Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker
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Vielleicht war das der tiefere Grund dafür, dass das Reich der Römer zerfallen war. Bruder Anastasius erklärte ihr, dass derzeit im Westen zwei Kaiser für sich beanspruchten, Erbe des römischen Imperiums zu sein. „Aber nur einen davon kann man ernst nehmen. Er herrscht in Konstantinopel.“
„Und was ist mit dem anderen?“
„Er herrscht von einem kalten, barbarischen Land aus, das jenseits eines großen Gebirges mit dem Name 'die Alpen' liegt.“
„Ein Barbarenkaiser“, schloss Li. „So etwas hat es auch im Reich der Mitte des Ostens schon gegeben. Im Krieg wird sich erweisen, welcher Kaiser das Erbe antreten darf.“
„Sie kämpfen zurzeit nicht gegeneinander. Stattdessen tauschen sie Prinzessinnen.“
„Das ist fast so klug, wie Kriege durch das Gerede von Diplomaten zu gewinnen!“
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Die Abstände zwischen den Oasen, an denen die Trinkwasservorräte an den Brunnen aufgefüllt werden konnten, wurden Lis Gefühl nach immer größer. Sie blieben selten länger als eine Nacht. Die Treiber sorgten dafür, dass die Kamele so viel Wasser soffen, wie sie aufnehmen konnten und es wurden ein paar Vorräte gekauft, die in der Zwischenzeit ausgegangen waren. Dörrfleisch und getrocknete Früchte, manchmal auch Trockenfisch, der aus einigen weit entfernten, völlig von Land umgebenen Meeren stammte und den Weg bis hier her gefunden hatte, waren besonders beliebt, da sie sich gut hielten. Die Märkte waren klein. Trotzdem wurden Abgaben verlangt. Es schien entlang des Weges, den die Seide nach Westen nahm, keine großen Reiche mehr zu geben. Zumindest nicht auf diesem Stück. Und so musste Babrak der Feilscher immer wieder Tribut für den angeblich sicheren Durchzug entrichten. Allerdings war stark zu bezweifeln, dass in dieser Gegend jemand die Macht hatte, eine solchen sicheren Durchzug überhaupt zu garantieren.
Li hörte, wie Babrak darüber fluchte, anstatt der nördlich der Wüste verlaufenden Route, die südliche genommen zu haben, die zwar als die schnellere, aber auch als die unsichere galt.
In einem kleinen Marktflecken wurden sie Zeuge, wie der Schädelknochen eines unbekannten Tieres mitten auf dem Brunnenplatz ausgestellt wurde. Der Schädel war so groß, wie Li es noch zuvor bei keinem anderen Tier gesehen hatte. Er war fast so lang wie der Bauch eines Pferdes und erinnerte an den Kopf einer riesenhaften Schlange – oder eines Drachen. Li hörte, was die Leute darüber redeten. Auch wenn das Uigurische, das hier gesprochen wurde, von der Sprache der Märkte in Xi Xia deutlich abwich, konnte sie doch einiges aufschnappen.
Der Staub der Wüste hatte diesen Drachenkopf freigegeben.
„Er ist ein Vermögen wert“, meinte Gao dazu. „Ich nehme an, dass man ihn zu Medizin zerkleinern wird.“
„Auf jeden Fall scheint es ein Zeichen des Glücks zu sein, dass uns der Kopf eines Drachen begegnet“, glaubte Meister Wang. „Es ist ein Zeichen des Himmels, dass sich für uns doch noch alles zum Guten wenden wird!“
Der Großteil der Bevölkerung des kleinen Fleckens hatte sich um diesen Drachenschädel versammelt und ein Schreiber verzeichnete auf einem Pergament die Namen aller Anwesenden, die bereit waren, zu bezeugen, dass sie erstens den Drachenschädel gesehen hatten und zweitens auch Zeuge davon geworden waren, wie man ihn zu einem weißen Pulver zerkleinert hatte.
Zwei kräftige Männer machten sich bereits mit großen Feilen daran, den Schädel langsam zu zerkleinern.
„Es würde mich nicht wundern, wenn sie das Drachenknochenpulver auch noch mit zerriebenen Steinen oder Wüstensand vermischen würden“, glaubte Gao. „Und am Ende wird man sich sich darüber wundern, wie viel Pulver man aus einem einzigen Drachenschädel machen kann, dem sogar noch der Unterkiefer fehlt!“
„Ein einziger Zahn davon ist mehr wert, als die Arbeitskraft von drei Papiermachern wie uns“, meinte Meister Wang.
Li fiel auf, dass Bruder Anastasius sich bekreuzigte, eine Geste, die sie schon bei anderen Gelegenheiten bei ihm und anderen Christen bemerkt hatte.
„Die Schlange ist das Zeichen des Teufels“, stieß er hervor. „Ein Beweis dafür, dass der ewige Widersacher Gottes existiert.“
„Aber diese Schlange muss vor langer Zeit gestorben sein“, gab Li zu bedenken. „Sollte dann jemand wie Ihr sie dann nicht als Beweis dafür ansehen, dass der Widersacher Gottes irgendwann besiegt worden ist?“
„Der Herr gibt dem Gläubigen so mancherlei Rätsel auf, um ihn zu prüfen“, sagte Bruder Anastasius. „Aber auch Jesus Christus begegnete dem Widersacher in der Wüste und erlag nicht seiner Versuchung...“
Seltsam, wie der gleiche Knochen den einen das Zeichen des Glücks und den anderen das Symbol des schlimmsten Übels sein konnte. Aber für diejenigen, die sein Knochenpulver als Mittel gegen Verdauungsprobleme, Kinderlosigkeit und den Tod an sich verkaufen würden, war der Drache ganz sicher eine Weile das Zeichen unerwarteten Wohlstands.
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In der Stadt des Drachenkopfs blieben sie nicht lange. Aber Abgesehen von den Legenden, die schon jetzt durch die staubigen Gassen zwischen den wenigen festen Steinhäusern drangen und wohl von Mal zu Mal mit immer erstaunlicheren Details ausgeschmückt wurden, gab es auch sehr beunruhigende Gerüchte. Li verstand nicht alles. Nur, dass immer von einem Reich des Schwarzen Herrschers die Rede war, dem Kara Khan. Und dass dessen Krieger sich in alle Richtungen ausbreiten und die Wege unsicher machen würden.
Kurz nachdem die Karawane wieder aufbrach, hörte Li sogar Babrak den Feilscher mit einer seiner Männer über den Kara Khan reden. Auch hier verstand Li nicht alles, aber sie erfasste den Tonfall und der war von einem fast furchtsamem Respekt geprägt. Eigentlich war Furcht ein Wesenszug, den Li mit Babrak nun wirklich nicht in Verbindung bringen mochte. Aber wenn der Karawanenführer die Nachrichten über den Schwarzen Herrscher bereits so zur Kenntnis nahm, dann musste man das wohl ernst nehmen.
„Habt Ihr schon einmal von einem Herrscher gehört, der Kara Khan genannt wird?“, fragte Li irgendwann während des weiteren Weges Bruder Anastasius, nachdem sie schon eine ganze Weile griechische und lateinische Wörter geübt hatten.