Nixentod. Thomas L. Viernau

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Nixentod - Thomas L. Viernau

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zu erfrieren, das hatte sie sich nicht einmal in ihren schlimmsten Alpträumen ausgemalt.

      So lag sie frierend und zitternd vor Schmerz bestimmt noch ein paar Minuten. Dunkelheit umfing sie. Langsam spürte sie, wie die Wärme aus ihrem Körper entwich, die leblos an ihr herabhängenden Arme waren sowieso gefühllos, so lange sie nicht versuchte, sie zu bewegen. In der Ferne sah sie einen flackernden Lichtschein.

      Mit der letzten noch verbliebenen Kraftreserve hob sie den Kopf. Ein Auto, ja, wirklich, ein Auto kam langsam auf sie zu gefahren und hielt an ...

      Melusines Schuld

      Sturmwarnung für die Region Berlin-Brandenburg

      

       Der Deutsche Wetterdienst gibt für die Großregion Berlin-Brandenburg eine Unwetterwarnung. Für die Kreise Prignitz, Ostprignitz-Ruppin, Havelland, Potsdam-Mittelmark und für das gesamte Stadtgebiet von Berlin werden Windgeschwindigkeiten von über Neunzig Stundenkilometern erwartet. Begleitet wird der Wind von starken Niederschlägen.

       In den späten Nachmittagsstunden sind sie noch als Regen möglich, später auch als Schnee. Es wird ein Temperatursturz für die Abendstunden von über 15° Celsius erwartet. Vereinzelt kann es daher auch zur Bildung von Glatteis auf den Straßen kommen. Es wird dringend davon abgeraten, mit dem eigenen Auto zu fahren, es besteht akute Unfallgefahr.

       Soweit möglich, sollten öffentliche Verkehrsmittel benutzt werden. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg stellt für die betroffenen Regionen zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung.

      

      Anzeichen für das Sterben von Menschen auf unnatürlichem Wege - aus dem wendischen Zauberbuch »Koraktor«

       Der Tod kündigt sich an, wenn:

       nachts ein Käuzchen schreit,

       ein Hund den ganzen Tag heult,

       morgens auf dem Schornstein eine große Eule sitzt,

       ein Maulwurf seinen Haufen direkt an der Hausmauer auswirft,

       auf dem Grab eines nahen Angehörigen ein Maulwurf gräbt,

       man nachts von schlechten Zähnen träumt,

       nachts weiße Wäsche auf der Leine hängen geblieben ist,

       wenn zwei Messer gekreuzt auf dem Tische liegen.

      

      Freitag, 30. Dezember 2005

      Berlin-Wedding

      Wieder hatten sie gestritten. Immer machte ihr die Mutter Vorwürfe. Jetzt schon wieder! Als ob sie sich dauernd in ihr Leben einmischen dürfe. Jedes Mal begann sie mit dieser weinerlichen Stimme und dem vorwurfsvollen Blick auf sie einzureden.

      Und sie wusste, dass sie davon nur noch eigensinniger wurde und alles ignorierte. Ihr ganzes Leben lief dieser Ritus nach demselben Muster ab. Mutter begann mit einem tiefen Seufzer ihr Lamento. Karolin hatte diesen Seufzer innerlich schon so oft verflucht und sich vorgestellt, ihrer Mutter einen Knebel in den Mund zu stecken, damit sie endlich schwieg.

      Karolin wusste, dass ihre Mutter eine schwache Frau war, total überfordert mit der Aufgabe, eine große Familie zu organisieren und zu leiten.

      Der Vater war nie da. Der musste das Geld heranschaffen, was für den Hausbau und den Unterhalt der fünf Töchter benötigt wurde. Er war ständig unterwegs, von Baustelle zu Baustelle. Manchmal kam er nur einmal im Monat nach Hause, manchmal, und das war selten, jedes Wochenende. Je nach dem, wie weit seine Baustelle vom Wohnort entfernt war.

