Mit den Narben der Apartheid. Michael Lapsley

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Mit den Narben der Apartheid - Michael Lapsley

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mieden. Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass meine armen Eltern dann Jahre später überrascht feststellen mussten, dass ich nun den bewaffneten Kampf befürwortete. Das war für sie bestimmt genauso schwer zu verdauen wie mein Pazifismus. Es war gewiss nicht leicht, meine Eltern zu sein.

      Ich verursachte einigen Wirbel, setzte aber schließlich meinen Kopf durch. Ein Problem war es allerdings für mich, wenn an den Tagen der Militärausbildung die anderen Jungs in ihren Militäruniformen herumrannten, ich hingegen meine normale Schulkleidung trug. Natürlich wollten sie wissen, warum ich keine Militäruniform trug. Ich erfand Ausreden und log. Ich hatte also den Mut, mich mit der Schulleitung anzulegen, nicht aber mit meinen Mitschülern. Die Kluft zwischen ihnen und mir machte die Oberschuljahre zu einer ziemlich unangenehmen Erfahrung, sodass ich mehr und mehr Zuflucht in der Religion und der Literatur suchte. Meine relativ begrenzten Interessen führten zu mittelmäßigen schulischen Leistungen, doch war ich im letzten Schuljahr einer der Schulbesten in Englisch. Zum Glück hatten die Testosteronausbrüche der anderen Jungen mittlerweile etwas nachgelassen, und ich erfuhr von meinen Mitschülern mehr Respekt und Akzeptanz meiner Werte und Ansichten. Trotzdem war ich schon damals nicht damit einverstanden, dass die Schulzeit die schönste Zeit des Lebens sein sollte. Ich wusste, dass das nicht so war, und bin heute immer noch derselben Ansicht.

      Erwachsene fragen Kinder oft, was sie werden möchten, wenn sie groß sind. Schon als Vierjähriger wollte ich Priester werden, obwohl ich damals wohl kaum richtig begriff, was das eigentlich bedeutete. Man kann jedoch nicht behaupten, ich hätte nie einen anderen Beruf in Betracht gezogen. Als Junge sammelte ich Briefmarken und wollte zeitweilig ein Briefmarkengeschäft aufmachen. Später, in der Oberschule, bewarb ich mich für eine Arbeit in der neuseeländischen Justizverwaltung, auch weil mir dies geholfen hätte, ein Studium an einer Universität zu finanzieren. Da ich praktisch veranlagt bin, hatte ich immer einen Plan B, falls sich meine Berufspläne in der Kirche nicht verwirklichen ließen. Als ich noch sehr klein war, träumte ich auch davon, Clown zu werden. Der Zirkus faszinierte mich, und ich genoss den Spaß und die Aufregung. Außerdem gibt es im Zirkus ebenso wie in der Kirche viel Prunk und Drama, was mir als Kind gefiel. Humor war für mich immer wichtig. Ich finde, es ist gesund, über sich selbst lachen und die lustige Seite der Dinge sehen zu können. Das habe ich von meiner Mutter geerbt. In vielen Gesellschaften ist ein Clown eine Figur, die den Menschen [42]Dinge sagt, die sie vielleicht nicht hören wollen, und das kann auch ein wichtiger Aspekt der Priesterarbeit sein. So hielt ich es für treffend, als mein Bruder Peter mich bei meiner Priesterweihe dazu beglückwünschte, beide Ziele erreicht zu haben. Trotz Peters Worten habe ich es nie bis in den Zirkus geschafft, obwohl einige meiner weltlicheren Freunde mir an dieser Stelle vielleicht widersprechen würden.

      Durch Irene lernte ich sozusagen die katholische Seite der anglikanischen Kirche kennen. Sie war Mitglied einer Gemeinde in Auckland, die stark in der katholischen oder hochkirchlichen Tradition wurzelte. Im sechzehnten Jahrhundert unterdrückte Heinrich VIII. die Ordensgemeinschaften und ordnete die Auflösung der Klöster an. Im neunzehnten Jahrhundert aber wurden im Zuge des Wiederauflebens des Katholizismus wieder Orden in die anglikanische Kirche eingegliedert, wenn auch mit wenigen Mitgliedern. Alles an der Kirche faszinierte mich, und ich sah mich schon nicht nur als normalen Gemeindepfarrer, sondern als Mitglied eines dieser anglikanischen Orden. Ich las zahlreiche Bücher über Mönche und Nonnen, die mich als gläubigen Jungen fesselten. 1963 las ich in der ersten Ausgabe von „Anglican World“, einer illustrierten Hochglanzzeitschrift der anglikanischen Kirche, einen Artikel über St. Michael’s House, den australischen Sitz der Society of the Sacred Mission (SSM). Ich schrieb dem dortigen Provinzial einen Brief, in dem ich mein Interesse an ihrer Ausbildung bekundete. Zumindest in meiner Vorstellung war ich schon bereit, von zu Hause wegzugehen und auf der Stelle mit der Ausbildung zu beginnen, aber er antwortete: „Da Du erst dreizehn Jahre alt bist, brauchst Du Dir noch keine Sorgen um Deine Ausbildung zu machen“. So musste ich auf die Verwirklichung meines Traumes bis zum Schulabschluss warten, aber ich gab ihn niemals auf. Durch den Beitritt zu einer Ordensgemeinschaft kam ich auf meine Art der radikalen Forderung nach, Jesus zu folgen und das Evangelium bis zur letzten Konsequenz zu leben. Mein Identitätsgefühl und meine Weltanschauung gingen völlig in der Glaubensgemeinschaft auf, und ich hatte eine sehr romantische Vorstellung davon, was es heißt, einem Orden anzugehören. Ich glaubte auch, dass eine Ordensgemeinschaft mich besser auf das Priesteramt vorbereiten würde. Meiner Fantasie Leben einzuhauchen und mit der Realität des Lebens in einer Ordensgemeinschaft zurechtzukommen, das blieb natürlich späteren Jahren vorbehalten.

