Exentanz. Stephan Steinbauer

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Exentanz - Stephan Steinbauer

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fröhlich und zog sie an sich. »Komm, wir kuscheln noch einen Augenblick.«

      Das ließ sie sich nicht zweimal sagen und schmiegte sich schnurrend an seine Brust. So lagen sie noch eine gute Weile, bis Josephs Magen sich mit unüberhörbarem Knurren meldete.

      »Jetzt habe ich wirklich Hunger, lass uns aufstehen«, sagte er.

      Sie zogen sich an und traten auf die schmale Gasse hinaus. Unterdessen war es stockdunkel geworden, nur ein paar spärliche Straßenlaternen zeigten ihnen den Weg. An der Einmündung der Gasse in eine etwas breitere Straße entdeckten sie an einer Hausecke ein Straßenschild. Joseph fotografierte es mit seinem Handy, um den Rückweg zu finden.

      Sie näherten sich dem Hafen. Die Luft roch salzig und nach fauligem Tang. Vor ihnen lag das dunkle, stumme Meer. Eine silbrige Lichtgasse führte zum Horizont, darüber stand der Vollmond, bleich, von hauchfeinen Schleiern umgeben. Lichter blinkten draußen bei der Hafeneinfahrt. Ein auslaufender Motorkutter zog Silberwellen hinter sich her.

      Sie folgten der Uferstraße ein Stück und bogen dann in eine gut beleuchtete Gasse ein, die durch einen Torbogen in den Diokletian-Palast hineinführte. Musik drang ihnen entgegen.

      »Hier gibt es sicher ein Restaurant«, meinte Joseph.

      Es roch nach Wein, nach schwerem, süßen Dalmatinerwein, aus getrockneten Trauben gepresst, berauschend und dickflüssig wie Olivenöl. Proscheko. Und es roch nach scharfen Gewürzen, nach Rauch, nach rauchigen Rosten, nach Zwiebeln und gebratenem Fleisch und geräuchertem Fisch.

      Eine Kneipe. Vielmehr nur ein Hof zwischen zwei Häusern. Oleanderbüsche überragten die Mauern. Fettiger Rauch quoll aus dem offenen Tor. Sie traten ein. Eine Küche unter freiem Himmel, lange Tische aus blankem Holz, Bänke, vollbesetzt mit Einheimischen. Der würzige Duft von Gegrilltem und der Geruch der Männer, die sie freundlich musterten. Ein ungemein hagerer Koch nickte ihnen grüßend zu.

      »Dobra Vetscher Signorina i Signore!«

      An einem Tisch rückten die Männer zusammen, boten ihnen Platz an. Der Koch erschien, stellte ungefragt eine Karaffe mit Rotwein und zwei Gläser vor sie hin und deutete auf den Grill, fragte mit Gebärdensprache, ob sie essen wollten. Josefine nickte. Gleich darauf kam der Hagere mit zwei Tellern, voll beladen mit Cevapcici, einem Rasnici-Spieß und einem Stück Fisch zurück, dazu Djuvec-Reis und eine grünePeperoni.

      »Dobar tek!« Guten Appetit.

      Die Männer am Tisch prosteten ihnen zu, als sie den ersten Schluck Wein nahmen. Er schmeckte süß und schwer.

      »Schiveli!«Und der Mann neben Josefine klärte sie auf. »Schivela – Signorina. Schivelo – Signore. Schiveli – Signorina i Signore.« Dazu schwenkte er sein volles Glas abwechselnd gegen Josefine und Joseph. Die Männer lachten. Die beiden Aufgeklärten stimmten mit ein.

      Josefine lachte, aber sie musste auch ein wenig gegen die in ihr aufsteigende Übelkeit ankämpfen. Die Männer am Tisch rochen nach Schweiß und Alkohol. Das waren Menschen, mit denen sie in ihrem bisher so behüteten Leben nie in Berührung gekommen war. Und in dieser Welt fühlte sich ihr Geliebter so wohl? Sie griff nach ihrem Glas, nahm einen tiefen Schluck Rotwein. Vielleicht konnte der ja ihre Zweifel betäuben.

      Joseph gegenüber saß ein alter Mann, der bedächtig an seiner Pfeife sog. »Sie noch blass, noch nicht lange hier?«, fragte er.

      »Heute angekommen, aus Frankfurt«, gab Joseph zur Antwort.

      »Ah, Frankfurt. Apfelwein, Sachsenhausen, Blauer Bock«, sagte der Alte. »Ich habe gearbeitet in Offenbach. Viel Arbeit. Bleiben sie in Split?«

      »Bis morgen früh, dann weiter nach Hvar«, antwortete Joseph.

