Weisheit des Lebens für Dummies. Marco Kranjc
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Im Neuen Testament gibt es solche Weisheitssprüche weniger, aber der Ernst, mit dem auch die frühen Christen über das Reden sprachen, ist nicht zu überlesen. So gibt es zum Beispiel im Jakobusbrief einen längeren Abschnitt über das Reden. Hier nur ein Satz daraus: »So ist auch die Zunge ein kleines Glied und rühmt sich doch großer Dinge. Siehe, ein kleines Feuer – welch großen Wald zündet es an.« (Jakobusbrief Kapitel 3, 5)
Religion und verbindliche Lebensregeln
Auch wenn viele Weisheiten der Religionen gut und nützlich sind, darf man nicht vergessen, dass sie für einen Gläubigen mehr sind als nur kluge Lebensregeln. Denn diese Regeln sind den Gläubigen welcher Religion auch immer ja gegeben, um Sünde zu verhindern oder um ein Leben führen zu können, das Gott oder den Göttern gefällt. Oft ist die richtige Lebensweise auch entscheidend dafür, wie ein Leben nach dem Tod oder eine Wiedergeburt ausfallen wird. Für den Gläubigen bedeuten all diese Weisheiten also mehr, als nur gut durch den nächsten Tag zu kommen. Ein Christ oder ein Muslim kann sich nicht einfach aussuchen, ob es ihm in bestimmten Fällen weiser scheint zu lügen oder die Wahrheit zu sagen. Lügt er, beleidigt er Gott. Verletzt er Menschen durch sein Reden, beleidigt er auch Gott. Wann immer also ein vielleicht nicht besonders spiritueller Mensch Weisheiten spirituellen Ursprungs für sich in Anspruch nimmt, sollte er ab und an auch an die Menschen denken, für die diese Weisheiten verbindliche Lebensgesetze sind. Sie verdienen auch den Respekt der »Ungläubigen«.
Bei diesem kurzen Gang durch die Religionen und ihre Weisheit wird also deutlich, dass sich die Inhalte des Glaubens vielleicht stark unterscheiden, die Inhalte des praktischen Lebens aber viel weniger. Unter welchen religiösen Vorzeichen auch immer ein gutes Leben gelebt werden soll, unterscheidet sich dieses gute Leben in der Praxis oft wenig voneinander. Dass es so etwas wie »Weisheit« gibt, darüber sind sich also Menschen aller Zeiten aus vielen Kulturen einig. Dass es Weisheit, viele Weisheiten und auch weise Menschen gibt, scheint ebenfalls klar. Deshalb muss es nicht verwundern, dass auch Wissenschaftler daran interessiert sind zu erforschen, was Weisheit überhaupt ist und wie man weise werden kann.
Unter der Lupe: Weisheit wird erforscht
Weil das Wort Weisheit irgendwie altmodisch klingt und im alltäglichen Sprachgebrauch selten auftaucht, könnte man meinen, dass Philosophen oder Religionen das Thema Weisheit für sich in Anspruch genommen haben. Oder Lebenshilfebücher. Tatsächlich aber ist es so, dass das Thema Weisheit seit den 1990er-Jahren auch Wissenschaftler beschäftigt. Man hat sich gefragt, warum und wie eigentlich Menschen aus ihren Erfahrungen lernen, was Intelligenz damit zu tun hat und warum manche Menschen durch ihre Erfahrungen klüger werden – andere aber nicht. Bahnbrechend waren auf diesem Gebiet Forscher aus Berlin.
Das Berliner Weisheitsparadigma
Weniger Geburten und eine immer älter werdende Bevölkerung brachten Psychologen besonders ab den 1980er-Jahren dazu, sich mit dem Thema Alter und dem Altern zu beschäftigen. Dabei stellte sich zum Beispiel heraus, dass es nur sehr wenige positive Eigenschaften gibt, die Menschen dem Alter zuschreiben. Neugier, Toleranz und Offenheit schreibt man eher jungen Leuten zu. Dem Alter bleiben Angst, Verbitterung oder sogar Demenz. Nur zwei positive Begriffe tauchten bei den Untersuchungen auf: Weisheit und Würde.