      Und wenn er dann da war, trank er. Mutter schloss sich dann in ihrem Zimmer ein, bis er wieder verschwunden war. Manchmal tat sie Karolin leid. Aber dann war da wieder dieser unterschwellige Hass. Sie sehnte sich so nach Normalität, bekam aber immer mehr Chaos.

      Ihre vier Schwestern waren da irgendwie immun. Sie waren ja auch schon viel älter und verkrümelten sich, wenn dicke Luft war. Sie musste als Nesthäkchen dableiben und bekam die ganzen Spannungen natürlich mit.

      Und jetzt waren Mutter und sie wieder eine Schicksalsgemeinschaft. Lange Zeit hatte Karolin ihre Mutter aus den Augen verloren gehabt. Die hatte nach der Flucht aus dem Hause wieder geheiratet. Aber auch diese Ehe hielt nicht lange. Wahrscheinlich lag es doch an ihrem etwas labilen Charakter.

      Plötzlich war Karolin einfach bei ihr aufgetaucht. Nachdem auch ihr Versuch, eine Ehe zu führen, schon nach nur zwei Monaten gescheitert war, musste sie weg aus dieser heimeligen Welt in Bayern.

      Onkel Georg gab ihr den Tipp, nach Berlin zu gehen. Dort würde sie auch ihre Mutter wiedersehen, die ihr vorerst unter die Arme greifen könne. Aus dem Provisorium war dann ein Dauerzustand geworden. Karolin teilte sich mit ihrer Mutter die Wohnung.

      Jeder hatte zwei Zimmer, dazu eine gemeinsame Küche und ein gemeinsames Bad. Man ging sich so gut es ging aus dem Weg. Mutter ignorierte die Männerbekanntschaften von Karolin, diese war dafür ein dankbarer Kaffeekränzchen-Partner.

      Dieses Ritual, in der kleinen Küche Kaffee zu schlürfen und dazu etwas Selbstgebackenes zu knabbern, war lebenswichtig geworden für sie. Wenn Karolin einmal den Zeitpunkt des Kaffeekränzchens verpasst hatte, war sie vollkommen niedergeschlagen und verzog sich für den Rest des Tages in ihr Schlafzimmer.

      Karolin wiederum bekam jedes Mal schlechte Laune, wenn Mutter wieder mal »spann«. So nannte sie deren Zustand selbst gewählter Isolation.

      Seitdem Karolin die Nachbarswohnung bezogen hatte, war das Verhältnis zu ihrer Mutter noch komplizierter geworden. Die lauerte ihr jetzt regelrecht auf, kam zu den unpassenden Zeiten einfach so vorbei, um irgendwelche banalen Dinge zu besprechen. Sie hatte Verlassensängste. Karolin fühlte sich regelrecht verfolgt von ihr. Jedes Mal, wenn sie sie darauf ansprach, kamen wieder dieser Seufzer und der mitleiderregende Blick.

      Heute war wieder so ein Tag, an dem sie Mutter am liebsten gar nicht begegnet wäre. Sie wollte aus dem Haus, weg von Arvid. Draußen stürmte es. Schneematsch und Regen kamen gleichzeitig herunter.

      Der Himmel war dunkelgrau, und man konnte vielleicht zehn Meter weit sehen. Genauso hatte sich Karolin das Wetter gewünscht für ihren theatralischen Auftritt. Da stand die Mutter an der Tür ... Ausweichen ging jetzt nicht, also kam sie mit in ihre Küche. Dort stand schon ein Pott Kaffee für sie bereit.

      »Kindchen, was hast du wieder angestellt?«

      Wieder diese weinerliche Stimme! Karolin schwieg. Dann antwortete sie: »Mama, lass mich in Ruh mit deinen nervigen Fragen.«

      Sie wollte es nicht so barsch sagen, war aber erstaunt, wie ruppig ihre Stimme klang.

      »Ach, Kindchen ...«

      Karolin

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