Hölle auf zwei Rädern. Kerrie Droban
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Wir fuhren endlos lange durch kurvenreiche Wohngebiete mit trüben Straßenlaternen, bis wir bei einer kleinen Eckkneipe ankamen, die in einem Teil der Stadt lag, den ich nicht kannte. Es musste kurz nach Ladenschluss sein. Die Bar war dunkel, bis auf einen Lichtkegel, der den Tresen beleuchtete. Saint parkte in der zweiten Reihe und stieg aus. Die Fenster waren durch schmiedeeiserne Stangen gesichert, und die Eingangstür mit zentimeterdickem Blech beschlagen. Dagger gab mir ein Zeichen einzutreten, deutete auf einen Tisch hinten im Raum, an den ich mich schnell setzen sollte. Zu dieser Zeit hatten sich schon alle Gäste auf den Heimweg gemacht. Leise Musik drang aus der Jukebox.
Der Geruch von abgestandenem Bier zog in meine Nase. Ich hüpfte auf einen Drehstuhl, der so hoch war, dass meine Beine nicht mehr den Boden erreichten. Von dem scharfen Rauch brannten mir die Augen. Der Aschenbecher auf der Theke war wie die Hand eines Gorillas geformt und quoll über mit Kippen. Neben einem langstieligen, mit Lippenstift beschmierten Glas, hatte sich eine kleine Pfütze gebildet. Schatten tanzten auf der Wand. Ich hielt mich mit den Händen an der Unterseite des Tischs fest, an der ein altes Kaugummi klebte, und starrte den Besitzer an, einen gauhaarigen Italiener mit einem zusammengekniffenen, roten Gesicht. Er legte sein Handtuch hin, stellte ein Glas ins Regal, trocknete ein weiteres ab und fragte Saint und Dagger: „Womit kann ich Ihnen dienen, Gentlemen?“
Ich bemerkte ein leichtes Zittern in der Stimme. Das Glas in seiner Hand begann leicht zu vibrieren. Plötzlich schien sich der Raum elektrisch aufzuladen. Der Italiener wurde sichtlich blasser. Die kleinen Venen in seinen Wangen stachen deutlicher hervor. Niemand hatte mich auf so eine Situation vorbereitet, aber ich ahnte, was kommen würde. Angst saß mir im Nacken.
„Wir sind hier, um die Steuern zu kassieren“, sagte Dagger frei heraus. Er ließ die Knöchel seiner Hand knacken und schob die Weste leicht zur Seite. Eine Pistole steckte im Gürtel. Der Mann schluckte. Sein Adamsapfel zuckte nervös von unten nach oben. Die Pagans arbeiteten für die Mafia und trieben Geld von Barbesitzern, Kleinkriminellen und Drogengangs ein. Sie waren die „großen, harten Jungs“. Der Mafiosi Ralph Natale sagte einmal: „Wenn die Pagans in einem Club auftauchten, schüchterte das sogar die anderen Kriminellen ein. Die Pagans waren überall an der Ostküste zu finden – kontrollierten Nutten, Pornoringe, das Drogengeschäft und die Schutzgelderpressung. Und sie hatten überhaupt kein Problem damit, zu morden, wenn sie mal so weit gehen mussten.“
„Ich habe schon bezahlt.“ Der Besitzer setzte eine unschuldige Miene auf. Trotzdem zuckte ein Muskel in seinem Gesicht. Ich spürte die Anspannung wie eine Welle, die über mich hinweg schoss.
„Sagt wer?“, fragte Saint. Sein Blick war kalt, eiskalt, und ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmte.
„Giovanni“, entgegnete der Italiener.
„Was denkst du?“, knurrte Saint in meine Richtung. „Sollen wir Giovanni fragen?“
„Das kann nicht schaden“, antwortete ich und dachte, dass der Barbesitzer sich wie ein Ochse verhielt.
Dagger zuckte mit den Schultern. „Wir werden Giovanni fragen.“ Er schüttete sein Bier in einem langen Zug runter und rülpste. Ich hatte keine Ahnung, wer Giovanni war, mutmaßte aber, dass es der Mafiosi sein musste, der Dagger damit beauftragte, die ganzen ausstehenden Steuern zu kassieren. Damals konnte ich nicht verstehen, wieso der Italiener so leichtfertig und dumm log. Heute weiß ich warum: er wollte Zeit schinden. Sein Schicksal war längst besiegelt – er war schon jetzt ein toter Mann. Er hatte die Steuern nicht gezahlt und besaß kein Geld. Da konnte er nicht mit einer einfachen Entschuldigung oder mit irgendwelchen Ausreden um die Ecke kommen. Er muss gewusst haben, dass man Giovanni nicht von seiner Position abbringen kann. Auch Dagger muss das gewusst haben, doch er spielte einfach mit. Hier hatte ich ein Beispiel für die Geschichte von der Wahl des richtigen Spiegels direkt vor Augen – die Wahrheit und die falsche, erfundene Story.
