Psychosoziale Beratung. Группа авторов

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Psychosoziale Beratung - Группа авторов

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deutliche positive Effekte erzielen und damit Eysencks (1952) aufgestellte provokative These nach der Wirkungsgleichheit von Psychotherapie und spontanen Heilungsprozessen eindeutig widerlegt wurde (vgl. Lambert 2013). Die eine Gruppe lässt sich von der Spezifitätsannahme leiten, welche besagt, dass bestimmte Psychotherapietechniken bei den einzelnen Störungen eine besondere Wirksamkeit entfalten und daher störungsbezogene Therapierichtlinien gerechtfertigt sind. Nahrung hat das Spezifitätsmodell zum einen durch den Befund erhalten, dass z. B. Exposition (mit Reaktionsverhinderung) bei Phobien, Panikstörungen und Zwangsstörungen zu schnelleren und besseren Therapieerfolgen geführt hat als andere Psychotherapietechniken (vgl. DeRubeis et al. 2005), und zum anderen durch die Beobachtung, dass submissive (unterwürfig) Patienten besser von strukturiertem und autonome Patienten besser von non-direktivem Vorgehen profitieren (vgl. Beutler et al. 2004). Demgegenüber argumentieren Vertreter des allgemeinen Wirkfaktorenmodells, dass bisher nur geringe Wirksamkeitsunterschiede zwischen den Psychotherapieschulen oder einzelnen Techniken gefunden wurden. Die Wirkung von Psychotherapie wird nach diesem Modell hauptsächlich auf therapeutische Faktoren zurückgeführt, die implizit in allen Psychotherapieverfahren enthalten sind und nicht bloß einer Therapietechnik oder einer Therapieschule eigen sind (vgl. Luborsky et al. 1975).

      Nach der Übersicht zu den empirischen Befunden von Lambert (2013) erklären diese Faktoren (›common factors‹) grob geschätzt immerhin 30 % in der Summe aller Therapiefaktoren auf, hinter denen sich hauptsächlich die therapeutische Beziehung verbirgt (image Abb. 1.4). Demgegenüber entfalten Techniken (›techniques‹) lediglich 15 % der Varianz von Therapieeffekten, ebenfalls 15 % entfallen auf den Faktor ›Hoffnung‹ (›expectancy‹), also darauf, ob der Klient daran glaubt, dass seine Beratung/Therapie auch erfolgreich verlaufen wird. Am meisten Einfluss auf den Verlauf und das Ergebnis einer Psychotherapie haben jedoch Klienten- und Umgebungsfaktoren (z. B. Bereitschaft zur Veränderung und Mitarbeit) bzw. seine bisherigen Lebensereignisse (›client‹/›life‹). Genau dieser Befund spiegelt die alltägliche Situation in der Praxis der psychosozialen Beratung mit Klienten wider, die durch ihre Biographie (kritische Lebensergebnisse) und soziale Situation (z. B. Armut) unverschuldet in extreme Notlagen geraten sind und denen durch die einseitige Konzentration auf spezifische Beratungstechniken nur unzureichend geholfen werden kann. Schubert (2014a) fordert deshalb in diesem Zusammenhang ein erweitertes transaktionales Verständnis von Beratung, das den Klienten in seinen komplexen kulturellen und gesellschaftlichen Einbindungen begreift und ihn bei seiner Lebensgestaltung im Kontext gesellschaftlicher Problemlagen unterstützt, statt ihn vorschnell zu pathologisieren. Die Einbeziehung der Lebenswelt des Klienten mit seinen ökonomischen und ökologischen Beziehungen gehört zum genuinen Auftrag psychosozialer Beratung und setzt mit der Betonung der sozialen Komponente einen anderen Schwerpunkt als eine Richtlinienpsychotherapie, die stärker intrapsychische Aspekte beim Klienten fokussiert.

      Die Polarisierung der Psychotherapieforschung durch den Kampf um den Beweis des Spezifitätsmodells oder des allmeinen Wirkfaktorenmodell hat bisweilen den Blick dafür verstellt, dass es in der Praxis eine Interaktion zwischen den allgemeinen Wirkfaktoren und den spezifischen Techniken gibt, die nach dem ›Generic Model of Psychotherapy‹ (Orlinsky et al. 2004) lediglich verschiedene Ebenen des gesamten Beratungs- und Therapieprozesses beleuchten (vgl. Pfammatter et al. 2012). Die Interaktion zwischen den allgemeinen Wirkfaktoren und den Techniken lässt sich so darstellen, dass die allgemeinen Wirkfaktoren über spezifische Techniken realisiert werden und eine Technik nicht aus dem Kontext allgemeiner Wirkfaktoren herausgelöst werden kann. Bildlich gesprochen könnte man auch sagen, dass die allgemeinen Wirkfaktoren das »Feuer der Psychotherapie« ausmachen und die Techniken den »Brennstoff für die Psychotherapie« liefern. So kann z. B. der allgemeine Wirkfaktor ›Problemklärung‹ etwa durch verhaltenstherapeutische

