Mischpoche. Andreas Pittler

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Mischpoche - Andreas Pittler

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keinen«, hörte Bronstein in der Zwischenzeit Pokorny fortfahren.

      »Was soll das heißen?«

      »Na, dass der Täter den Schlüssel mitg’nommen hat. Er hat von außen zugesperrt und gehofft, damit ein bissl Zeit zu gewinnen.« Na bitte, mitunter hatte sogar Pokorny seine hellen Momente.

      »Die Hausmeisterin hat übrigens auch schon einen konkreten Verdacht«, sonnte sich Pokorny in der ihm zuteil gewordenen Aufmerksamkeit.

      »Ah so?«

      »Ja. Die Hellebrand hatte eine Aftermieterin. Ein junges Mensch namens Rosa Pichler. Und die soll einen ganz unguten Patron als Gspusi g’habt haben. Irgendeinen Karl. Die Hausmeisterin meint, die zwei seien notorische Neger gewesen, weil sie jeder ehrlichen Arbeit ausgewichen seien.«

      »Und die Frau Hellebrand? Hat die ein Gerstl?«

      »Na ja, laut Hausmeisterin ist sie nicht gerade arm. Ob’s aber für einen versuchten Raubmord reicht, das weiß die Hausmeisterin natürlich nicht.«

      »Natürlich nicht«, schob Bronstein ironisierend nach. In Wien war es gleichsam amtsbekannt, dass Hausbesorger stets besser über den Besitzstand eines Mieters Bescheid wussten als dieser selbst. Doch er beschloss, es vorerst dabei zu belassen, denn entscheidend in dieser Angelegenheit war die Aussage der Hellebrand selbst. Und die wurde, immer noch bewusstlos, eben von den Sanitätern abgeholt.

      Bronstein vergewisserte sich, dass die beigezogenen Kollegen den Tatort penibel aufgenommen hatten, dann verkündete er Pokorny eine wichtige Erkenntnis: »Das Schweizerhaus schaffen wir doch noch!«

      »Und was machen wir mit dem Christkindl da draußen?«, fragte Pokorny und deutete mit dem Daumen über die Schulter in die Richtung, in der er Kapuszczak vermutete.

      »Am besten nix.« Bronstein nickte den anwesenden Beamten zu und verließ, nachdem er sich noch einmal umgesehen hatte, die Wohnung. Pokorny folgte ihm auf dem Fuß.

      Am nächsten Morgen war die Hellebrand so weit wieder hergestellt, dass sie Bronstein im Spital Rede und Antwort stehen konnte. Doch die Unterredung erwies sich rasch als recht einseitig. Beim circa siebzehnten Fluch wider das flüchtige Paar gab Bronstein den Versuch, Näheres über den Tathergang zu erfahren, erst einmal auf, zumal als Interludium zwischen den Flüchen gebetsartig die Wortfolge »Mein Schmuck! Mein ganzer schöner Schmuck!« kam. Und er überlegte, sich Baldriantee bringen zu lassen.

      Immerhin amüsierte ihn angesichts der Ausführungen der Alten der Bericht, der am Vortag in der Abendzeitung erschienen war. Die ›mittellose Frau‹, die um ihrer ›wenigen Habseligkeiten willen‹ fast ermordet worden wäre, vermisste eine stattliche Zahl an Pretiosen. Der Reihe nach zählte sie eine goldene und eine silberne Herrenuhr, eine Uhrkette, zwei Paar goldene Ohrgehänge, drei Ringe, eine goldene Halskette und ein Paar goldene Manschettenknöpfe auf. Zudem beklagte sie den Verlust eines Überziehers und eines Paars ihrer Schuhe. Den ersten Teil der Nachricht vermochte Bronstein ja noch nachzuvollziehen. Die Kollegen hatten kein einziges Schmuckstück vorgefunden, sodass jemand, der seine Juwelen üblicherweise wie seinen Augapfel hütete, auch ohne näheres Nachdenken wissen mochte, was ihm geraubt worden war. Aber dass die Frau aus dem Stand sagen konnte, es fehle ein Mantel und ein Paar Frauenschuhe, das verwunderte ihn dann doch.

      »Woher wissen S’ das mit dem Mantel und den Schuhen?«, fragte er daher.

      »Weil das Luder damit ab’pascht ist«, kam es postwendend retour.

      Nach leidlich zwei Stunden hatte Bronstein endlich einen Überblick über das Vorgefallene. Offensichtlich hatte sich die 20jährige Rosa Pichler bei der Hellebrand eingeschlichen, um festzustellen, ob es bei der Dame etwas zu holen gab. Und da dies der Fall gewesen war, schmiedete sie mit ihrem Geliebten den Plan, die Alte zu berauben. Hellebrand sagte aus, sie habe eben Bier holen wollen, und als sie zurückgekommen sei, habe sie den Liebhaber der Pichler gesehen, wie dieser mit einem Hackebeil ihren Kasten zertrümmerte. »Dort hab’ ich ja meinen Schmuck aufbewahrt, ned?!« Als das Pärchen erkannte, dass die Hellebrand früher als erwartet wieder eingetroffen war, beschloss es, die Zeugin zu beseitigen.

