Exentanz. Stephan Steinbauer

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Exentanz - Stephan Steinbauer

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stand Josefine nun in ihrem leichten blauen Sommerkleid und wirkte etwas ratlos. Kein Schiff nach Hvar heute. Von ihren früheren Urlaubsreisen mit ihrer Mutter war sie Besseres gewohnt. Geblendet beobachtete sie das glitzernde Spiel der Wellen um die Mole und die knapp über dem Wasser segelnden Möwen, die nach dem silbrigen Bauch eines toten Fisches schnappten, der zwischen faulenden Melonenschalen dümpelte. Ein alter Dodge blubberte an ihr vorbei.

      Sie ging zurück zu ihrem Freund, der die Koffer bewachte. Joseph Hofstätter, 24 Jahre alt, aus Wien und Doktor der Rechtswissenschaft, entsprach keineswegs den Vorstellungen, die Josefines Mutter von einem künftigen Schwiegersohn hatte. Er stammte aus einfachen Verhältnissen und hatte weder den Ehrgeiz, der High Society anzugehören, noch das Bestreben, besonders reich zu werden. Zu Geld hatte er keine Beziehung. Josefines Millionenerbe betrachtete er eher als hinderlich. Wäre sie ein »einfaches« Mädchen gewesen, hätte er sie schon vor Monaten zu seiner Geliebten gemacht. Damals, als er mit nichts als nur zwei alten Koffern voller armseliger Klamotten aus Wien nach Frankfurt kam, um hier seine Arbeitsstelle anzutreten, war Josefine noch die arrogante, anspruchsvolle Prinzessin gewesen. Dass er bei einer solchen verwöhnten Lady keine Chancen auf ein Liebesverhältnis hatte, war ihm von Anfang an klar. Aber er war fasziniert vom Wesen dieser kühlen, klugen und distanzierten jungen Frau. Dass sie noch unter der quälenden, nach drei endlosen Jahren zu Ende gekommenenBeziehung mit seinem Freund Barta litt, hatte er gleich bemerkt. Und so war es ihm gelungen, mit Geduld und Einfühlsamkeit, mit freundschaftlicher Zuneigung, mit ein wenig List und schließlich mit Liebe, Josefine zu gewinnen. Sogar die kurze und heiße Affäre mit ihrer Erzfeindin Charlotte Trenkhoff hatte sie ihm verziehen. Und jetzt war es ihr eigener Wunsch gewesen, mit ihrem Joseph den Urlaub auf seiner gewohnten Ferieninsel in Dalmatien zu verbringen. Dass er dortin den vergangenen Jahren jede Gelegenheit wahrgenommen hatte, hübsche Mädchen zu vernaschen, wusste sie. Diesmal aber hatte sie ihm die Suppe versalzen. Er sollte sich nur trauen, anderen Weiberröcken hinterher zu schauen!

      »Heute geht kein Schiff mehr nach Hvar«, klärte sie Joseph auf.

      »Tja, dann übernachten wir eben in Split«, antwortete er gelassen. »Ein Zimmer finden wir ganz leicht. Drüben am Bahnhof stehen immer Männer, die ihre Sobe anbieten.«

      Sie gingen den Weg zurück über die Mole, vorbei an Halbwüchsigen, die auf der Hafenmauer hockten und fischten. Vor dem Bahnhof sahen sie schon einige ältere Männer mit Strohhüten, die den vorübereilenden Touristen »Soba, Soba Izvolite, Zimmer gefällig, wenn angenehm!« zuriefen.

      Joseph sprach einen der Männer an, der ihm am vertrauenswürdigsten erschien.

      »Zimmer? Gut, kommen sie mit mir, ich habe Zimmer«, sagte der Mann in fast akzentfreiem Deutsch.

      »Weit vom Hafen?«, wollte Josefine wissen. Sie war schon recht erschöpft und hatte Sehnsucht nach einer erfrischenden Dusche und einem Bett, auf dem sie sich wenigstens eine Stunde lang ausstrecken konnte. Und sie hatte Sehnsucht nach Joseph, nach seiner Berührung, seinen Zärtlichkeiten. Noch keine Woche war es her, dass sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten. Aber was heißt da »geschlafen«? Joseph vermochte ihr, die außer einem vorzeitig abgebrochenen Schäferstündchen mit ihrem Ex Barta noch keine körperliche Liebe kennengelernt hatte, eine ganz neue Welt zu erschließen. Und jetzt verspürte sie schon wieder dieses sehnsuchtsvolle Ziehen in ihrem Schoß.

      »Nicht weit vom Hafen. Gleich um die Ecke«, beruhigte sie der Mann.

      »Sie sprechen ja so gut Deutsch«, sagte Joseph zu ihm.

      »Habe fünf Jahre in München gearbeitet«, antwortete er und stapfte rüstig voraus.

