Nixentod. Thomas L. Viernau

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Nixentod - Thomas L. Viernau

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er diese kryptischen Worte abgetan als eine dumme Redensart, aber mit der Zeit hatte er den wirklichen Sinn der Worte für sich erkannt. Es war ein totaler Luxus, sich diese Zeit zu gönnen und solch ein königliches Frühstück zu zelebrieren. Eigentlich kannte er nur wenige Menschen, die es ähnlich taten. Es war zutiefst spießig, aber es gefiel ihm. Und ihr auch, dachte er jedenfalls bisher.

      Heute Morgen, ein freier Tag war dieser Dienstag auch, war alles anders. Sie war schon ungewöhnlich früh aufgestanden, huschte auf leisen Sohlen aus dem Schlafzimmer. Zach döste noch, nahm ihr Aufstehen nur im Halbschlaf wahr.

      Sie musste öfters mal raus, war eben eine Frau. Irgendwann um kurz nach Neun stand er auch auf. Nichts war in der Wohnung anders, aber irgendetwas stimmte nicht mit diesem Tag. Wo war sie?

      Er schlurfte in die Küche, setzte Kaffeewasser im Wasserkocher auf und knipste das Radio an, um diese ungewöhnliche Stille zu durchbrechen und das Gefühl der Irritation zu verdrängen.

      Dann stand sie da. Heulend und irgendwie völlig verloren. Sie kam auf ihn zu, umarmte ihn, stammelte etwas Unverständliches, als ob sie es selbst nicht glauben könnte, dass sie jetzt hier so vor ihm stand, um diese Botschaft zu verkünden.

      Zach wurde schwindelig. Er saß auf seinem Stuhl, erstarrt, unfähig, irgendetwas zu erwidern oder zu tun. In seinem Hirn hämmerte dauernd ein Satz durch die Windungen: Das ist nicht wahr, das ist nicht wahr, das kann nur ein böser Traum sein ...

      Aber die Wirklichkeit blieb, so wie soeben erlebt. Alles wurde schlagartig grau um ihn. Er nahm alles durch einen Filter wahr, der die Wohnung und ihn in die farblose Welt der Tristesse tauchte.

      In ihm wehrte sich alles gegen diese große Traurigkeit, aber es nützte nichts. Körperlich konnte er es spüren, wie jede einzelne Region seines Körpers von ihr befallen wurde. Seine Arme und Beine wurden wie Gummi, die Knie versagten ihren Dienst, er knickte einfach in sich zusammen. Die Kühle des Wintertags, die eigentlich draußen vor dem Fenster herrschte, breitete sich langsam in ihm aus.

      Was da mit ihm passierte, konnte er rational nicht fassen, eine tiefe Verunsicherung hatte ihn erfasst. Karolin war aus der Küche gegangen und hatte ihn mit dem Brief allein zurückgelassen. Er versuchte sich zu sammeln, unmöglich überhaupt der Versuch, etwas Klarheit zu bekommen.

      Warum nur?

      Was hatte er getan?

      Diese Fragen kreisten wie ein ständig sich wiederholendes Signal in Sekundenbruchteilen durch sein Hirn. Er konnte nichts Anderes denken, nur diese Worte erhoben sich aus dem Nichts der inneren Leere zu bedrohlich großen Riesenlettern, die in tiefstem Rot sich auf seine Netzhaut brannten und alles andere verdrängten.

      Ein stechender Schmerz fuhr durch seinen Brustkorb. Er rang um Luft, konnte die Katastrophe nun körperlich spüren.

      So etwas musste also das »gebrochene Herz« sein. In den romantischen Gedichten seiner Jugend wurde es oft beschworen, er hatte damals immer darüber gelächelt. Eine schöne Metapher für einen Seelenzustand des Verlassenwerdens, gern genutzt von allen jugendlichen Schwärmern. Das ihm so etwas zustoßen würde, hatte er nie zu träumen gewagt.

      Er saß wohl eine Stunde, vielleicht auch länger, so erstarrt in der Küche. Kein Geräusch war mehr zu hören, das Radio war aus, von Karolin war nichts zu merken. War sie überhaupt noch in der Wohnung? Zach erhob sich langsam, der Schmerz im Brustkorb war deutlich spürbar beim Aufstehen. Er schlich den langen Flur entlang, spähte in die Zimmer, sah sie endlich hinter ihrem Computer sitzen und intensiv auf den Monitor schauen. »Karolin, was hast du nur getan?«

      »Lass mich, ich kann jetzt nicht mit dir sprechen. Alles ist aus, es ist aus! Lass mich allein!«

      Zach wandte sich ab, schlug die Tür in einer wilden Aufwallung von Wut zu. Ein lautes Krachen begleitete das Zuschlagen. Im Flur fiel eine kleine Statue vom Regal und zerbrach auf dem Boden. Zach suchte den Autoschlüssel und rannte dann die Treppen runter.

