Black and Blue. Wolfram Knauer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Black and Blue - Wolfram Knauer страница 13

Black and Blue - Wolfram Knauer

Скачать книгу

hinhören, weil das Schlagzeug ein wenig hinter dem perkussiven Banjo-Sound verschwindet und sich daneben eher mit Holzblöcken in den Vordergrund drängt.

      Oliver war nicht der einzige Musiker, der Stücke für verschiedene Plattenlabels aufnahm; insbesondere Duke Ellington ist ein gutes weiteres Beispiel dafür. Der allerdings nutzte die meisten Neuaufnahmen für Variationen im Arrangement, stellte Solo-Reihenfolgen um oder veränderte die Orchestrierung einzelner Ensemblechorusse. Oliver dagegen behielt in diesen frühen Aufnahmen zumeist das gleiche Arrangement bei – es gehörte schließlich einerseits zu seinem täglichen Standardrepertoire und andererseits war Musikern in dieser frühen Phase der Schallplattenindustrie noch lange nicht klar, dass sie ein Dokument schufen, anhand dessen ihre Kunst auch der Nachwelt erhalten und von dieser beurteilt werden würde.

      Die Creole Jazz Band trat übrigens nicht nur in Chicago auf. Vom Frühjahr 1924 ist eine Rezension eines Auftritts in South Bend, Indiana, erhalten, die uns Teile ihres Konzertrepertoires überliefert: ›Dipple Mouth‹ (also ›Dippermouth Blues‹), ›High Society‹, ›St. Louis Blues‹, ›The Eccentric‹. Und dann wird da noch ein Duett vermerkt, das Armstrong mit Lil Hardin gespielt habe: ›Tears‹. Das Stück war 1923 von der Creole Jazz Band aufgenommen worden, um aber eine Vorstellung davon zu erhalten, wie Armstrong im Duo mit Lil geklungen haben mag, empfiehlt sich eine Aufnahme aus den 1960er Jahren, in der der Trompeter zu Hause zu der Aufnahme King Olivers spielt.61 Hier hört man ihn im Vordergrund, und auch wenn mehr als 40 Jahre ins Land gegangen waren und sich sein Stil verändert hat, ist der melodische Ansatz deutlich zu erkennen, den man ansonsten in den Aufnahmen von 1923 eher im Hintergrund erahnen muss.

      Vielleicht ist an dieser Stelle ein Vergleich mit Aufnahmen angebracht, die Freddie Keppard in den 1920er Jahren machte, ein Trompeter, der in Chicago als größter Konkurrent Olivers galt. Er war im Sunset Café mit einer zwölfköpfigen Kapelle zu hören, in der es mit ihm und dem Kornettisten Fats Williams eine ähnliche Konstellation gab wie in der Creole Jazz Band mit Oliver und Armstrong: Williams war für die Lead-Stimme zuständig und Keppard für den Jazz, also das spielerische Element.62 Keppard habe die höchsten Töne klar wie auf einer Flöte spielen können, erzählt Jelly Roll Morton und betont, Armstrong habe ihm in dieser Beziehung nicht das Wasser reichen können.63 Auf den erhaltenen Aufnahmen Keppards ist zumindest seine sichere Tongebung zu erleben, in ›Here Comes the Hot Tamale Man‹ etwa, das er im Juni 1926 in kleiner Besetzung des Orchesters von Doc Cook einspielte – einen Monat später ist die größer besetzte Fassung bereits weit weniger interessant. Cooks Arrangements waren meist reichlich theatralisch, wie sich in ›So This Is Venice‹ von 1924 vergegenwärtigen lässt, einem Titel, der hierzulande unter ›Ein Mops kam in die Küche‹ bekannt ist, in dem Keppard mal ›O Sole Mio‹ interpoliert und dann für einen vollen Chorus sein Instrument lautmalerisch »zum Lachen« bringt. Keppard sei halt ein Clown gewesen, urteilte Armstrong später, der schnelle Beifall sei ihm wichtiger gewesen als die Musik.64 Unter eigenem Namen existieren vom September 1926 nur zwei Titel Freddie Keppards auf Schallplatte, in denen er einen markant-kraftvollen, von stakkato-phrasierten Tönen geprägten Stil zeigt (etwa in ›Stock Yard Strut‹), eine antreibende Ensemblemusik, die jedoch meilenweit von den melodischen Erfindungen entfernt ist, die Armstrong zur selben Zeit spielte. Immerhin sei er in seinen besten Momenten ein »soul musicians« gewesen, attestiert Armstrong, ein Musiker mit emotionaler Tiefe also.65 ›Stock Yard Strut‹ und ›Salty Dog‹ vom September 1926 allerdings waren zugleich Keppards letzte Aufnahmen. Der Erfolg weit jüngerer Musiker und die verpassten Chancen einer größeren Karriere mögen ihn immer mehr deprimiert und zum Alkohol gezogen haben. Im Sommer 1933 verstarb er mit gerade einmal 44 Jahren an den Folgen einer Tuberkuloseinfektion.