      Joseph sah, dass Josefine schon recht mühsam vorankam. Er nahm ihr den Rollkoffer ab und schleppte nun beide Gepäckstücke. Der Mann bemerkte es und angelte sich einen davon. So ging es besser.

      Aus der einen versprochenen Ecke wurden mehrere. Der Quartiergeber führte sie in ein schmales Gässchen, das steil hinter einem Festungsturm anstieg.

      »Diokletian-Palazzo«, erklärte der Mann und wies auf die Mauern hin. »Von den alten Romani.«

      Blaue Dämmerung senkte sich schon in die enge Gasse, nur die Dächer waren noch von der Sonne beschienen. Schwalben schwirrten schreiend um die Stützbalken der Balkone. Wäsche hing an Leinen quer über die Gasse. Lärmende Kinder tollten aus einer schwarzen Schlucht zwischen den Häusern hervor, wo kein ausgewachsener Mann mehr durchkam. Sie sangen einen englischen Gassenhauer. Der Refrain verhallte zwischen den hohen Steinmauern. Ein Hund bellte, eine dicke Frau steckte den Kopf aus einem Fenster zu ebener Erde und keifte dazwischen. »Drago! Drago!!« Gegenüber lehnte ein Mann mit Knollennase im Fenster und brummte im Bass dazu.

      »Noch weit?«, fragte Josefine, jetzt schon etwas ungehalten.

      »Sind schon da.« Der Mann wies auf ein schmales Haus, das sich zwischen zwei palastartigen Gebäuden duckte.

      Ein kleines Mädchen sprang ihnen entgegen.

      »Meine Tochter.«

      Im Hintergrund liefen die Kinder wieder aus der Häuserschlucht hervor. Sie sangen immer noch ihren Gassenhauer.

      Der Mann öffnete das verwitterte Tor seines Hauses und führte sie über den Flur in ein großes, sauberes Zimmer, in dem neben dem Doppelbett noch ein schmaleres Bettchen stand. Offensichtlich das Schlafzimmer der Familie, in der Saison an Gäste vermietet. Er zog die Vorhänge beiseite.

      »Badezimmer ist am Ende vom Flur«, erklärte er. Dann fragte er, ob seine Gäste noch etwas benötigten und ging.

      Josefine fiel mit einem Seufzer aufs Bett. »Geschafft, ich bin todmüde. Und ich schlafe rechts, mein Herr’, bestimmte sie und streifte im Liegen die Schuhe ab.

      Joseph hievte ihren Rollkoffer auf eine Kommode. Sein Gepäck legte er auf den Fußboden, öffnete den Deckel und kramte sein Waschzeug hervor.

      »Willst du zuerst ins Bad?«, fragte er auffordernd. »Ich hab Hunger.«

      »Ich mag nichts essen, ich bin müde«, antwortete sie trotzig. »Aber gib mir auch meinen Kulturbeutel, dann mache ich mich frisch.«

      »Oh Madame besitzen einen Kulturbeutel, wie vornehm«, frotzelte Joseph und reichte ihr das gewünschte Stück. »Wenn Madame erfrischt sind, hätte ich noch ein kleines intimes Kulturprogramm im Angebot.«

      »Lüstling!«, sagte Josefine nur schmunzelnd und machte sich auf den Weg ins Bad. Die Aussicht, sein Angebot zu prüfen, beflügelte sie. Schon im Flugzeug, als sie ihn dicht neben sich spürte und seine männliche Ausstrahlung wahrnahm, hätte sie ihn am liebsten eng umschlungen und in ihren Schoß aufgenommen. Was hatte er nur mit ihr angestellt? Sie war doch früher immun gegen solche Versuchungen. Ihre Partner im Golfclub hatten bei ihr nie irgendwelche Gefühle erregt. Und dann kam dieser schlaksige Typ mit seinen schwarzen Haaren, seinen dunklen, verschatteten Augen und seiner melodischen Stimme und brachte ihre Sinne zum Vibrieren. Ängstlich war sie gewesen, vor dem ersten Mal mit ihm. Und dann ließ er alle ihre Dämme brechen, ließ ihre Weiblichkeit auferstehen aus ihrem Innersten und erweckte sie zu einer vollkommenen Frau. Dieser Hexenmeister!

      Josefine entkleidete sich, verstaute ihre langen, hellbraunen Haare unter einer Haube, die sie ihrem Kulturbeutel entnahm und trat unter die Dusche. Sie drehte den Wasserhahn auf und genoss das lau temperiert herabrieselnde Nass. Mit den Regenwald-Duschen in den Luxushotels, in denen sie bisher logierte, war dieses Getröpfel nicht zu vergleichen. Nach wenigen Minuten war der Vorrat an warmen Wasser erschöpft. Josefine drehte das Wasser ab und griff nach ihrem Duschgel, das eine feine Duftnote von Zitrusfrüchten verströmte. Sorgfältig

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