Papakind. Isolde Kakoschky
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Читать онлайн книгу Papakind - Isolde Kakoschky страница 8
»Nein, gar nicht!«, antwortete die Mutter überzeugt.
»Dann kann ich es auch nicht erklären«, entgegnete der Arzt. »Wir werden Franziska zur Sicherheit eine Nacht hier behalten. Morgen früh kann sie nach Hause, wenn es ihr gut geht.«
Die Eltern nickten und der Arzt verabschiedete sich. Franz sah seine Frau an. »Nein, dass kann doch nicht sein, dass sie daran eine Erinnerung hat.«
Gudrun lehnte sich bei ihrem Mann an die Brust.
»Wir werden die Schatten der Vergangenheit nicht los.«
Franz hielt seine Frau fest. »Glaub nicht so was, alles wird wieder gut!«
4
»Willkommen in der 8. Klasse! Ich hoffe, ihr hattet alle schöne Ferien.« Herr Kollberg begrüßte seine Schüler mit freundlichen Worten zum neuen Schuljahr.
Franziska und Verena saßen wieder einträchtig nebeneinander. In den Ferien hatten sie zwei Wochen jeden Tag gemeinsam im Schwimmbad verbracht oder waren mit den Rädern unterwegs gewesen. Verena hatte tapfer ertragen, dass sich Heiner gelegentlich zu ihnen gesellte, denn sie hoffte, dass sich das ‚Problem Heiner’ alleine klären würde, wenn Heiner nun zur Oberschule gehen würde. Zumindest in der Schule hatte sie dann Ruhe vor ihm und Franzi wieder für sich alleine.
Verena hatte versucht, aus Franzi raus zu kriegen, was an dem Morgen passiert war, als sie zum Ausflug fahren wollten. Sie war ja so erschrocken gewesen, als der Bus an ihrer Haltestelle ankam und Franzi nicht da war. Und dann hieß es, sie liegt im Krankenhaus! Aber die Freundin konnte sich selbst kaum erinnern und erklären konnte sie sich ihren Zusammenbruch so wenig, wie früher ihre Angst vor Zügen und Straßenbahnen. Doch ein paar Tage später war es ihr wieder gut gegangen und nun war das Ereignis für sie abgehakt.
Ihre Gedanken gingen in die Zukunft. In diesem Jahr würde entschieden, wer aus der Klasse zur Oberschule wechseln durfte. Das war natürlich Franzis großes Ziel, schon allein deshalb, weil Heiner jetzt dort war. Zwar hatte sie im Ferienlager einen anderen Jungen kennen gelernt, an den sie manchmal dachte, aber der war jetzt noch weiter weg als Heiner.
Franzi war auch wieder bei den Großeltern gewesen. Doch der Opa hatte diesmal für sie gar keine Zeit gehabt. Die ganze Woche über hatte er in der Gartenanlage geholfen, einen neuen Zaun zu setzen. Seine Erfahrungen als Schlosser kamen dabei gut an. Das Seltsame war nur, dass er ja dort gar keinen Garten hatte. Ihre Freundin Gabi konnte es auch nicht erklären, aber sie verriet ihr, was sie von den Eltern gehört hatte. »Der Paul ist schon ein alter Schwerenöter!«, hatte die Mutter zum Vater gesagt. Nur was das war, wusste das Mädchen auch nicht.
»Weißt du, was ein Schwerenöter ist?« schrieb Franzi auf einen Zettel und schob ihn Verena zu. Verena las die Frage und grinste. Dann schrieb sie groß »JA« drunter und schob den Zettel wieder zurück. »Und was ist es denn nun?« tuschelte Franzi der Freundin zu. Da stand Herr Kollberg neben ihnen. »Es reicht, Franziska und Verena, ihr könnt in der Pause weiter schwatzen, jetzt ist Unterricht!« Die Freundinnen guckten schuldbewusst und Franzi ließ blitzschnell den Zettel in der Hosentasche verschwinden.
Als es zur Pause klingelte, zog Franziska die Freundin in eine Ecke. »Und was denn nun?« Sie wollte das jetzt wissen. Verena grinste schon wieder. »Du hast wohl gar keine Ahnung! Das ist ein Kerl, der gleich mehrere Freundinnen hat.«
Franzi guckte ungläubig. »Das kann nicht sein. Mein Opa ist doch mit Oma verheiratet, der hat nicht mehrere Freundinnen!«
»Na dann glaubst du es eben nicht! Frag doch wen anders!« Verena war beleidigt. Da war sie einmal schlauer als die kluge Franzi und dann glaubte die ihr nicht!
