Das skurrile Leben der Myriam Sanders. Melanie Müller

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Das skurrile Leben der Myriam Sanders - Melanie Müller

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Mit ihrem heimlich gesparten Geld hatte sie sich vor zwei Tagen ein Auto gekauft. Jedoch nicht angemeldet. Es lief noch auf den Vorbesitzer.

      «Emma, bist du da?»

      «Natürlich, Noemi, ich habe sehnsüchtig auf dich gewartet. Ich hatte solche Angst, dass du erwischt wirst!»

      Die beiden Frauen fallen sich in die Arme, Noemi kann nicht anders, als zu weinen.

      Endlich frei! Endlich frei! Nie mehr ein Halsband. Das weiß ich, auch wenn es nicht magisch sein sollte. Nie mehr eine Sklavin und nie mehr anderen Frauen zu Willen sein.

      «Ist der Wagen vollgetankt?»

      Emma nickt. «Süße, pass auf dich auf. Willst du mir nicht doch sagen, wohin du fahren willst?»

      «Nein, je weniger du weißt, desto sicherer bist du. Ich möchte nicht, dass dir die Morettis das Lebenslicht ausblasen.»

      «Okay, pass auf dich auf!»

      «Ja, mach ich!» Noemi lächelt, umarmt Emma noch einmal, dreht sich um und steigt in den Wagen. Emma hatte ihn bereits fertig gepackt.

      Noemi! Jetzt muss ich mich an einen anderen Namen gewöhnen und Noemi vergessen. Carmen Cravetta.

      Sie sagte ihn leise vor sich hin: «Carmen Cravetta, Carmen Cravetta, Carmen Cravetta.» Jedesmal wird sie ein wenig lauter.

      «Ja, genau! Jetzt kommt Carmen Cravetta mit ihrem neuen Leben. Jetzt erobere ich die Welt und niemand sagt mir mehr, was ich tun soll. Jetzt hören alle auf mich!»

      Sie tritt das Gaspedal fest durch und fährt Richtung A2. Sie will nach Hamburg. Dort hat sie eine Passage auf einem Frachter gebucht, der heute Abend nach Ecuador ausläuft. Die Autofahrt wird ungefähr drei bis vier Stunden dauern. Wenn kein Stau dazwischen kommt, wird sie rechtzeitig am Hamburger Hafen sein und pünktlich ihr Schiff besteigen. Und dann auf Nimmer Wiedersehen, Antonia! Und du wirst mich nicht finden, denn die Papiere habe ich nicht bei deinen Handlangern anfertigen lassen. Sondern bei deinen Gegnern! Ha, du findest mich nicht, niemals im Leben wirst du mich finden. Und wenn ich genügend Beweise gegen dich gesammelt habe, werde ich dich vernichten!

      Ah, das fühlt sich gut an.

      Noemi Moretti alias Carmen Cravetta lacht und ist guter Dinge.

      Die drei Wochen Überfahrt werde ich genießen.

      Partytime

      Myriam ist sehr neugierig geworden und klappt am nächsten Morgen in ihrem Büro ihren Laptop auf und gibt in die Suchmaschine Erotik Clubs in Berlin ein. Das Ergebnis hatte sie nicht erwartet.

      So viele Clubs! Ich muss zugeben, bisher habe ich mich mit dem Thema nicht beschäftigt, aber nach dem Erlebnis mit und durch Noemi, bin ich neugierig geworden. Na ja, mal schauen, was ich tue.

      Myriam ruft eine Freundin an: «Hallo, Nadine!»

      «Hallo Myriam! Lebst du auch noch? Habe lange nichts von dir gehört!»

      «Hatte viel zu tun, und musste dafür sorgen, dass ich genug Knete verdiene!»

      «Und was verschafft mir die Ehre deines Anrufes?»

      «Hast du Lust, mich in den KitKat-Club zu begleiten? Dort findet eine Fetischparty statt.»

      «Was willst du auf einer Fetischparty? Du warst doch noch nie dort und wolltest das auch nicht kennenlernen!»

      «Ich habe meine Meinung eben geändert! Also, kommst du nun mit oder muss ich mir eine andere Begleitung suchen?»

      «Nein, nein, das ist super, ich begleite dich gerne!»

      «Okay, ich hole dich um 21 Uhr ab. Du wohnst doch noch auf der Erich-Steinfurth-Straße?»

      «Ja, Hausnummer 21! Ich freue mich!»

