Vernehmungen. Heiko Artkämper

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Vernehmungen - Heiko Artkämper

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strafrechtlichen Hauptverhandlung berücksichtigt werden muss.

       Übersicht: Ziele einer Vernehmung

       3.2Strukturen

      277Der Polizeibeamte lernt bereits in einer frühen Phase seiner Ausbildung, zwischen Strafverfolgung und Gefahrenabwehr zu unterscheiden. Am Anfang aller rechtlichen Betrachtungen steht die Überlegung, mit welcher Zielrichtung eine polizeiliche Maßnahme getroffen werden soll. Hierbei lehnen sich Tätigkeiten mit dem Ziel der Strafverfolgung schon in einer frühen Phase an die Erfordernisse des Strafprozesses an.

       3.2.1Objektiver und subjektiver Befund

      278Regelmäßig wird eine frühe Zuständigkeit der Kriminalpolizei angenommen, die in Anlehnung der Unterscheidung zwischen Personal- und Sachbeweis1 den subjektiven und den objektiven Befund getrennt voneinander betrachtet.

      Der Tatort ist regelmäßig Bestandteil des objektiven Befundes, in dem nicht veränderbare, feststehende Umstände erfasst werden. Sie lassen sich auf verschiedene Arten dokumentieren (strukturierter Bericht, Fotografie, Skizze, Rasteraufnahmen, Vermessungen pp.) und dienen als feste, unveränderbare Grundlage.

      Zunächst unabhängig davon wird der subjektive Befund aufgenommen. In der Erstaufnahme ist das die „Anhörung“ (= Vernehmung) der Personen, die Angaben zur Sache machen können.

       3.2.2Personen

      279Möglichst früh sollten Menschen, die Angaben zum Geschehen machen können, in ihre prozessuale Rolle eingeordnet werden. Zunächst muss erkannt werden, ob überhaupt der Verdacht einer Straftat besteht. Wenn ja, muss ebenfalls frühzeitig der Status der Auskunftsperson geklärt werden.

      280Die wichtigste Unterscheidung ist, ob gegen die jeweilige Person ein Tatverdacht bestehen kann oder nicht. Daran orientiert sich die frühzeitige Belehrung, wobei es sich im Zweifel anbietet, eher den Beschuldigtenstatus anzunehmen. Bereits daraus lässt sich ableiten, dass jede Person einzeln und unabhängig von anderen vernommen werden muss.

      281Ferner kommt es auf die Dokumentation dessen an, was die Person selbst wahrgenommen hat. Dabei ist ein möglichst direkter Bezug zum Geschehen von wesentlichem Vorteil. Gehörtes – von Dritten oder gar Vierten – wird immer mehr verfälscht sein.

Praxistipp:
282 Jeder Sachverhalt sollte bereits bei der Erfassung/Aufnahme in objektive und subjektive Feststellungen unterteilt werden. Personen, die Angaben zum Sachverhalt machen können, sind einzeln und getrennt von anderen zu befragen bzw. zu vernehmen. Eine frühzeitige, detailreiche Vernehmung kann für spätere Ermittlungen und für das Strafverfahren wichtige (und oft nicht nachholbare) Grundlage sein. Dem vorgeschaltet muss die Festlegung des Status im Strafprozess – damit einhergehend die Belehrung – sein.

       3.3Wahrheitsfindung

      283Auf diese Art werden die ersten Grundlagen geschaffen, anhand derer die Ermittlungen fortgeführt werden, die aber auch für den späteren Prozess von elementarer Bedeutung sind. Durch den späteren inhaltlichen Vergleich zwischen den objektiven Umständen und dem jeweilig Wahrgenommenen kann das tatsächliche Geschehen (= Wahrheit) ermittelt werden. Fällt der objektive Bereich weg (wie bei vielen Beziehungsdelikten), kommt es umso mehr darauf an, inhaltlich ausgefeilte Details zur Verfügung zu haben, die in Vernehmungsprotokollen erfasst sind.

       3.4Inhalte

      Folgerichtig müssen Inhalte dokumentiert werden.

       Beispiel:

      284Die Frage „Was haben Sie gesehen/gehört/wahrgenommen?“ muss dominieren und insbesondere dem „Warum“ vorgeschaltet sein. Ebenso vorrangig sind Definitionsfragewörter: Wo, Wann, Wie.

      285Offenbart der Vernommene Schlussfolgerungen, die er selbst getroffen hat, muss dokumentiert werden, auf welcher Grundlage er das getan hat. So reduziert sich der Inhalt auf das tatsächlich Wahrgenommene.

       3.5Wahrgenommenes, Information und Schlussfolgerung(en)

      286Die Vermengung von Wahrgenommenem, Information und Schlussfolgerung ist ein Phänomen, das in jedem Gespräch und nahezu jeder Vernehmung vorkommt.

      287Besonders im Bereich der Straßenverkehrsdelikte erlebt man immer wieder die Vermischung von Tatsachenwahrnehmungen, Interpretationen und Erfahrungen. Ein Zeuge oder auch ein Beschuldigter vermengt regelmäßig seine Wahrnehmungen mit eigenen Lebenserfahrungen. Er nimmt für sich schon bei der Wahrnehmung, beim Speichern der Informationen, bei der Verarbeitung und erst recht bei der Wiedergabe in einer Vernehmungssituation2 eine Wertung vor, die im Verfahren oder einfach auch nur bei dem Versuch der Wahrheitsfindung eine bemerkenswerte „Vernebelung“ zur Folge hat.

      288Der bei der Schutzpolizei immer wieder belächelte „Knallzeuge“ ist erst auf das Geschehen aufmerksam geworden, nachdem er den bezeichnenden „Knall“ gehört hat. Nachdem. Seine Schilderungen zum Unfallhergang (Geschehnisse vor dem „Knall“ also) dürften regelmäßig eher auf seine eigenen Schlussfolgerungen zurückzuführen sein und weniger auf selbst wahrgenommene Umstände. Diese Wahrnehmungssituation macht ein anderes Beispiel noch deutlicher.

       Beispiel:

       289Ein Zeuge soll zum Ablauf eines Verkehrsunfalls befragt werden. Die Frage nach dem Unfallhergang beantwortet er mit den Worten: „Der war viel zu schnell!“

      290So kann die Aussage eines Zeugen lauten, auf Grund derer glücklicherweise niemand verurteilt werden wird. Sie dürfte aber eine der meist getätigten Aussagen sein, die in Straf- oder auch Bußgeldverfahren vorkommen.

       3.5.1Analyse der Aussage

      291Die Aussage bedarf einer Analyse ihrer Bestandteile „schnell“ – „zu schnell“ – „viel zu schnell“:

      292Das Wort „schnell“ allein verdient schon seine eigene Betrachtung. Was ist „schnell“? Der Zeuge muss gefragt werden, was er denn darunter versteht, und seine Wertung fällt sofort noch tiefer in eine Wertungsposition. „Schnell“ beinhaltet schon eine Wertung, mit diesem Begriff kann

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