Im Jahr 1980 wurde in Berlin ein »Forschungszentrum für Entwicklungspsychologie der Lebensspanne« gegründet. Ihr Direktor wurde Paul Baltes (1939–2006). Er begann, nicht nur über Weisheit nachzudenken, sondern sie mit Studien und Versuchen zu erforschen. Es wurde deutlich, dass weise Menschen sich eher nicht als weise bezeichnen würden, sondern eher als Menschen, die schon so einiges erlebt und Erfahrung gesammelt haben. So kam es im Laufe der Jahre zu einer Definition, die Weisheit als Expertenwissen über die wirklich wichtigen (fundamentalen) Dinge des Lebens bezeichnet. Aber man suchte natürlich auch danach, wie ein Mensch zu einem solchen »Expertenwissen« kommt.
Die folgenden Punkte machten für die Wissenschaftler einen weisen Menschen, also einen Lebensexperten aus. Menschen, bei denen man also folgende Fähigkeiten entdeckte, wurden als weise angesehen:
Reiches Faktenwissen: Um ein Experte in Lebensfragen zu werden, hilft es, viele Dinge über das Leben zu wissen. Bildung muss zwar nicht unbedingt weise machen, aber sie hilft dabei, weise zu werden.
Verfahrenswissen: Hier geht es um das Wissen des Wie und darum, wie man zum Beispiel zu guten Entscheidungen kommt oder Beziehungen gestalten kann.
Probleme im Zusammenhang des eigenen Lebens sehen: Jeder Mensch hat seine Geschichte. Weise Menschen kennen ihre Geschichte und können aktuelle Probleme mit ihren früheren Erfahrungen vergleichen.
Wert-Relativismus: Weise Menschen legen ihre eigenen Werte nicht als Maßstab für andere Menschen fest. Sie wissen, dass Menschen unterschiedliche Werte haben, und können sie tolerieren und respektieren.
Erkennen und Umgehen mit Ungewissheit: Ein weiser Mensch weiß, dass er nie im Vorhinein sagen kann, ob eine Entscheidung wirklich richtig war. Er weiß, dass der Tod jederzeit eine Möglichkeit ist und dass selbst Erinnerungen trügerisch sein können. Man muss diese Unsicherheiten in sein Leben einschließen und seinen Frieden mit ihnen gemacht haben.
Natürlich wurde auch schon Kritik am »Berliner Weisheitsparadigma« aus den 1990er-Jahren laut. Es scheint sich zu sehr auf Wissen und Verstand zu konzentrieren, Gefühle und Intuition spielen weniger eine Rolle. Die befragten Testpersonen müssen sich außerdem schriftlich ziemlich gut ausdrücken können, um zu bestimmten Fragen und Fallbeispielen mögliche Lösungen zu beschreiben. Die Berliner starteten daraufhin weitere Untersuchungen und spätere Beschreibungen von Weisheit beziehen auch Emotionen und das »Bauchgefühl« ein. So fand man zum Beispiel heraus, dass weise Menschen zwar auch emotional sind, aber positive und negative Gefühle nicht sehr extrem auftreten. Außerdem scheinen sie einem einfachen, angenehmen Leben wenig Bedeutung beizumessen. Sie nehmen es als normal hin, dass Schwierigkeiten zum Leben dazugehören.
Das Berliner Weisheitsparadigma hat geholfen, Weisheit zu verstehen und Weisheit als erstrebenswerte Fähigkeit bewusst zu machen.
Weisheitssuche in den USA: Balance finden
In einem anderen Teil der Welt machte sich Anfang der 2000er-Jahre an der Yale University (USA) der Psychologe Robert Sternberg Gedanken zum Thema Weisheit. Aufgrund seiner Forschungen ging er davon aus, dass das wichtigste Merkmal der Weisheit »implizites Wissen« ist. Das bedeutet das Wissen, das Menschen sich so nebenbei auf ihrem Lebensweg aneignen. Nicht das dem Menschen ausdrücklich beigebrachte (explizite) Wissen ist wichtig, um ein gutes Leben führen zu können, sondern das Wissen, das durch Erfahrung, durch Hören und Sehen eher unbewusst gelernt wird.
Besonders in Teil II werden Sie bemerken, dass ich dazu ermutigen möchte,