DSA: Rabenbund. Heike Wolf

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу DSA: Rabenbund - Heike Wolf страница 8

DSA: Rabenbund - Heike Wolf Das Schwarze Auge

Скачать книгу

die Karinor oder einer der Verschwörer aus den Katakomben hatte seine Spur aufgenommen. Dann war dieses Druckmittel verloren und dieser Unterschlupf nicht mehr sicher.

      Said warf einen raschen Blick über die Schulter, aber das vertraute Kribbeln, das sich einstellte, wenn Gefahr drohte, blieb aus. Dennoch sollte er sich hier nicht länger als notwendig aufhalten.

      Said wartete einen Moment, um sicher zu gehen, dass nicht gerade jemand zufällig an dem Verschlag vorbeikam. Dann stahl er sich hinaus und tauchte erneut ein in das bunte Treiben der Gassen. Es war nicht schwer, in der Menge zu verschwinden. Al’Anfa hatte über die Jahrhunderte Gestrandeten aus aller Herren Länder eine Zuflucht geboten, sodass sich die Völker vermischt hatten und es kaum noch etwas gab, wonach sich die Leute umgedreht hätten, weil es seltsam und fremd gewesen wäre. Glutäugige Tulamiden gab es ebenso wie Nachfahren güldenländischer Eroberer, Waldmenschen und Mischlinge jeder Art, selbst dunkelhäutige Hünen, deren Ahnen noch Thorwalerblut in sich getragen haben mochten, und Utulus mit hellen Augen, die schon vor Generationen den Sklavenstatus abgestreift hatten.

      Die Kleidung, die der Paligan ihm gegeben hatte, war sauber, aber einfach und zweckmäßig, sodass niemand Said Beachtung schenkte, während er sich durch die Gassen treiben ließ und einen der schmalen Aufgänge emporstieg, die in die Abbruchkanten des Berges geschlagen waren, um die Ebenen der Stadt miteinander zu verbinden.

      Der Schlund lag nicht unmittelbar am Hafen wie die anderen Elendsviertel, sondern weiter oben am Hang. Die rußgeschwärzten Ruinen verrieten, dass das Quartier einst wohlhabend gewesen sein musste, ein ähnlicher Ort wie die Grafenstadt, wo auch Amato Paligan seine Villa unterhielt. Vor einigen Jahrzehnten hatte hier ein furchtbarer Feuersturm gewütet, der das ganze Viertel vernichtet und von dem alten Glanz nur trostlose, verkohlte Mauern übriggelassen hatte, über denen noch immer ein leichter Brandgeruch lag. Anders als in den Brabaker Baracken gab es hier keine Mietskasernen. Wer hier lebte, hatte sich aus altem Mauerwerk, rohem Holz und Palmwedeln einen Unterschlupf gebaut oder hauste in einem der zerfallenen Hinterhöfe, in denen wild sprießende Blumen und Schlingpflanzen die Ruinen mehr und mehr zurückeroberten. Dazwischen fanden sich immer wieder fast intakte Häuser oder solche, die man allen Widrigkeiten zum Trotz wieder aufgebaut hatte, auch wenn der Schlund kein Ort mehr war, der dazu einlud, länger zu verweilen. Während die Baracken am Hafen all jene aufnahmen, die das Meer in die Stadt spülte, so hausten hier diejenigen, die geblieben waren und ihr Auskommen im Schatten der Rabenstadt gefunden hatten – Diebesbanden und Schläger, die ihre Fäuste an jeden verkauften, der nur genug zahlte, Hehler, Schutzgelderpresser und ehemalige Söldner, die verkrüppelt auf den Stufen ehemals herrschaftlicher Villen hockten und Vergessen im Rauschkraut suchten.

      Im Gegensatz zu den anderen Stadtteilen lagen die Gassen unter der Hitze fast ausgestorben da. Das Surren von Fliegen und Moskitos hing in der flirrenden Luft. Stimmen drangen aus einer Taverne im Schatten schimmliger Palmwedel, und ein paar Häuser weiter spielte jemand auf einer Handtrommel den Takt zum eintönigen Gesang einer alten Frau.

      Als Said in den Schatten des Durchgangs trat, der zum Hinterhof führte, wo Rurescha und er zuletzt untergekommen waren, fing sein Blick einen Herzschlag lang den eines alten Mannes, der schon beim letzten Mal hier gesessen hatte. Seine schwärenden Beinstümpfe hatte er vor sich auf einer feuchten Strohmatte ausgestreckt, ohne sich um die Fliegen zu scheren, die wie ein wimmelndes Tuch aus schwarzen Leibern über die zerstörten Gliedmaßen krochen. Sein Haar war schlohweiß, und sein Gesicht war von unzähligen Falten und Grübchen durchzogen, dass er Said fast an die alte Geschichtenerzählerin erinnerte, die in Meister Darjins Haus gelebt hatte. Die Augen unter den buschigen Brauen hingegen wirkten klar und kalt. Unverhohlen musterte er Said, ohne ein Wort zu sagen, und folgte ihm mit seinem Blick, sodass er sich zwingen musste, sich nicht umzudrehen.

