Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker
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In dem Gefolge von Babrak dem Feilscher bemerkte Li einen Mann in brauner Kutte und mit einem Kreuz aus Holz auf der Brust. Ein christlicher Mönch, erkannte sie. Er reiste offenbar mit der Karawane. Er schien kein Gefangener zu sein. Die Kameltreiber und die Männer in Babraks Gefolge behandelten ihn mit großem Respekt. Allerdings ging er zu Fuß. Seine Habe war lächerlich gering und passte in ein kleines Bündel, das er bei sich trug. Bart und Haare schien er schon seit vielen Jahren nicht mehr geschoren zu haben, beides reichte ihm fast bis in Höhe des Bauchnabels und war ausgesprochen verfilzt. Viele unvorstellbar ekelhaften Gerüchte kursierten über die mangelnde Sauberkeit der Menschen des Westens. Diese Gerüchte waren die Seidenstraße entlanggewandert und hatten sich über Xi Xia bis nach Bian verbreitet.
Der junge Toruk und Babrak der Feilscher schienen sich schnell einig geworden zu sein, denn es dauerte nicht lange und die Strenge wurde zu ihnen geschickt und wies Meister Wang, Gao und Li auf ihre gewohnt unfreundliche Art und Weise an, sich reisefertig zu machen.
„Euer Papier taugt ja vielleicht, um damit Feuer zu machen!“, meinte sie.
Etwas später kam Babrak der Feilscher zu ihnen, um sich seine Ware anzusehen. „Sei gegrüßt Meister Wang! Und dein Geselle und deine Tochter natürlich ebenso! Dass wir uns unter diesen Umständen wiedertreffen muss Allahs Wille ein... Du solltet dir übrigens nicht wünschen, nach Xi Xia zurückzukehren, denn dort sind Unruhen ausgebrochen und die Zukunft des Reiches ist unsicher. Es ist nicht einmal gesagt, wann ich das nächste Mal bis Bian gelangen und Seide kaufen werde, denn der Weg ist derzeit zu unsicher.“
„So sollen wir dir für unsere Lage auch noch dankbar sein?“, entfuhr es Meister Wang, der ausnahmsweise einmal die Fassung zu verlieren drohte.
„Hör zu, Papiermacher, ich weiß um die Qualität deines Handwerks. Ich werde einen guten Preis für dich bekommen, wenn ich dich in Samarkand abliefere, denn dort ist der Hunger nach Papier unersättlich. Dich hätte ein schlimmeres Los ereilen können! Vergesst übrigens nicht, eure Siebe mitzunehmen. Es kann sein, dass ihr sie schon bald benutzen werdet.“
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Schon am nächsten Morgen brach die Karawane auf. Babrak der Feilscher schien es eilig zu haben, weiter nach Westen zu gelangen und Li bekam mit, dass er Toruk den dringenden Rat gab, das Lager so schnell wie möglich abzubrechen und ebenfalls weiter zu ziehen, denn nicht nur die Unruhen würden sich ausdehnen, sondern auch ein Fieber, verbunden mit starkem Durchfall. Es gab also mehrere Gründe, sich nach Westen zu wenden.
Li hatte ein Bündel geschnürt, das ihre wenigen Habseligkeiten enthielt. Darunter war auch das Sieb aus Rosshaar, das ihr Vater für sie angefertigt hatte.
„Bewahre es gut auf“, sagte er. „Neben dem Wissen um unsere Kunst ist das Handwerkszeug das wichtigste...“
„Ich weiß“, sagte sie und raffte es unter ihre unförmige Kleidung.
Die Sonne stieg als glutroter Feuerball hinter den Bergen im Osten auf, während die Karawane sich in Bewegung setzte. Die anderen Gefangenen sahen ihnen nach, denn Babrak der Feilscher hatte nur die drei Papiermacher mitgenommen.
„Ich frage mich, ob er sich mehr Gefangene nicht leisten konnte oder ob er wirklich glaubt, dass er mit uns ein besonders gutes Geschäft machen kann!“, rätselte Gao.
