Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker
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Er wollte seinen Sohn demütigen und ihm zeigen, dass der Vater immer noch über dem Sohn stand.
Genau dieser Umstand gefiel Li an der Sache am wenigsten.
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Li bekam ein gutes Pferd. Außer dem Jüngeren Toruk wurde sie noch von zwei Männern begleitet, die Li eigentlich stets immer nur in der Nähe des Älteren Toruk gesehen hatte. Ihre Gesichter waren wettergegerbt und von einem Mosaik aus Falten überzogen und die Haare von grauen Strähnen durchwirkt. Offensichtlich waren sie Vertraute des Vaters und es war dem Jüngeren Toruk anzumerken, welchen Vorbehalt er ihnen gegenüber empfand. Stundenlang mussten sie durch die Wildnis reiten, um auf kleinere Ansammlungen von Bäumen zu stoßen. Und das Harz, das man dann entnehmen konnte, war zumeist minderwertig, wie Li schnell feststellte. Manche dieser Bäume waren bereits vor Monaten angeritzt worden. Es war genug Harz in die an den Stamm gebundenen Beutel aus gegerbten Rinderhäuten gelaufen, aus dem die Uiguren wohl Pech und Lampenöl herauskochten. Um Papier damit zu bestreichen war dieser Harz nur bedingt geeignet. Papier, das damit bestrichen war, hätte in Xi Xia vielleicht gerade noch zum verpacken von getrockneten Früchten Verwendung gefunden, aber kein Beamter oder gar ein hoher Würdenträger hätte darauf sein Zeichen oder gar sein Siegel gesetzt. Aber Li konnte nicht wählerisch sein. Und das, was im Reich der Mitte vielleicht nur minderwertiger Abfall war, mochte für den älteren Toruk dennoch die Kraft einer ganz besonderen Magie haben. Einer Magie, die als einzige, den Tod zu überwinden vermochte, denn genau das wollte der alte Stammesführer letztlich erreichen, indem er seine Taten aufschreiben ließ. Der Jüngere Toruk gab Li ein Messer geben und damit ritzte sie die Rinde auf, um das Harz in einen mitgebrachten Beutel laufen zu lassen.
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Die neuen Siebe für Li und Gao zu flechten, ließ Meister Wang sich nicht nehmen. Allerdings war auch hier das Machtwort des Älteren Toruk notwendig, um das nötige Rosshaar dafür zu bekommen. Für den Rahmen nahm man ein paar Hölzer, die eigentlich Bestandteil von ein paar Fässern waren, die auf verschlungenen Pfaden hier her gelangten und wohl die unterschiedlichsten Dinge beherbergt hatten. Li hoffte nur, dass der faulige Geruch des Holzes nicht auf das Papier überging.
„Unseren Auftraggeber wird das am wenigsten stören“, meinte Gao zuversichtlich.
Gepresst wurden die Blätter mit schweren Steinen. Die anderen Gefangenen mussten sie von weit her heranschleppen oder, wenn sie zu schwer waren, über den Boden schleifen. Um die Feuchtigkeit aus den mühsam geschöpften Blättern herauszubekommen, wurden dicht gewebte und sehr saugfähige Satteldecken zwischen die einzelnen Papierlagen gelegt.
Aber die ersten fertigen, beschnittenen Blätter bekam der Ältere Toruk nicht mehr zu Gesicht. Eines Morgens machte die Nachricht um Dorf die Runde, dass ihn in der Nacht der Schlag ereilt hatte.
Die Steine, die eigentlich zum Pressen der Blätter geholt worden waren, wurden nun auf das Grab des alten Anführers gelegt. Ein Grab ohne Inschrift. Das Buch des Älteren Toruk würde nie geschrieben werden.
„Die Götter scheinen nicht auf unserer Seite zu sein“, murmelte Li leise, während sie auf das nun nutzlos gewordene Schöpfbecken blickte, in dem der Papierbrei bereits zu einer bröckeligen, porösen Masse zu trocknen begann, die entfernt an ein riesenhaftes Wespen- oder Hornissennest erinnerte.
„Nein“, widersprach Wang. „Wir haben nur noch nicht erkannt, was sie für uns bestimmt haben...“
Fünftes Kapitel: Auf dem Weg in die Stadt der Bücher
Etwa eine Woche später traf eine Karawane von zwanzig Kamelen im Lager ein. Der jüngere Toruk war inzwischen der unbestrittene Anführer. Aber er hielt offenbar nicht viel von dem Gedanken, die Taten seines Vaters in einem Buch zu verewigen.
Der Karawanenführer war ein Turkmene namens Babrak. Er war ein Mann mit dunklen Augen und einem inzwischen graumelierten Bart, der seinem Gesicht etwas Keilförmiges gab. Li glaubte ihren Augen nicht zu trauen, als sie ihn an der Spitze seiner Karawane ins Lager ziehen sah. Babrak ritt auf einem kleinen, stämmigen Steppenpferd, genau wie einige bewaffnete Begleiter, deren Aufgabe es war, die Karawane zu schützen, die aus den schwer beladenen Kamelen und ihren Treibern bestand.
„Ist das ein Traum, oder sehe ich da Babrak den Feilscher?“, entfuhr es Li.
Gao, der gerade damit beschäftigt war, seine Kleidung notdürftig zu reinigen, blickte auf.
„Doch, das ist er“, murmelte er. „Aber frag mich nicht, ob das ein gutes Zeichen ist, Li!“
„Warum sollte es kein gutes Zeichen sein?“, fragte Li.
„Nur, weil Babrak der Feilscher in Xi Xia keinen Marktplatz auslässt und wir schon des Öfteren gute Geschäfte mit ihm gemacht haben, heißt das nicht, dass der Kerl jetzt nicht die Gelegenheit nutzt, um ein Geschäft zu machen, bei dem wir die Ware sind.“
„Und wenn schon“, murmelte Li. „Alles ist besser, als hier zu bleiben und vielleicht noch einmal einen blutigen Schädel vor die Füße geworfen zu bekommen, den ich zubereiten soll!“
Unterdessen sahen sie zu, wie Babrak der Feilscher, von seinem Pferd stieg und den jungen Toruk begrüßte. „Allah ist groß!“, rief Babrak in gebrochenem Persisch. „Nur die Reichweite meiner Karawane ist größer!“
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass es sich wirklich um denselben Händler handelte, von dem Meister Wang schon ganze Ballen von Seidenlumpen gekauft hatte, dann war er jetzt zweifellos erbracht. Denn das war der übliche Spruch von Babrak dem Feilscher, den er in vier oder fünf Sprachen beherrschte und damit nicht selten das Stirnrunzeln des einen oder anderen muslimischen Glaubensbruders