      Nur weg, raus hier, er schien die Luft in der Wohnung nicht mehr atmen zu können. Quietschend setzte sich der Kombi in Bewegung, Zach raste durch die stille Nebenstraße, die an diesem Wintermorgen menschenleer war, bog auf die nächste Magistrale, ohne auf die Ampelschaltung zu achten. Alles drehte sich vor seinen Augen, er hatte Mühe, das Auto in der Spur zu halten. Was nur hatte er getan? Warum!? Warum!? Warum!?

      Tief in seiner Seele suchte er nach Gründen für Karolins Entschluss. Sie war doch so glücklich gewesen, tanzte durch die großen Räume, leise vor sich hin trällernd, kam immer wieder zu ihm, umarmte ihn und strahlte ihn aus ihren rehbraunen Augen an. War das alles nicht wahr, war es nur ein Trugbild gewesen?

      Sie hatten intensiv miteinander gelebt, vieles gemeinsam gemacht, waren alltagstauglich – so hatte Zach die Beziehung mit ihr immer eingeschätzt. Und nun?

      Wieder schoben sich die roten Buchstaben bedrohlich vor sein inneres Auge. Warum? Warum? Warum? Ratlos kreuzte er durch die leeren Straßen Berlins.

      Am Abend kam er zurück in die Wohnung. Das erste, was er spürte, war die Leere. Sie war nicht da. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel.

      »Bin bei Freunden«, stand da geschrieben. Zach saß im Wohnzimmer etwas verloren auf dem Sofa. Im Flur rumorten die beiden Katzen. Hatten wohl Hunger. Automatisch holte er zwei Dosen Futter, öffnete sie und schüttete den streng riechenden Inhalt in die beiden Näpfe. Die Katzen, ein bunt geschecktes Kätzchen und ein großer, grauer Tiger schnurrten schon in Erwartung der Leckerbissen. Karolin hing an den Katzen, egal wie sie sich benahmen und was sie anstellten.

      Oft saß sie im Sessel und streichelte stundenlang den Katzen das Fell und flüsterte ihnen irgendwelche Geschichten ins Ohr oder kümmerte sich um die langen Krallen. Die Tiere ließen diese Prozedur mit stoischer Ruhe über sich ergehen.

      Wenn Zach kam, stoben sie meist auf und davon. Das hing mit einigen unschönen Zusammenstössen zwischen ihm und den beiden Fellträgern zusammen.

      In der Küche hatte er sie schon beim Räubern ertappt und entsprechend reagiert. Karolin schritt sofort ein: »Was können die armen Tiere dafür, wenn wir die Sachen liegenlassen!« Zach schüttelte den Kopf über diese Art von Tierliebe. Ihm ging das eindeutig zu weit. Aber letztendlich ließ er sie gewähren. Es war ja nicht lebenswichtig.

      Er schnappte mit der Fernbedienung den Fernseher an. Klickte sich durch die Programme, nichts konnte ihn ablenken. Irgendwo blieb er bei einer Talkrunde hängen. Dem Gespräch konnte er nicht so richtig folgen, mit einem Ohr lauschte er immer Richtung Tür, doch nichts passierte. Sie kam die ganze Nacht nicht. Irgendwann dämmerte er für ein paar Minuten weg.

      Berlin-Wedding

      Donnerstag, 29. Dezember 2005

      Übermüdet und vollkommen trostlos stand Zach am Fenster und beobachtete das Treiben der Flocken, die an diesem Dezembertag erste weiße Teppiche in der Stadt bildeten.

      Eigentlich hatte er ja eine große Silvesterparty mit vielen Freunden geplant, aber irgendwie hatte er nicht den Mut, allen abzusagen. Karolin war heute früh zurückgekommen. Sie wich ihm aus, huschte nur durch die Zimmer wie eine Schattengestalt. Wortlos hatte sie ihm wieder einen mehrseitigen Brief in die Hand gedrückt, in dem sie ihm ihre Gründe für den plötzlichen Bruch noch einmal aufgeschrieben hatte.

      Der etwas verworren gehaltene Text hatte für Zach nichts Neues gebracht, nur noch mehr Rätsel bauten sich vor ihm auf. Er zweifelte daran, dass diese Frau hier seine Lebensgefährtin war. Wie ausgewechselt erschien sie, als ob jemand einen Schalter

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