Vernehmungen. Heiko Artkämper
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–Mitunter werden übliche Aufenthalte des Minderjährigen ebenso wenig erfragt wie die Erreichbarkeit. …
–Es werden zu wenig sofortige Gegenüberstellungen Täter-Opfer durchgeführt und die dabei entstehenden Reaktionen dokumentiert.
–Viele Fehler werden bei Lichtbildvorlagen und Gegenüberstellungen hinsichtlich der Auswahl und Dokumentation gemacht.
1.9.9Appell an die Vernehmenden
120Genau derartige Vernehmungen – und dadurch bedingte Veröffentlichungen – gilt es zu vermeiden. Die Bindung an Gesetz und Recht ist die Grenze jeder Vernehmung(smethode). Gesetz und Recht müssen beachtet und respektiert werden. Auch in den rechtsstaatlich vorgegebenen Grenzen sind Tatklärungen möglich und nur in diesen erlaubt.67
121Die Art und Weise der Durchführung einer Vernehmung entfaltet sowohl beim Zeugen als auch beim Beschuldigten eine Wirkung. Der Ermittler als Repräsentant des Rechtsstaates kann bei einem positiven Verlauf dazu beitragen, dass ein Beschuldigter sich verstanden, unterstützt und auf den richtigen Weg zurückgebracht fühlt. Ebenso wird ein Zeuge die Polizei über verdächtige Wahrnehmungen erneut in Kenntnis setzen, wenn er erfahren durfte, dass sein Engagement dankbar entgegengenommen wurde. Neben der eigenen Wahrnehmung führt dies häufig auch zu einer positiven oder schlimmstenfalls auch negativen Weitergabe von Erfahrungen mit den Ermittlungsbehörden an das soziale Umfeld.
122Die Ermittlungsarbeit ist, und darüber sollte sich jeder im Klaren sein, in weiten Teilen ohne die Unterstützung der Bevölkerung schlichtweg nicht möglich.
123Neben diesen Aspekten sollte sich jede Vernehmungsperson auch den Faktor des lebenslangen Lernens und somit der Weiterbildung und dem damit verbundenen Erhalt seiner Vernehmungskompetenz vor Augen führen. Dies stellt neben den fachlichen Kompetenzen (Recht, Kriminalistik, Kriminologie etc.) auch die soziale Kompetenz (Situationsanalyse, Analyse der Verhaltensoptionen, Umsetzung des Verhaltens und der Analyse der Konsequenzen) und die tatsächliche Umsetzung dar.68 Das in der polizeilichen Aus- und Weiterbildung Erlernte muss durchgehend trainiert und auf dem rechtlich und wissenschaftlich aktuellen Stand gehalten werden. Es ist somit eine Weiterbildung über die gesamte Lebensbiografie zur Sicherung der Qualität in der Vernehmungsführung notwendig, wobei nicht nur der Ermittler, sondern auch die Dienstvorgesetzten und der Dienstherr in der Pflicht stehen.
1.10Historische Reminiszenz
124Bei Aufräumarbeiten tauchten zwei Runderlasse auf, die sich in den Jahren 1926 und 1927 mit Vernehmungen und Geständnissen befassten; sie sollen – und dürfen – dem Leser nicht vorenthalten bleiben, zumal die dort aufgestellten Parameter mit marginalen Änderungen heute noch Geltung beanspruchen.
1.10.1Vernehmungen 69
VI. Vernehmungen Kriminalpolizeiliche Ermittlungen
RdErl. d. Pr.MdI. v. 27. 11. 1926 – II C II 32 Nr. 35/26 – u. RdErl. d. Innenministers v. 17. 5. 1951 – IV A 2 II b 4800-426 II
Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen haben sich auch auf die für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters bedeutsamen Umstände zu erstrecken. Es soll größtmögliche Klarheit darüber geschaffen werden, inwieweit die Tat auf verwerfliche Gesinnung oder Willensneigung des Täters und wieweit sie auf Ursachen zurückzuführen ist, die den Täter zu entlasten geeignet sind.