„Was immer auch kommt, wir werden das Beste darin erkennen müssen“, sagte Meister Wang. „Eine andere Wahl bleibt uns nicht, denn jede Form der Auflehnung kostet nur Kraft. Und vielleicht das Leben.“
Sie gingen neben den Kamelen her, die völlig überladen waren, aber ihren Weg trotzdem mit einer großen Gelassenheit gingen, so als könnte sie nichts erschüttern. Ganz gleich, was auch hinter dem nächsten Gebirge auf sie warten würde.
„Wir werden uns blutige Füße holen“, glaubte Gao.
„Schlimmer, als das, was wir hinter uns haben, kann das Kommende auch nicht mehr werden“, entgegnete Li.
„Deine Worte sind nur ein Zeichen mangelnder Erfahrung“, wandte sich Meister Wang an seine Tochter. „Aber wir werden sehen. Alles Klagen wird uns nicht helfen.“
Nach einer Weile war nichts mehr vom Lager der Uiguren zu sehen und seltsamerweise fühlte sich Li in jenem Moment wie befreit, obwohl das eigentlich absurd war, schließlich hatte sie nur die eine Gefangenschaft gegen eine andere getauscht.
Und doch war ihr jetzt sehr viel wohler ums Herz. Die Welt, die sie in Xi Xia gekannt hatte, war wohl für immer für sie versunken und vielleicht war es das Beste, sich frühzeitig mit diesem Verlust abzufinden und sich vom alten zu verabschieden. Wer weiß, dachte sie, vielleicht entgehe ich der Seuche, die dort jetzt zu wüten scheint, nur deshalb, weil ich verschleppt wurde.
Die Füße begannen irgendwann zu schmerzen, aber schließlich spürte sie die schon gar nicht mehr. Li interessierte sich besonders für den christlichen Mönch, der die Karawane begleitete. Er ging wie die Gefangenen und die Kameltreiber zu Fuß, während Babrak der Feilscher und seine gleichermaßen berittenen wie bewaffneten Begleiter sich manchmal eine ganze Meile oder mehr von der eigentlichen Karawane entfernten, um die Gegend zu erkunden und zu sehen, ob es irgendwo in der Umgebung vielleicht etwas gab, dem man lieber auswich. Ein sumpfiges Gelände zählte ebenso dazu wie bestimmte Nomadenstämme, die als räuberisch bekannt waren.
In der Ferne ragte ragten schroffe Gebirge auf, aber während sich die Stunden zu Tagen sammelten, hatte Li manchmal das Gefühl, immer wieder denselben Weg zu gehen, da sich die Lage dieser Berge kaum zu verändern schien.
Abends wurde ein Feuer gemacht und ein einfaches Lager errichtet. Man schlief draußen. Zwar war Li aufgefallen, dass auf den Kamelen auch das Gestänge einer Jurte mitgeführt wurde, aber der Aufwand, sie aufzubauen, lehnte Babrak der Feilscher offenbar ab. Die Nächte waren zwar manchmal bitterkalt, aber kurz, denn das Lager wurde wurde erst spät errichtet und der Aufbruch erfolgte morgens kurz nach dem ersten Strahl der Sonne. Das Ziel des Karawanenführers war es offensichtlich, so schnell wie möglich gen Westen zu gelangen.
Li war aufgefallen, dass der Mönch sich mit den Kameltreibern auf Persisch unterhalte hatte.
Als sie am Feuer saßen, sprach Li ihn daher an.
„Seid Ihr ein Gefangener?“, fragte sie.
Der Mönch wandte ihr sein bärtiges und von Wind und Wetter zerfurchtes Gesicht zu. Seine Haut glich dunkelbraunem, abgegriffenem Leder und war von einem Relief von Falten gezeichnet. Die Augen waren so blau wie der Himmel über Xi Xia an einem schönen, klaren Frühlingstag.
„Nein, ich bin kein Gefangener“, sagte er. „Ich war auf einer Reise in die Länder des Ostens und ich habe Babrak dem Feilscher einige Silberstücke dafür bezahlt, dass er mich mitnimmt.“
„So seid Ihr doch ein vermögender Mann, obwohl ich gehört habe, dass die Mönche der Christen sich zur Armut verpflichtet haben, wie es auch die Mönche tun, die in der Lehre Buddhas ihr Heil suchen.“
Li musste den Satz dreimal wiederholen, bis der Mönch sie verstand. Die persische Zunge war für