      »Der ist mit dem Hackl auf mi losgangen, als wollt’ er mich schlachtigen. Ich hab mich natürlich g’wehrt mit Händ’ und Füß’, und g’schrien hab ich wie am Spieß. Dann hab’ ich mir denkt, solang‘ ich mich noch beweg’, hören die ned auf`, mich zu malträtieren, und so hab’ ich demonstrativ g’röchelt, die Augen verdreht und mich nimmer g’rührt. Dann haben s’ wirklich aufg’hört. Ich hab’ noch mitg’kriegt, wie das ausgschamte Mensch mein Mantel anzieht und meine Schuh, und dann sinds‹ raus. Wohin, das weiß ich nicht.«

      Ja, das wusste auch Bronstein nicht. Noch nicht. Doch andererseits mochte es nicht sonderlich schwer sein, den beiden auf die Schliche zu kommen, denn sie wirkten alles andere als professionell. Man brauchte nur ein Auge auf die amtsbekannten Hehler zu werfen, dort würden die beiden früher oder später auftauchen, da sie, nach allem, was bislang über sie bekannt war, über keinerlei Barmittel verfügten, die Sore daher schnellstmöglich versilbern mussten.

      Zudem war die Pichler keine Unbekannte. Obwohl erst 20 Jahre alt, hatte sie bereits hinlänglich unter Beweis gestellt, was für ein Früchtchen sie war. Mit 13 war sie aus dem Heim ausgebüchst, und seitdem pendelte sie ohne Unterlass zwischen Häfen und Kriminal. Auch diesmal, so war Bronstein überzeugt, würde es nicht lange dauern, bis die Pichler wieder gesiebte Luft atmen würde.

      Zwischenzeitlich hatte Pokorny auch in Erfahrung gebracht, um wen es sich bei Pichlers Geliebtem handelte. Der Mann hieß Karl Matauschek und war 22 Jahre alt. Im April des Vorjahres war er aus der Volkswehr entlassen worden und seitdem ohne Arbeitsverhältnis geblieben. Wie die beiden bislang ihren Lebensunterhalt bestritten hatten, konnte nicht eruiert werden, aber für Bronstein lag der Verdacht nahe, dass die beiden sich darauf spezialisiert hatten, arglosen Vermietern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Offenbar verlief diese Tour eine Zeit lang ganz erfolgreich, doch jede Serie kam einmal an ihr Ende. Diesmal erwies sich der Bogen als überspannt. Matauschek und Pichler würden keinesfalls weit kommen, aber sie würden für ihre Untaten fraglos lange sitzen.

      Tatsächlich begann das Netz um die beiden immer enger zu werden. Alle Beherbergungsunternehmen waren angewiesen, sofort Meldung zu erstatten, falls ein junges Pärchen bei ihnen ein Zimmer begehrte. Die Bahnhöfe wurden ebenso überwacht wie alle Hehler und Pfandleihanstalten. Und Bronstein hatte in der Galerie verbreiten lassen, dass es für Hinweise auf die beiden ein namhaftes Sümmchen geben würde. In der Tat kam am Donnerstag ein Kleinganove in das Präsidium und verlangte Bronstein persönlich zu sprechen. Nachdem dieser ihm versichert hatte, dass seine Information, so sie sich als stichhaltig erweisen würde, dem Staat tatsächlich eine ansprechende Remuneration wert sein würde, erklärte der Mann, jemand, auf den die Beschreibung Matauscheks passe, sei vor einer guten Stunde in der Leopoldstadt bei einem jüdischen Pfandleiher gewesen. Bronstein wiederholte, sollte sich diese Aussage als richtig herausstellen, werde man sich erkenntlich zeigen, und ließ den Mann stehen. Mit einem Dienstwagen fuhr er an die angegebene Adresse. Dort befand sich ein abgetakeltes Geschäft, auf dem groß der Name Mordechai Tajtelbaum geschrieben stand. Bronstein betrat den Laden, und eine Erscheinung wie aus einem antisemitischen Flugblatt tauchte unter dem Ladentisch hervor. Ein schier endloser weißer Rauschebart hing dem Mann fast bis zum Bauchnabel und verdeckte die untere Hälfte des Gesichts, während die obere durch ein schieres Wagenrad von Hut unsichtbar blieb. Die Gestalt schleppte sich mühsam auf Bronstein zu und linste den Kriminalisten unsicher an. Dabei gab sie einige Worte von sich, deren Bedeutung Bronstein verschlossen blieb. »Herr Tajtelbaum?«, fragte Bronstein.

      Die Person nickte und schickte eine neuerliche Wortfolge auf die Reise, die nun freilich anders klang. Offenbar hatte Tajtelbaum, nachdem er mit seinem ersten

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