Images

      Techniken der kognitiven Umstrukturierung oder durch die gesprächspsychotherapeutische Technik der Verbalisierung emotionaler Erlebnisinhalte realisiert werden, jedoch wird der Klient sich nur ungern auf spezifische Techniken einlassen, wenn vorher nicht der allgemeine Wirkfaktor der therapeutischen Beziehung zur Entfaltung gekommen ist. Weiter lässt sich z. B. der allgemeine Wirkfaktor ›Problemaktualisierung‹ (unmittelbare Erfahrung der Probleme, die verändert werden sollen) etwa durch die verhaltenstherapeutische Technik der Exposition oder durch die Technik des Fokussierens (Gesprächstherapie) umsetzen, aber nur dann, wenn vorher die Basis für eine hilfreiche therapeutische Arbeitsbeziehung geschaffen wurde. Bei diesen beiden Beispielen wird auch deutlich, dass unterschiedliche Techniken verschiedener Therapieschulen äquifinal zur Optimierung eines allgemeinen Wirkfaktors beitragen können. Jedoch vermögen verschiedene allgemeine Wirkfaktoren auch die Grundlage dafür zu schaffen, dass der Klient bei einer speziellen Therapietechnik aktiv mitmacht. So kann z. B. nicht nur der allgemeine Wirkfaktor der therapeutischen Beziehung die Bereitschaft des Klienten für eine Traumaexposition erhöhen, sondern auch die Ressourcenorientierung, durch die der Klient sehen kann, was er schon alles kann oder bereits erreicht hat.

      Die Ausrichtung psychosozialer Beratung an allgemeinen Wirkfaktoren ermöglicht über die Äquifinalität unterschiedlicher Techniken sowohl eine konzeptionelle Begründung psychosozialer Beratungsstrategien als auch eine flexible Anpassung an die jeweiligen besonderen Bedürfnisse des Klienten. Weil allgemeine Faktoren einen hohen Anteil am Veränderungsprozess in der psychosozialen Beratung haben, können diese hier auch die Funktion von Meilensteinen im Zielerreichungsprozess übernehmen. Doch welche allgemeinen Wirkfaktoren sind die wichtigsten für die Beratung und Psychotherapie?

      Negative Effekte

      Auch wenn die bisherige Forschung keine Zweifel an der Wirksamkeit von Psychotherapie und Beratung aufkommen lässt, ist die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass Klienten sich im Verlauf des Beratungsprozesses auch verschlechtern können. Die Studienlage über negative Effekte in der Psychotherapie ist zurzeit noch unterbelichtet, Lambert (2013) schätzt jedoch den Anteil von Klienten, die sich im Verlauf der Psychotherapie verschlechtern, mit immerhin ca. 8 % ein. Auch der Anteil der Klienten/Patienten von fast 57 %, die keine Veränderung erfahren, erscheint auf den ersten Blick zunächst einmal ernüchternd. In der Praxis zeigt sich jedoch immer wieder, dass die Verhinderung der Verschlechterung durch Psychotherapie bei bestimmten Patientengruppen als Erfolg gewertet werden kann. Eine ähnliche Situation finden Beraterinnen und Berater in ihren Tätigkeitsfeldern (z. B. Drogenberatung, Bewährungshilfe, betreutes Wohnen) vor, die oft nicht mehr erreichen können als ihre Klientel vor einer weiteren Verschlechterung ihrer Situation zu bewahren.

      1.4.2 Wirkfaktoren in der psychosozialen Beratung

      Seit der ersten Konzeption von Rosenzweig (1936) sind eine Reihe weiterer sich zum Teil überschneidender Taxonomien entwickelt worden. Wälte (2019) hat deshalb die wichtigsten allgemeinen Wirkfaktoren zusammengetragen und in ein drei-dimensionales Rahmenmodell für die psychosoziale Beratung eingefügt, in das auch die empirisch fundierten allgemeinen Wirkfaktoren von Grawe et al. (1994) sowie Aspekte des 7-Stufen-Modells von Kanfer et al. (2012) eingeflossen sind (image Abb. 1.5). Während die erste Dimension Beratung danach unterscheidet, ob sie präventive, akut intervenierende oder rehabilitative Funktionen erfüllt, erfasst die zweite Dimension die Adressaten, also z. B. den einzelnen Klienten, das Paar oder die ganze Familie. Die dritte Dimension bezieht sich auf eine Zusammenstellung von sieben allgemeinen Wirkfaktoren, die im Folgenden näher dargestellt werden. Es muss an diese Stelle jedoch auch betont werden, dass psychosoziale Beratung zur Optimierung der allgemeinen Wirkfaktoren alle Bereiche des Kompetenzmodells von Zwicker-Pelzer (2010) benötigt.

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