      Ein ungutes Gefühl legte sich um Saids Nacken, während er die wackeligen Stufen emporstieg, die zu der Kammer hinaufführten. Etwas stimmte nicht, aber es war zu spät, um einen anderen Weg zu wählen. Wenn ihn jemand erwartete, dann hatte man ihn ohnehin längst entdeckt.

      Seine Sinne waren zum Zerreißen gespannt, als er die Bretter beiseiteschob, die eine behelfsmäßige Tür abgaben. Der Hinterhof gehörte zu einem ehemals prachtvollen Haus, von dessen rückwärtigen Zimmerfluchten nur die rußverschmierten Mauern stehengeblieben waren. Im Erdgeschoss hatte sich eine ehemalige Gladiatorin eingenistet, die von sich behauptete, die Hausherrin zu sein, und im oberen Stockwerk Verschläge aus Flechtwerk und Stoffbahnen vermietete. Die Kammer, die sie Said und Rurescha überlassen hatte, lag in eine Mauernische geduckt und war sogar recht geräumig, wenn man von dem mit morschem Holz notdürftig zugedeckten Loch absah, wo der Fußboden eingebrochen war. Licht sickerte durch den schmutzigen Stoff, der Hitze und Regen notdürftig abhielt, und offenbarte im Halbdunkel zwei Lager und daneben eine Tasche, in der Said sein spärliches Hab und Gut verstaut hatte. Der Geruch von Rauchkraut und Arangen hing in der Luft, der unter dem Tuch unangenehm stickig war.

      Misstrauisch sah Said sich um. Es war alles, wie er es an dem Abend verlassen hatte, als er aufgebrochen war, um in Gilia Bonareths Gemächer einzusteigen. Nichts deutete darauf hin, dass Rurescha den Beschützer hierhergebracht hatte, auch wenn sie zwischendurch hier gewesen sein musste.

      Said trat an das Lager heran und ging in die Hocke, um nach der Holzschale zu greifen, die er der Maraskanerin vor einigen Monden geschenkt hatte. Sie war gefüllt mit frischen Arangenschalen. Eine Wolke feiner Fliegen stieg von den Fruchtresten auf und eine schwarzschimmernde Schabe huschte eilig davon. Die Schnittkanten der Arangenschalen waren gerade erst angetrocknet, sodass es keine Stunde her sein mochte, seit jemand hier gewesen war. Und es war sicher kein Häscher der Karinor.

      »Du bist zurück.«

      Said erstarrte, als er Rureschas Stimme hinter sich hörte. Langsam stellte er die Schale zurück und drehte sich um.

      Die Maraskanerin stand in der Tür. Grelles Mittagslicht umfloss ihre sehnige Gestalt, sodass er ihr Gesicht nur erahnen konnte. Das Haar trug sie zusammengebunden und über der Schulter die Tasche aus fleckigem Leinen, in der sie ihre Habseligkeiten mit sich herumtrug. Ihre Füße steckten in weichen Sandalen, vermutlich hatte er sie deshalb nicht gehört.

      »Es tut mir leid, dass ich dir nicht Bescheid geben konnte«, sagte er, und tatsächlich fühlte er sich erleichtert, sie unversehrt zu sehen. Auch wenn es eine Reihe von Fragen gab, auf die er dringend eine Antwort haben musste, war es gut zu wissen, dass sie noch da war. »Die Häscher der Karinor hätten mich fast erwischt. Ich hatte Glück, aber es hat einige Zeit gedauert, bis ich wieder auf den Beinen war.«

      »Ich habe es mir gedacht.« Er meinte, ein Lächeln zu erkennen, als sie nähertrat. Sie hob die Hand an seine Wange, suchte seinen Blick. Die Berührung war ebenso vertraut wie der Geruch nach Mohacca, der sie umgab, und doch war etwas in ihren Augen, was anders war als sonst.

      »Ich habe dich vermisst, Saidjian«, flüsterte sie, während sie den Kopf hob, um ihn zu küssen. Ihre Fingerspitzen strichen über die Hebung seines Wangenknochens, gruben sich in sein Haar. Er spürte ihren warmen Atem auf den Lippen, als sie den Mund einen Spalt weit öffnete, um ihn willkommen zu heißen, erleichtert und voller Sehnsucht nach den Tagen der Ungewissheit.

      Said schloss die Augen. Er wollte sie nicht küssen, sie mussten reden, über den Gefangenen, die Karinor, und auch über sich und darüber, wie es nun weitergehen sollte. Doch sein Vorsatz zerstob, als er ihre Lippen auf seinen spürte, die Zungenspitze, die sich nicht neckend wie sonst, sondern zielstrebig ihren Weg bahnte. Überrascht nahm er den Kuss auf, erwiderte ihn, während er zu verstehen versuchte, was sich verändert hatte. Zuletzt hatten sie nebeneinanderher gelebt wie Fremde, zu gefangen in ihrer Enttäuschung, um aufeinander zuzugehen. Vielleicht war es die Einsamkeit, die Rurescha daran erinnert hatte, dass sie einmal zwei gewesen waren. Seine Überlegungen schweiften ab, verloren sich in einem Moment plötzlichen Verlangens, als sich die Maraskanerin dicht an ihn heranschob, sodass er die harten Spitzen ihrer

Скачать книгу