      »Hvar dobro«, murmelte der Mann und klopfte seine Pfeife am Tischbein aus. Eine Katze huschte unter dem Tisch hervor, beäugte die Tabakreste, miaute enttäuscht und verschwand im Dunkeln.

      Joseph hatte plötzlich ein seltsames Gefühl. Einen Herzschlag lang verspürte er Angst, Angst vor einer unbekannten Gefahr. War es die Katze, die ihn beunruhigte? Er vergewisserte sich mit einem raschen Seitenblick auf Josefine, ob alles in Ordnung sei. Aber welche Gefahr sollte hier drohen? Die Männer waren friedlich. Josefine ließ sich das Gegrillte schmecken und warf ihm einen liebevollen Blick zu. Joseph spülte den unerklärlichen Schrecken mit einem Schluck Rotwein weg.

      Nachdem sie gegessen und für ihre Zeche bezahlt hatten, verließen sie das Lokal. Ein Junge mit schief sitzender Fischermütze zeigte ihnen noch seinen erhobenen Daumen und rief hinter ihnen her: »Ljubav, Amore!«

      »Weißt du noch, aus welcher Richtung wir gekommen sind?«, fragte Joseph seine Begleiterin.

      Die aber war leicht betrunken, müde und satt und schüttelte nur kichernd den Kopf. So stolperten sie durch die Dunkelheit. Die Straßenbeleuchtung war jetzt abgeschaltet. Sie bogen in eine Gasse ein, die leicht abwärts führte, also vermutlich in Richtung Hafen. Dort stand ja der Festungsturm, an dem Joseph sich orientieren konnte. Aber die Gasse endete bald an einer Mauer.Sie kehrten um, versuchten es bei einer schmalen Schlucht, die zwischen den Häusern hindurchführte. Dann standen sie am Hafen. Eine Turmuhr schlug in der Ferne. Der Mond hatte sich jetzt hinter dem Wolkenschleier verborgen, beleuchtete die Szenerie nur noch sehr matt.

      »Ich will jetzt schlafen«, mauzte Josefine und lehnte sich an Josephs Schulter. »Trag mich!«

      Sie wollte einen Gutenachtkuss. Daraus wurden mehrere.

      »Mir wird kalt!«, sagte sie, dann ergriff Joseph ihre Hand und sie begannen, am Hafenbecken entlang zu laufen. Josefine verlor einen Schuh. Joseph suchte im Finstern, während sie nur noch kicherte.

      »Zu trinken bekommst du nix mehr«, versprach er und zog ihr den verlorenen Schuh an.

      »Spaßbremse!«, antwortete sie und küsste ihn wieder.

      Irgendwie fanden sie dann doch zu ihrem Quartier und fielen erschöpft aufs Bett. Josefine schlief bald ein, er lag noch eine Weile wach und dachte nach. Wie einfach es doch war, dieses Mädchen, diese junge Dame aus bester Frankfurter Gesellschaft glücklich zu machen! Rücksicht, Feingefühl, zuvorkommende Aufmerksamkeit, Geduld, etwas Humor und viel Liebe. Das war alles. Ja, sie war reich, würde in 2 Jahren über ihre Millionenerbschaft verfügen können, aber sie war auch eine Frau. Ihr Geld interessierte ihn nicht. Er wollte die Frau. Diese faszinierende, so selbstsichere, lebenskluge und praktisch denkende Frau. Sie stand mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen, wenn es darauf ankam. Und hässlich war sie auch nicht, dazu eine gelehrige Schülerin in Sachen Liebe. Er war ein Träumer, fügte sich nur zwangsweise der Notwendigkeit, einen Brotberuf auszuüben. Lieber wäre er Schriftsteller geworden, aber davon hätte er nicht leben können, jedenfalls nicht ohne die Unterstützung durch seine Eltern. Aber im Hotel Mama in Wien war es ihm zu eng geworden. Er war seinem unbändigen Drang gefolgt, auf eigenen Füßen zu stehen und hatte die erstbeste Chance ergriffen, das Angebot eines Frankfurter Konzerns, um sich endlich frei zu fühlen und ein eigenständiges Leben zu führen. In dieses Leben war nun Josefine getreten. Nein, er hatte sie in dieses Leben geholt. Und sie war ihm gefolgt, in seine Welt der »normalen« Leute. Sie verzichtete für ihn auf den gewohnten Luxus ihrer wohlbehüteten Welt zwischen Nobelvilla, Golfplatz, Gourmettempel und Fünfsternehotel. Nun fühlte Joseph Verantwortung für sie. Auch wenn er ein romantischer Träumer war, er war der Mann und wollte sie beschützen.

      Über diesen Gedanken schlief er schließlich ein.

      Die Zweifel, die Josefine an diesem Abend geplagt hatten, ahnte er

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