Das skurrile Leben der Myriam Sanders. Melanie Müller
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«Hat sie dir verraten, was sie gesehen hat, Annie?»
Sie ignoriert die Frage. «Sie sagte, ich solle sie ‚Mistress‘ nennen.» Sie kichert albern. «Mistress.»
Myriam bereut, sie mitgebracht zu haben. Dieser Ort ist zu intensiv für sie.
«Versuch einfach deinen Kopf bei dir zu behalten und bleib in meiner Nähe!» Myriam winkt den Barkeeper herbei und bestellt einen Scotch für sich und ein Wasser für Annie.
Während sie warten, schaut sie sich um. Myriam taucht in einen Ort voller heißer Rhythmen und erotischer Stimmung ein. Der Clubbereich, eine Tanzfläche mit DJ, am Rand einzusehende Separees, offene Liegeflächen, drei Bars. Zu aller erst fallen ihr die Menschen auf, die auffällig gekleidet sind. Von Lack und Leder, bis hin zu Masken, die sie so noch nie gesehen hat, nackte Brüste und offene Hosenschlitze, zelebrierter Techno, Hedonismus und Fetisch, sehr hippe, schöne Menschen. Auffällig ist die große Anzahl junger Frauen. Selbstbewusst beanspruchen schon Anfang zwanzigjährige ihren Platz bei dieser Sex-Party. Adaptionen aus der SM-Szene sind dabei ganz offensichtlich: Hundehalsbänder und Lederharnesse sieht Myriam. Rund 20 junge Frauen folgen auf die Tanzfläche, und schon kurz nach der Ankunft wälzen sich im Wechsel immer mindestens fünf von ihnen nackt auf dem nahestehenden Bett der Gastgeberin. Einige stürzen sich förmlich aufeinander, irgendwann scheint es fast egal, wer wen küsst, leckt, fingert. Andere schauen nur etwas überrascht zu, doch alle scheinen sich wohlzufühlen. Man ist ja, irgendwie, unter sich.
In den vielen kleinen Separees am Rand wird gechillt, gefummelt, gevögelt. Tanzen, vögeln, sich frei machen.
Auf den Treppen neben der Bar sitzen zwei junge Mädels und lassen sich parallel von zwei Typen lecken. Mit all den winzigen Räumen, bestückt mit Sofas, Emporen und sogar einem Beichtstuhl, ist die Location ideal, um halb versteckt, halb öffentlich Finger zwischen Beinen und Zungen in drei verschiedenen Mündern verschwinden zu lassen. Im Beichtstuhl wird lautstark gevögelt und der Vorhang wippt im Takt. Vor Myriam hat sich ein Mädel tanzend auf ein Podest verzogen, da kommen plötzlich drei leicht bekleidete Mädels und machen einfach mit. Lautstark stimmen sie sich ab, wer als nächste mit der Tanzenden vögeln darf. Myriam hat schnell verstanden, dass man sich hier so zeigt, wie man will. Es wird, egal, was man tut, dir dabei zugesehen. Alle, die dort hinkommen, sind nur da, um zuzusehen oder zusehen zu lassen. Um Sex, den andere Menschen miteinander haben, direkt zu beobachten, oder davon angestachelt zu werden, dass andere zuschauen. Und um vielleicht auch irgendwie Teil von der Sache zu werden.
Myriam fühlt plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter. Sie ballt die Faust, aber als sie sich umdreht, steht Noemi da. So schön wie heute Mittag, nur dass sie jetzt einen rot-schwarzen Latexanzug trägt. Ein Teufelsschwanz schwingt hinter ihr. Auf den ersten Blick könnte man es als einen Teil des Anzugs ansehen, aber beim zweiten Blick erkennt man, dass er an einem Analplug befestigt ist, der durch eine mit Reißverschluss versehene Klappe im Anzug in sie hineingeschoben wurde und einen einfachen Zugang ermöglicht.
Sie lächelt. «Du hast es geschafft», sagt sie.
«Ja, das habe ich!» Myriam verspürt einen Anflug von Wut, aber sie ist irgendwo in ihren wunderschönen grünen Augen verschwunden. «Du hättest mir sagen können, dass dies eine versaute Sexparty ist. In diesem Club ist das normalerweise nicht üblich. Ich meine, hier finden «normale» Partys statt.»
Noemi tritt dicht an sie heran und reibt sich mit ihrem in Latex gewickelten Bein an der Innenseite von Myriams Oberschenkel.
«Es tut mir so leid, Frau Sanders», sagt sie und legt ihre Hände auf die freigelegte Öffnung, die einen Blick auf ihre Muschi gewährt.