Bei der verantwortlichen Vernehmung von Beschuldigten hat daher der vernehmende Polizeibeamte sein Augenmerk auch darauf zu richten, ob die Gesamtumstände der Straftat, das Verhalten des Beschuldigten bei seiner verantwortlichen Vernehmung oder die Zeugenaussagen den Verdacht rechtfertigen, daß die Voraussetzungen des § 51 StGB vorliegen. Bei Hirnverletzten und Spätheimkehrern ist dieser Frage besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Etwaige Verdachtsgründe hat der vernehmende Polizeibeamte im Anschluß an die verantwortliche Vernehmung in einem Vermerk aktenkundig zu machen.
Ferner sind zu berücksichtigen:
a)das Vorleben des Täters, namentlich seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Zeit der Tat,
b)Beweggründe und Anreiz zu der Tat,
c)das Verhalten nach der Tat (Reue, Bemühungen, den verursachten Schaden wiedergutzumachen),
d)die gegenwärtigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters und die durch die Verurteilung oder die Strafvollstreckung für ihn oder seine Familie zu erwartenden Nachteile (Verlust einer Stellung usw.).
Die Polizeibeamten haben indessen in jedem Einzelfalle zu erwägen, ob die Art und Schwere der strafbaren Handlung und die hiernach zu erwartende Strafe eingehende Ermittlungen in der unter a) bis d) angegebenen Richtung rechtfertigen und inwieweit sie als Polizeibeamte in der Lage sind, solche Ermittlungen anzustellen, ohne unnötig und unbefugt in die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Personen einzudringen. Bei Übertretungen und leichten Vergehen wird von eingehenden Ermittlungen regelmäßig abzusehen sein, wenn nicht die Staatsanwaltschaft sie ausdrücklich verlangt oder besondere Umstände der Straftat sie ausnahmsweise begründen.
Die Polizeibeamten sind entsprechend zu unterweisen, insbesondere hat dies auf den Polizeischulen zu geschehen.
1.10.2Geständnisse beschuldigter Personen 70
Geständnisse beschuldigter Personen RdErl. d. Pr.MdI. v. 22.6.1927 – II D 377 II
Der erfahrungsmäßig häufige Fall, daß Beschuldigte ein vor der Polizei abgelegtes Geständnis vor Gericht widerrufen, und infolgedessen mangels weiteren Schuldbeweises außer Verfolgung gesetzt oder freigesprochen werden müssen, gibt Veranlassung, die wichtigsten Erfordernisse einer Niederschrift einer verantwortlichen Vernehmung und insbesondere der Geständnisse beschuldigter Personen in Erinnerung zu bringen.
Wenn Beschuldigte auch nicht gezwungen werden können, überhaupt auszusagen oder gar eine wahrheitsgemäße Aussage zu machen, so wird es doch in den meisten Fällen durch freundliches Ermahnen oder ernstes Zureden neben wohlwollender Behandlung, geschickter Einwirkung auf das Ehrgefühl und durch Vorhalten der ermittelten Tatsachen möglich sein, den Beschuldigten zu einer wahrheitsgemäßen Aussage zu veranlassen. Die Anwendung unlauterer Kniffe zur Herbeiführung eines Geständnisses oder ein mittelbarer oder unmittelbarer Zwang, wie seelische Einwirkung in Form von Drohungen oder gar körperliche Zwangsmaßnahmen, sind unzulässig und verboten. Nach § 343 StGB wird ein Beamter, welcher in einer Untersuchung Zwangsmittel anwendet oder anwenden läßt, um Geständnisse oder Aussagen zu erpressen, mit Zuchthausstrafe bedroht.
Wie aber jede Niederschrift einer Vernehmung nur dann Wert hat, wenn sie alles enthält, was zu den Tatbestandsmerkmalen der