      Nachdenklich legt Myriam ihr Telefon zur Seite. Sie beschließt, Feierabend zu machen und nach Hause zu fahren. Dort füllt sie ihren Schlafvorrat auf und schläft tief und fest bis um 18 Uhr.

      Erfrischt steigt sie aus ihrem Bett und überlegt, was sie anziehen soll. Es muss auffällig sein, darf nicht bieder wirken.

      Da werde ich schon fündig werden!

      Myriam durchwühlt ihre Schublade mit den Dessous und findet eine schwarz-rote Corsage mit Strapsen, die ihre Brüste gut zur Geltung bringen. Passende schwarze Spitzenstrümpfe findet sie auch. Dazu die roten High-Heels, ein kurzer, schwarzer Lederrock und darüber nur ihren langen schwarzen Mantel mit Kapuze. Das ist perfekt. Nun noch das Make-Up. Sie tuscht sich die Wimpern und malt sich Smokeyeyes. Ihre Lippen zieht sie mit einem kirschrotem Lippenstift nach und verwendet einen Hauch Goldpulver auf ihren Wangen.

      Fertig, Perfekt. Ein Blick in den Spiegel macht sie sehr zufrieden. Der Abend wird geil!

      Ihre Absätze klappern, als sie den Flur entlang schreitet, steigt in ihr Auto und fährt zu Nadine. Sie wartet schon am Straßenrand und steigt zu Myriam ins Auto.

      Am KitKat finden sie sofort einen Parkplatz und die beiden Frauen steigen aus.

      Nervös gehen die beiden Frauen auf die zwei großen, roten Metalltüren zu. Drei junge Männer in Jeans und dunklen Pullovern werden gerade von der streng anmutenden Selekteurin des BDSM Clubs sorgfältig gemustert. Aufgrund ihrer zu unauffälligen Kleidung bittet sie die Männer freundlich, aber bestimmt zu gehen. Die Türpolitik des KitKat Clubs oder Kitty, wie es in der Szene genannt wird, gilt als sehr streng. Auffällige und freizügige Kleidung ist Voraussetzung. Der Dresscode ist laut Eigenaussage «geschlechtsbewusst». Auch Myriam und Nadine, in ein schwarzen Gothikkleid gehüllt, werden von Kopf bis Fuß gemustert. Aber dann bereitwillig eingelassen.

      Innen angekommen, gibt es im Eingangsbereich die Möglichkeit, sich umzuziehen. Wer direkt von der Arbeit herkommt, bringt einfach seine Wechselsachen mit und zieht sich direkt vor der Kasse und Garderobe um. Der vordere Teil des BDSM-Clubs ist, im Vergleich zum Rest, sehr hell, mit alten Holzdielen, Betten und Sofas, einem beleuchteten Pool und einer kleinen Bar ausgestattet.

      In der einen Ecke sitzt ein älterer Mann, so, wie Gott ihn schuf, in einem Rattan-Korbsessel und spielt fröhlich an sich herum. In der anderen Ecke unterhalten sich zwei Frauen in Netzoberteilen und Mini-Latexröcken auf einem weißen Bett und trinken Champagner. An der Bar mixen halbnackte Barkeeper Drinks, die durch gedimmte Lampen, die überall an den Wänden angebracht sind, im Dunkeln leuchten. In allen Räumen sind mit kräftigen Neonfarben kleine, anzügliche Kunstwerke an die Wände gemalt.

      Myriam und Nadine setzen sich an die Bar, bestellen zwei Gläser Single Malt und schauen sich das bunte Treiben aus nächster Nähe an. Auf der Tanzfläche im Hauptbereich des BDSM-Clubs feiern die unterschiedlichsten Menschen zu Trance-, House- und Elektro-Musik zusammen. Etwa 3000 Besucher kommen durchschnittlich übers Wochenende ins Kitty – von der Krankenschwester über den Manager und Rechtsanwalt bis hin zu Schwulen, Lesben, Lackfetischisten, Pornostars und Promis ist alles dabei. Nicht, um gesehen zu werden, sondern vor allem, um Spaß zu haben.

      Myriam fällt sofort ein nacktes, älteres Ehepaar auf, das in ihrem Tanzrausch die Hälfte der Tanzfläche für sich einnimmt. Dicht daneben haben mehrere Männer in Korsetts, High Heels, Latexkostümen und bunten String-Tangas einen Kreis um eine junge Frau gebildet. Sie trägt einen Lack-Leder-Bikini und tanzt hingebungsvoll

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