      Die junge Chicagoer Szene

      Neben den Tänzern im Lincoln Gardens waren auch junge weiße Musiker auf Armstrong und die Oliver-Band aufmerksam geworden. Sie nahmen sich die schwarzen Profis aus New Orleans zum Vorbild, schlichen in die Tanzsäle oder hielten sich hinter der Bühne auf, um möglichst jeden Ton mitzukriegen. Zugleich besorgten sie sich die Platten und spielten viele der Stücke mit der Dringlichkeit nach, die sie im Lincoln Gardens erlebt hatten. Neben Oliver orientierten sie sich auch an weißen Kapellen wie der Original Dixieland Jazz Band oder den New Orleans Rhythm Kings. Ihre Nachahmung betraf die Themen, die Art und Weise kollektiv zu improvisieren, betraf aber erstmals auch die Nachahmung einzelner Vorbilder. In die Jazzgeschichte ging vor allem ein Kreis von Freunden ein, die gemeinsam die Austin High School besuchten und insbesondere von Olivers Band begeistert waren. Die »Austin High School Gang« bestand aus Musikern wie dem Trompeter Jimmy McPartland, dem Klarinettisten Frank Teschemacher, dem Saxophonisten Bud Freeman, dem Gitarristen Eddie Condon und dem Schlagzeuger Dave Tough. Wie stark der Einfluss Olivers und Armstrongs auf diese jungen Musiker war, zeigen ihre eigenen ersten Aufnahmen, die sich am Ideal der Creole Jazz Band orientierten.

      ›Buddy’s Habits‹ etwa – ein Stück in klassischer Ragtime-Form (AA BB A CCCC) mit einem Slide-Whistle-Solo Armstrongs im ersten C-Teil und einem Duo-Break der beiden Kornettisten im zweiten C-Teil – wird im Februar 1924 von der Bucktown Five eingespielt, einer Besetzung junger weißer Chicagoer Musiker um den Kornettisten Muggsy Spanier und den Klarinettisten Volly De Faut, und die Aufnahme entspricht erkennbar dem Vorbild des Oliver-Arrangements. Der Platz des Slide-Whistle-Solos kommt bei der Aufnahme der jungen weißen Chicagoer dem Posaunisten zu. Und in Spaniers Spiel hört man deutlich, dass dieser sich Phrasen aus Olivers Band abgeschaut hatte, und zwar beim gleich alten Armstrong und nicht etwa beim Bandleader. Vor allem aber wird in diesen Aufnahmen deutlich, dass die rhythmische Energie der Creole Jazz Band die jungen weißen Musiker beeindruckt haben musste, etwa im B-Teil, den sie weit swingender vortragen als die Oliver Band und in dem man ahnt, welche Spuren die neue rhythmische Grundhaltung hinterlassen hatte, die sich insbesondere in Armstrongs Spiel widerspiegelte.

      Übrigens suchten nicht nur die jungen Chicagoer Musiker Olivers Band im Lincoln Gardens auf, sondern auch national bekannte Stars kamen vorbei. Baby Dodds etwa erinnert sich an Paul Whiteman, Guy Lombardo oder Paul Ash, die in den Lincoln Gardens kamen, wenn sie anderswo in Chicago ein Engagement hatten.

      Ende der Creole Jazz Band

      Warum die Creole Jazz Band Anfang 1924 auseinanderging, ist nicht bekannt, aber Geld mag eine Rolle gespielt haben. Dabei ging es sowohl um die Honorare für Aufnahmesitzungen als auch um die Aufteilung der Gage im Lincoln Gardens. Dort habe Oliver Ende 1923 95 Dollar pro Musiker und Woche erhalten, aber nur je 75 Dollar ausgezahlt. Johnny und Baby Dodds, erzählte Lil Armstrong später, hätten das herausgefunden, ihm Prügel angedroht und die Band verlassen.

      Olivers Aufnahmen von 1923 gelten als Musterbeispiel des New Orleans Jazz, auch wenn Experten immer wieder bezweifelten, ob diese so kunstvoll durchgeformte Musik wirklich der in ihrer Vorstellung weit archaischer gedachten Musik in New Orleans entsprach. Schlagzeuger Baby Dodds immerhin bezeugt: »Die Oliver-Band war da ganz traditionell. Joe machte alles gemäß der Tradition in New Orleans.«66 Und selbst Armstrong war schon damals der Tradition so stark verbunden, dass er seinen Bandkollegen bald auf die Nerven fiel, wenn er immer wieder von den Brassbands seiner Heimatstadt schwärmte.67 Zwischen April und Dezember 1923 hatte die King Oliver Creole Jazz Band insgesamt 37 Tracks eingespielt, 30 verschiedene Titel. Es ist eine Musik, die im Geiste des New Orleans Jazz lebt, in der Blues, Ragtime und die populären Schlager der Zeit verarbeitet werden, die eine kollektive Energie zu erzeugen vermag und doch in Ansätzen schon andeutet, was daraus wohl mal werden kann. King Oliver ist der Chef der Band, aber Armstrong der virtuose

Скачать книгу