«Ich brauche dich so sehr und ich war mir nicht sicher, ob du kommen würdest, wenn du gewusst hättest, wohin ich dich einlade. Wir sind hier auch nicht im Hauptclub, sondern im Kellergewölbe, unterhalb des offiziellen Ambientes. Dies ist der innere Zirkel.»
«Ich würde immer kommen», sagt Myriam. «Und hätte das Kind einfach nicht mitgebracht.»
«Kind?», fragt sie, «Welches Kind?» Myriam dreht den Kopf und Annie ist weg.
«Verdammt! Wo ist sie geblieben, ich habe ihr doch gesagt, dass sie in meiner Nähe bleiben soll!» Myriam grummelt. Sie will ihr nachgehen, aber Noemi stoppt sie.
«Es ist keine Zeit! Die Show beginnt», sagt sie. «Schau nur!»
Als sie das sagt, werden die Lichter gedimmt. Der Lärm verstummt. Plötzlich durchfährt ein intensiver weißer Lichtstrahl die Dunkelheit. Er endet auf der Bühne und entzündet dort ein Feuer. Die letzten Tänzerinnen klettern hinunter und zerstreuen sich in der Menge, vermutlich um mit Peitschenhieben versohlt und von Verrückten gevögelt zu werden.
Eine einsame Frau tritt aus der Dunkelheit. In ein schwarzes Gewand gehüllt, verliert sich ihr Gesicht in dem Schatten unter ihrer Kapuze, trotz des intensiven Lichts, in dem die Bühne badet. Sie streckt die Arme aus und beginnt zu sprechen. Ein harter Strom von Konsonanten. Myriam ist klar, dass es ein Zauber oder eine Beschwörung sein soll. Die Frau geht plötzlich in Flammen auf! Anstatt zu schreien und zu Boden zu fallen, wie es jeder andere tun würde, steht sie mit ausgestreckten Armen auf der Bühne. Ihre Robe verbrennt und verschwindet in den Rauchwolken.
«Das ist Antonia Moretti», flüstert Naomi.
So schnell die Flammen erscheinen, lösen sie sich auch wieder auf. Schließlich steht Antonia Moretti ganz nackt mit ihren üppigen Brüsten und einer straff glänzenden bronzenen Haut stolz vor den Menschen. Das Publikum brüllt vor Begeisterung. Ordentlicher Trick.
Myriam klatscht.
«Der Schlüssel! Im VIP-Raum, oben», flüstert Noemi ihr ins Ohr. «In einer Glaspyramide.»
Dann verschwindet sie in der Menge. Myriam steht alleine an der Bar, Annie weg und unauffindbar und Noemi im Gewühl untergetaucht. Myriam umklammert ihren Drink. Myriam hat beide aus den Augen verloren.
«Meine Damen und Herren, alle jenseits und dazwischen!» Antonia Morettis Stimme verstärkt sich von irgendwoher, als sie deutlich über den Lärm hinweg zu hören ist. «Heute Abend gibt es keinen Himmel und keine Hoffnung! Heute Abend sind wir alle verdammt! Trinkt, fickt und seid fröhlich, denn alle morgigen Partys beginnen - jetzt! Bringt den ersten Tribut hervor!»
Antonia tritt einen Schritt zurück und setzt sich auf den Thron. Mit ihrem Alabasterkörper sieht sie wie die dominierende Unterweltkaiserin aus, die sie ist. Noemi sticht mit einer Krone aus goldenen Dornen aus der Menge hervor, mit einem großen Smaragd in der Mitte zwischen zwei langen dämonischen Hörnern. Sie klettert die Stufen hinauf und senkt die Krone auf Antonias Kopf, wo sie sodann auf ihrem pechschwarzen Haar ruht.
Die gekrönte Kaiserin deutet auf den Boden. Noemi sinkt auf die Knie, beugt sich dann vor, küsst und leckt die Füße ihrer Geliebten. Rechts von der Bühne erscheint die Domina, die ihren Daumen in Annies Mund geschoben hatte, und nicht weit dahinter folgt eine nackte junge Frau. Auf Händen und Knien, wie ein Haustier auf allen Vieren und mit einem eigenen Lederhalsband. Aber anstatt sich von Voodoo-Magie leiten zu lassen, wird sie von einer Kettenleine geführt, die sich um die Faust der Domina wickelt und von hinten gepeitscht. Völlig überrascht und fassungslos geht Myriam einen Schritt vor, um besser zu sehen, aber in einer Menge wie dieser, ist das schwierig. Da oben auf der Bühne, mit der Masse menschlicher Körper zwischen ihnen, hätte die junge Frau genauso gut auf dem Mond sein können.
Noemi blickt einen