      Hätte ich den traditionellen neuseeländischen Weg zum Priestertum verfolgt, wäre meine Eignung wohl auf die Probe gestellt worden. Wenn die Kirche eingewilligt hätte, wäre ich dann vielleicht in eine theologische Ausbildungsstätte geschickt worden, doch hätte ich möglicherweise auch zuerst eine Hochschulausbildung absolvieren müssen, bevor ich mich im Priesterseminar hätte einschreiben können. Einer Ordensgemeinschaft hätte ich erst nach meiner Priesterweihe beitreten können. Das hätte alles Jahre dauern können, aber ich war ein Junge, der es eilig hatte. Eine andere Zukunft als [43]das Priestertum konnte ich mir nicht vorstellen, und die Freiheit dieser Entscheidung wollte ich mir, wenn irgend möglich, nicht nehmen lassen. In so mancher Hinsicht war ich ein perfekter Kandidat für die SSM. Sie wurde im neunzehnten Jahrhundert in England gegründet, um Jungen aus der Arbeiterklasse, die nicht nach Oxford oder Cambridge gehen konnten, einen Weg zum Priesteramt zu eröffnen. Von Anfang an bot die SSM eine qualitativ hochwertige Priesterausbildung ohne Universitätsstudium an. Die Priesterausbildung war eines der Ziele der SSM; sie wurde als Ergänzung zu einem möglichen Ordensbeitritt, aber unabhängig davon angeboten. So befanden sich in St. Michael’s House junge Männer, die Priester werden, und einige wenige, die wie ich dem Orden beitreten wollten. Andere anglikanische Orden hätten nicht nur von mir erwartet, dass ich zuerst ein Hochschulstudium und eine theologische Ausbildung abschließe, sondern ließen zum Teil nicht einmal Kandidaten zu, die jünger waren als einundzwanzig. Dagegen nahm mich die SSM mit siebzehn auf.

      Als Mitglied der römisch-katholischen Kirche wäre es nichts Außergewöhnliches gewesen, in meinem Alter einem Orden beizutreten. Die anglikanische Kirche vertrat jedoch die Auffassung, dass es unklug sei, Jungen den Beitritt zu gestatten, bevor sie sich emotional etwas abreagiert hatten. Es handelt sich immerhin um ein sehr weitgehendes Engagement, das die lebenslang gültigen Gelübde von Armut, Zölibat und Gehorsam mit sich bringt. Wie bei der britischen Armee, hieß es manchmal, denn auch ihr kann man schon mit sechzehn beitreten und es später vielleicht bereuen, aber dort muss man weiß Gott keinen Zölibat geloben! Ich konnte der Ordensgemeinschaft jedoch gar nicht schnell genug beitreten und wollte keine Zeit verschwenden. Meine Eltern akzeptierten mein Vorhaben. Als Eltern ließen sie jeden von uns seinen eigenen Weg finden und akzeptierten unsere Wahl. Mehrere meiner Geschwister hatten unser Elternhaus mit siebzehn oder achtzehn verlassen und lebten selbstständig. Mein Gemeindepfarrer jedoch war etwas schockiert und gab mir zu verstehen, dass es doch eine gute Idee wäre, noch ein oder zwei Jahre zu warten. Aber ich war ziemlich eigensinnig und ging außerdem mit dem Einverständnis meiner Eltern von zu Hause weg. Ob sie es für voreilig hielten, ist eine andere Frage. Wenn ja, sagten sie jedenfalls nichts. Ich bin auch heute noch froh, damals diese Entscheidung getroffen zu haben, stimme im Nachhinein aber zu, dass es wahrscheinlich besser ist, wenn Bewerber mehr Lebenserfahrung haben, bevor sie einem Orden beitreten.

      So erschien ich also in St. Michael’s House, dem Hauptsitz der SSM, der auf den Hügeln in der Nähe von Adelaide gelegen war. Ich war siebzehn Jahre alt, und meine erste Anfrage lag genau vier Jahre zurück. Ich war für die Priesterausbildung angenommen worden, ohne die Verpflichtung, dem Orden beizutreten. Nun war ich da und hatte Neuseeland, mein Heimatland, zum ersten Mal verlassen. Die Umstellung fiel mir nicht leicht. Ich musste [44]mich daran gewöhnen, mit siebzig anderen Menschen in einem Haus zu wohnen. Außerdem hatte ich mehr gelesen und war vielleicht auch öfter in die Kirche gegangen als die meisten anderen Jungen, von denen viele schon über zwanzig waren. Ich nehme an, dass ich ein naiver Siebzehnjähriger war. Ich erwartete im Priesterseminar und in der Gemeinschaft eine Glaubenstiefe, die dort nicht immer vorhanden war. Die anderen betrachteten mich ihrerseits als kleinen, übertrieben religiösen Streber.

      Ich

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