Auf der Oberlippe des Barbesitzers bildeten sich Schweißperlen. Eine lange Zeit sprach niemand ein Sterbenswörtchen. Der Italiener lächelte gequält, stützte sich mit den Händen auf der Theke ab und wartete.
Wir zogen ab und setzten uns in den Wagen. Dagger platzierte den Revolver im Handschuhfach. „Für den Fall, dass wir von den Bullen angehalten werden“, sagte er und gestikulierte in meine Richtung. Er wollte sich versichern, dass ich wusste, wo er die Knarre verstaut hatte. Ich fühlte mich plötzlich wichtig. Dann fuhren wir zu Giovanni.
Saint hämmerte an Giovannis Tür. Es war drei Uhr morgens. Offensichtlich hatten wir ihn aus dem Schlaf gerissen, denn er stand mit blauen Boxer-Shorts, langen, schwarzen Socken und Pantoffeln im Türrahmen. Sein Haar sah zerzaust aus. Das Gespräch dauerte ungefähr drei Minuten. Während der ganzen Zeit saß ich im Wagen. Ich konnte wildes Gestikulieren und Kopfschütteln beobachten – Giovanni kannte keine Gnade. Saint und Dagger kehrten zu unserer Karre zurück und ließen sich in die Sitze fallen.
„Er sagte, dass er nicht den kleinsten Schiss bekommen hat“, meinte Saint, ohne dass ich ihn fragte. Er drehte sich um und betrachtete mich. „Was denkst du – welcher Spiegel ist der richtige?“
„Ich weiß nicht. Ich kenne noch nicht die ganze Geschichte.“
„Gut.“ Saint lächelte. „Du lernst dazu.“ Ich gähnte, müde von dem ganzen Spielchen und wollte nur noch schlafen. Erschöpft legte ich den Kopf gegen das Fenster und schloss die Augen. Ich verstand nichts von dem, was hier abging, fühlte mich aber glücklich. Ich war in Sicherheit und fuhr zusammen mit Saint in seinem Wagen.
Wenige Tage später statteten wird dem Barbesitzer einen weiteren Besuch ab. Es war spät, schon nach der Sperrstunde. Das Gesicht des Italieners verzog sich bei unserem Anblick. Er wurde kreidebleich und versuchte die Nervosität zu überspielen, indem er geschäftig den Tresen putzte. Gehetzt blickte er in Richtung des anderen Raums. Ich fragte mich, ob er Verstärkung hatte, und setzte mich wieder auf meinen alten Platz an dem großen Tisch. Dagger pflanzte sich auf einen Barhocker und nahm sich ein Bier. Er blies die Schaumkrone direkt in das Gesicht des Italieners und malte mit dem Finger ein Bild darauf. Es ähnelte Hangman. Saint saß mir gegenüber an einem anderen Tisch. Mehrere Minuten lang wechselte niemand ein Wort. Der Italiener ließ den Putzlappen fallen und begann mit tiefen, schweren Seufzern zu weinen. Er tupfte sich die Tränen mit der Schürze ab, schluckte, schüttelte den Kopf und warf mir einen bettelnden Blick zu. Vielleicht dachte er, ich sei sein Verbündeter und könnte durch meine Anwesenheit die ihm bevorstehende Strafe abmildern.
„Du hast uns angelogen.“ Dagger nippte am Bier. Er zog den Rand des Glases mit den Fingern nach. Seine Stimme klang ruhig, fast so, als würde er sich über das Wetter unterhalten.
„Nein“, erwiderte der Italiener mit tränenerstickter Stimme, und schaute auf den Boden.
„Sehen wir so dämlich aus?“ Dagger erhob die Stimme. Mit dem Handrücken wischte er sich über den Mund und trommelte anschließend mit den Fingern auf dem Tresen.
„Nein“, stammelte der Italiener. Er legte die Schürze ab und faltete den Putzlappen in kleine Quadrate. Sein Kinn zitterte. Mein Herz raste. Daggers Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen. Sein Gesicht lief rot an. Ich hätte mich am liebsten ins Hinterzimmer verkrümelt. Völlig unerwartet war aus dem Spaß Ernst geworden.
„Was denkst du?“, fragte Dagger, seinen Blick auf mich gerichtet. „Sehen wir wirklich so dumm aus?“
Der Italiener weinte immer lauter. Ich spürte ein Kribbeln in den Händen. Mit einem krächzenden Geräusch schob Saint den Stuhl zurück. Er zog einen Eispickel aus dem Gürtel. Der Griff glitzerte im fahlen Licht. Mein Bewusstsein