Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker
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In der nächsten Zeit besserte sich die Lage für Li, Wang und Gao erheblich. Der Ältere Toruk sorgte dafür, dass sie besser versorgt wurden und alles bekamen, was sie zur Herstellung des Papiers brauchten.
„Ich glaube, er will nur unser Talent auf die Probe stellen, um später einen höheren Preis erzielen zu können“, sagte Gao einmal, als sie dabei waren, Lumpen zu zerkleinern, die man ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Mit einfachen Holzknüppeln droschen die drei darauf ein. Schließlich gab es hier weder die Kraft eines durch Strömung angetriebenen Mühlrades noch die Hände zahlreicher Knechte und Tagelöhner, die diese Arbeit für sie verrichten konnten, wie es daheim der Fall gewesen war. Aber Wang hatte gemeint, dass es durchaus sein Gutes hätte, wenn die Arbeit nicht so schnell von der Hand ginge.
„So lange unsere Arbeit nicht beendet ist, sind wir wertvoll für unseren Herrn“, sagte er. „Wer weiß, wie es uns danach ergeht!“
„Wenn wir diese Städte erreichen sollten, von denen unser Herr sprach... Vielleicht wäre das sogar zu unserem Besten und wir könnten dort ein gutes Leben führen“, meinte Li. „Schließlich sagte er doch, dass es dort Menschen aus dem Han-Volk gibt. Und unser Handwerk scheint doch nirgendwo mehr gefragt zu sein, als an einem Ort, von dem man sich erzählt, dass dort jeden Tag ein Buch geschrieben würde!“
„Die Pracht eines Reiches erstrahlt zumeist in der Ferne heller, als aus der Nähe!“, erwiderte Wang deutlich skeptischer.
„Also ich hätte nichts dagegen, mal wieder in einer zivilisierten Umgebung zu leben“, meinte Gao. „Anstatt hier in der Wildnis, zusammen mit Tieren und in Kleidern, die einen so hässlich machen, dass sich in Xi Xia die Kinder vor einem erschrecken würden.“
„Wir müssen es nehmen, wie es kommt“, sagte Wang.
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Tage und Wochen vergingen mit harter Arbeit. Das Zerschlagen der Lumpen war sehr anstrengend und davon abgesehen, war deren Qualität auch sehr unterschiedlich. Es mangelte vor allem an dem für die Papierherstellung nötigen Werkzeugen. Gefäße fehlten ebenso wie geeignete Werkzeuge zum Schöpfen.
So blieb nichts anderes übrig, als selbst die nötigen Gefäße und Werkzeuge herzustellen, soweit dies möglich war. Die einzigen wasserdichten Gefäße der Uiguren waren Wasserschläuche aus Tierhäuten oder Tonkrüge. Beides ließ sich nicht verwenden. Holz gab es kaum – und das wenige, das vorhanden war, wurde in erster Linie als Brennmaterial gebraucht.
Wang hob schließlich eine Grube im Erdreich aus – so breit wie die ausgestreckten Arme eines erwachsenen Mannes und ebenso lang. Die Grube war zwei Handbreit tief und wurde mit gegerbten Tierhäuten auf ähnliche Weise ausgelegt wie er es in den Jurten gesehen hatte.
Sie sollte das Schöpfbecken werden.
Zweimal musste Li beim Älteren Toruk vorsprechen, um ihn davon zu überzeugen, dass man zumindest einen von ihnen fortließ, um einen Baum zu suchen, aus dessen Rinde man genug Harz gewinnen konnte, um diese Grube wasserdicht zu machen.
Außerdem brauchte man geeignete Pflanzen, die den Lumpen beigemengt werden sollten, damit das Papier geschmeidiger wurde. Zerschlagener Bambus verlieh ihm eine größere Festigkeit, aber die Hoffnung, in dieser Gegend irgendwo Bambus zu finden, hatte Li von vorn herein aufgegeben.
„Außerdem brauchen wir Rosshaar und Flechtwerk zur Herstellung von Sieben“, erklärte sie dem Stammesführer. Zwar hatte Meister Wang sein Sieb mit in die Gefangenschaft genommen, aber ein einziges Sieb reichte natürlich nicht aus. Schließlich sollte das Buch ohne Zeichen möglichst schnell erstellt werden. „Die Satteldecken deiner Männer scheinen mir gut geeignet zu ein, um die Feuchtigkeit aufzunehmen, wenn die Blätter gepresst und getrocknet werden“, fuhr Li fort.
