er begann wieder über seine Zukunft nachzudenken.
Abrupt wurden diese Träumereien beendet. Linthdorfs Glück dauerte gerade einmal einen Monat.
Seit Anfang Dezember war er in ein tiefes, schwarzes Loch gefallen. Zukunft gab es nicht mehr und die Gegenwart entpuppte sich als eine zähe, klebrige Zeitverschwendung, nur unterbrochen von den Spaziergängen an der Havel und den Besuchen in der Charité. Was für ein Jahr!
Sein Traum von Glück war nur eine Illusion. Vorbei, vorbei … Doch weiter ging es, egal, wie es in seinem Herzen aussah. Er spürte die harten Brüche, die wie ein Fluch das Jahr durchzogen, tief in seinem Innersten. Es waren Erschütterungen, die den in sich ruhenden Mann in einer Art und Weise verstörten, wie er es nicht mehr für möglich gehalten hatte. Als ob er noch einmal in die stürmischen Jugendjahre zurückgefallen war. Himmel hoch jauchzend und zu Tode betrübt.
Schmerzhaft.
Es stach manchmal so, dass ihm der Atem stockte.
Doch die ganze Wehklagerei und das Gejammer nutzten nichts. Linthdorf wusste das. Egal, wie heftig das Pendel auch ausschlug, Linthdorf bewahrte die Fassung. Er ließ nichts nach außen dringen von seinen inneren Seelenzuständen.
Langsam lenkte er seine Schritte wieder zurück Richtung Glienicker Brücke. Dort wartete sein Wagen. Es war Zeit, nach Berlin zu fahren. Immerhin hatte er heute noch ein Treffen.
Visionen einer Königin
Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrich des Großen… Es kann nur gut werden in der Welt durch die Guten…, deshalb bin ich der Hoffnung, dass auf die jetzige böse Zeit eine bessere folgen wird.
Luise Auguste Wilhelmine Amalie, Königin von Preußen, Herzogin von Mecklenburg-Strelitz
in einem Brief an ihren Vater
I
Osterode bei Königsberg in Ostpreußen
Sonntagabend, 2. November 1806
Das kleine Städtchen Osterode im Schnittpunkt der Handelswege zwischen den alten Ordensritterstädten Elbing, Allenstein und Graudenz gelegen, hatte schon viele schreckliche Ereignisse in seiner langen Geschichte über sich ergehen lassen müssen. Feuersbrünste, Überfälle der Litauer, Belagerungen durch die Ordensritter, Pest und Cholera hatten ihre Spuren hinterlassen.
Doch jetzt bekam das Städtchen plötzlich königlichen Besuch. Friedrich Wilhelm III., seine Gattin, Königin Luise und ihre wichtigsten Minister weilten in der Stadt. Sie waren auf der Flucht vor Napoleons Truppen in die abgelegenen Ostprovinzen des Königreichs geflohen. Hier war noch nichts von dem Weltenbrand zu spüren, den der umtriebige Korse in ganz Europa entfacht hatte. Ein Königreich nach dem anderen fiel dem Franzosenkaiser fast kampflos zu.
Das einst in ganz Europa gefürchtete Preußen hatte gerade einmal drei Wochen dem Druck der Franzosen standgehalten. Dann fiel es um wie ein Kartenhaus im Wind. Der König war paralysiert. Er wirkte in sich gekehrt, murmelte dauernd etwas vor sich hin, dass er diesen Krieg nicht gewollt habe und dass alles zu spät sei. Seine Gattin, Königin Luise, versuchte zwar, seine Stimmung etwas aufzuhellen, aber vergeblich.
Während Napoleon sich in Berlin feiern ließ und im Hohenzollernschloss residierte, waren hier im kleinen, stillen Osterrode die letzten Getreuen des Königs versammelt und beratschlagten, was man in dieser ausweglosen Situation noch machen könne.
Der König war von den Ereignissen vollkommen überfordert. Die beiden Schlachten bei Jena und Auerstedt und auch die Rückzugsgefechte bei Halle an der Saale hatten nicht nur die Preußische Armee aufgerieben, sie machten auch den sonst so rechtschaffenen und zurückhaltenden König zu einem seelischen Wrack. Willenlos ließ er sich treiben.
Nur dank des beherzten Eingreifens eines jungen Kavallerieoffiziers war der König der Gefangennahme durch die Franzosen entkommen. Er wähnte sich schon in Napoleons Händen, als ihn der preußische Major Karl Friedrich von dem Knesebeck mit seinen Reitern aus dem Gefecht holte und seinen Rückzug sicherte.
Knesebeck begleitete den König auch bei seiner Flucht. Der hochgewachsene Offizier, ein Spross der auf Carwe im Ruppinischen lebenden Gutsherrenfamilie derer von Knesebeck, war außerdem ein heller Kopf und fähiger Stratege. Solche Leute waren rar, die konnte man noch gut gebrauchen.
Bekümmert sah der König auf das Häuflein Soldaten, was ihm noch verblieben war. Die Hiobsbotschaften schienen nicht abzureißen. Nicht nur, dass die Reste der Armee verstreut in alle Winde waren, auch ein Großteil der jüngeren und fähigeren Offiziere war in Gefangenschaft geraten.
Die schmählichen Kapitulationen der preußischen Festungen hatten beim König ebenfalls für Verstimmung gesorgt. Kein Ehrgefühl war mehr bei seinen Leuten, kein bisschen Anstand und Vaterlandsliebe. Berlin verbrüderte sich mit den Franzosen und feierte, ja, auch das war dem König zugetragen worden.
Was ihn aber am meisten ärgerte, waren die bösartigen Schmutzkampagnen, die in den französischen Gazetten über seine Frau verbreitet und von den deutschen Zeitungen bereitwilligst nachgedruckt wurden. Seine liebliche Luise wurde in einem Artikel mit der antiken Helena verglichen, die aufgrund ihrer Schönheit nur den Untergang ihres Volkes herbeigeführt habe. Als ob Troja mit Preußen vergleichbar wäre!
Ein noch schlimmeres Schundblatt schrieb etwas darüber, dass Königin Luise mit dem russischen Zaren