Im Herbst feierte Franziska ihren 14. Geburtstag. Das war so ein bisschen wie erwachsen werden. Kurz vorher hatte sie ihren ersten Personalausweis bekommen. Nun war sie ganz offiziell ein eigenständiger Mensch, nicht mehr das bei Vater und Mutter eingetragene Kind. Die Geldböse aus echtem Leder, die ihr der Vati geschenkt hatte und in die auch der Ausweis hineinpasste, trug sie von nun an immer bei sich. Von Heiner hatte sie einen Pralinenkasten bekommen. Auch da fühlte sie sich ganz als Frau, das war doch was anderes als Milchschokolade mit Sandmannbild drauf!
Da sie sich nun in der Schule ja nicht mehr sahen, trafen Franzi und Heiner sich oft am Nachmittag, entweder zum Schwimmen oder beim Zeichenkurs, manchmal aber auch in dem kleinen Wäldchen am Rande der Stadt. Sie liefen dann Hand in Hand hinunter zum Teich und fütterten die Enten.
Eines Tages gingen sie einen schmalen, wenig benutzten Pfad, als Heiner plötzlich stehen blieb und Franzi festhielt. Im ersten Moment glaubte sie, er wolle ihr etwas zeigen. Hier gab es mitunter Milane zu sehen, die auf den nahen Feldern auf Mäusejagd gingen. Doch Heiner zog sie mit festem Griff ganz nah an sich heran. Franzi wusste später selbst nicht mehr, ob sie versuchte, sich gegen das zu wehren, was er vorhatte, doch wahrscheinlich war sie viel zu überrascht, als er seine Lippen auf ihre drückte. Sie spürte seine nasse Zunge und presste ihren Mund fest zusammen. Da hatte es schon ab und zu Zärtlichkeiten gegeben, ein Küsschen auf die Wange oder Streicheln, aber das, was er da jetzt mit ihr tat, das wollte sie nicht, noch nicht. Franziska riss sich los und lief den Berg hoch so schnell sie konnte.
»Franzi! Warte doch!«, rief Heiner ihr hinterher. Aber um nichts in der Welt hätte sie jetzt gewartet. Sie rannte, bis sie auf der belebten Hauptstraße angekommen war. Als sie die Bushaltestelle erreichte, kam ein Linienbus, sie sprang hinein, ohne zu wissen, in welche Richtung er eigentlich fuhr. Ihr war jede Richtung recht, wenn es nur von hier weg war. Am nächsten Morgen in der Schule berichtete sie Verena, was passiert war.
»Da siehst du es«, bekräftigte die Freundin ihre Meinung, »der Kerl ist ein Schwein! Du wirst ihn doch jetzt nicht wieder treffen?« Verena sah Franzi fragend an.
»Ich weiß nicht«, druckste Franzi rum. Eigentlich fehlte er ihr ja jetzt schon. Aber ein bisschen musste er schmoren, damit er wusste, dass er sie nicht ohne ihren Willen zu etwas zwingen durfte.
Am Nachmittag kam Alexander aus der Schule und brachte einen Brief mit.
»Für dich«, sagte er zu seiner Schwester. »Den hat mir so ein Typ von der Oberschule gegeben.« Alexanders Schule grenzte direkt an die Oberschule
an. »Der hat gefragt, ob ich dein Bruder bin und gesagt, ich soll den Brief nur dir geben und keinem was sagen.«
»Danke, Alex!« Franziska drückte ihrem Bruder ein Bonbon in die Hand. »Lässt du mich mal kurz allein?«
»Klar doch, ich bin ja nicht von gestern«, erwiderte Alex und stapfte in Richtung Garten.
Franzi öffnete den Brief. Sie wusste, dass er nur von Heiner sein konnte und las: »Liebe Franzi, bitte entschuldige, was gestern war. Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich möchte dir nur gerne so nahe wie möglich sein. Aber ich kann auch noch warten, wenn du das nicht willst. Aber bitte sei mir nicht mehr böse. Ich warte am Sonnabend im Hallenbad auf dich. Ich habe dich sehr gern! Dein Heiner« Franzi faltete das Blatt wieder zusammen und schob es unter ihre Matratze. Es wäre sicherer gewesen, den Brief in den Ofen zu werfen, aber sie wollte ihn nicht vernichten, er war so lieb geschrieben, dass es in ihrem Bauch kribbelte, wenn sie ihn las. Aber die Eltern mussten das nicht unbedingt wissen.
Als Franziska und Heiner