Der alte Mann nickte langsam und mit einer Bedächtigkeit, wie sie dem Alter vorbehalten war.
Da der Ältere Toruk Li gegenüber ganz offensichtlich nicht ungewogen war, war es zu ihrer Aufgabe geworden, die Anliegen der Papiermacher vorbringen. Ihr Vater hatte es jedenfalls nicht geschafft, das Ohr des Anführers zu finden. Li hatte den Verdacht, dass er manchmal auch gar nicht verstand, was eigentlich alles zur Herstellung des herbeigesehnte Buches notwendig war. Für den Älteren Toruk grenzte dieses Handwerk an Magie und so gab sich Li große Mühe, ihm die Zusammenhänge zu erklären. Sie beschrieb ihm, was sie beabsichtigten. Dass die zerschlagenen Lumpen mit bestimmten Gräsern, Baumrinde, Holz oder anderen Pflanzen zusammengemischt wurde, dass man es in Kesseln aufkochte, erneut zerschlug, bis nur noch ein Brei übrigblieb, aus dem dann mit einem Sieb die Blätter herausgelöst wurden. „Wenn man sie vollkommen glatt haben will und von beiden Seiten beschreiben möchte, dann kann man sie mit Leim bestreichen, der sich aus Knochen und Harz gewinnen lässt“, fügte sie noch hinzu. „Dann bekommt das Papier Glätte, wie sie sonst nur die Haut von Säuglingen besitzt, sodass kein Federstrich stockt und ein Kalligraph sich nur noch ganz seiner Kunst und nicht dem Material zu widmen braucht!“
„Wenn du das sagst, dann klingt das so leicht und schön wie die Poesie der Straßendichter von Samarkand“, erwiderte der Ältere Toruk und seine Stimme hatte dabei einen fast melancholischen, weichen Klang, wie man ihn in diesem weiten Niemandsland zwischen dem Reich der Mitte im Osten und dem sagenhaften Römischen Reich der Mitte im Westen nur selten zu hören bekam. „Ich sehe es schon vor mir, dieses Buch... Auch wenn so viel mehr dafür notwendig ist, als ich zunächst geglaubt habe!“ Er seufzte. Und dann blitzte es in seinen Augen auf eine Art und Weise, die Li sehr stark an den Sohn erinnerte. „So höre, was ich entscheide: Mein Sohn wird dir sein bestes Pferd geben und dich dabei begleiten, Han-Frau.“
„Mir steht es nicht zu, mich dazu zu äußern“, sagte Li daraufhin, die ihr Entsetzen nur schwer zu verbergen vermochte.
„Dann halte dich an das, was du als richtig erkannt hast“, erwiderte der Ältere Toruk. „Und sei unbesorgt – mein Sohn Toruk wird dich zu jedem Baum begleiten, den du für richtig hältst und dich dabei beschützen, als wärst du seine Schwester.“
„Er verabscheut mich.“
„Er wird seine Abscheu bezähmen und vor allem wird er den Herzenswunsch seines Vaters genau so erfüllen, wie es ihm gesagt wurde. Glaub mir, er wird nicht einmal ein böses Wort dir gegenüber laut werden lassen.“
Als der Stammesführer den Blick abgewandt hatte, sah Li in dessen Gesichtszüge. Der Blick seiner müde gewordenen Augen war in fernes Nichts gerichtet. Li verstand plötzlich, weshalb der Ältere Toruk seinem Sohn diese Pflicht aufgebürdet hatte, die eigentlich jeder seiner Wächter hätte erfüllen können. Ja, es wäre sogar möglich gewesen, Li einfach auf sich gestellt losziehen zu lassen, um einen geeigneten Baum zu suchen, denn es wäre aus mehreren Gründen unmöglich für sie gewesen zu fliehen. Schon die Tatsache, dass ihr Vater und Gao sich noch in Gefangenschaft befanden hätte sie daran gehindert. Aber da sie sich in diesem Land nicht ein bisschen auskannte und es auch durch ihre Erziehung keineswegs gewohnt war, allein durch eine Wildnis zu streifen, hätten sie die schnellen Reiter jederzeit einholen und zurückbringen