Verlorener Sohn. Brennan Manning
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In der Auffahrt stand ein großer Dodge Pick-up. Sicher Dennis. Der fuhr nie was anderes als einen Dodge. Der Mann war ein Musterbeispiel an Beständigkeit.
Es musste Zeit fürs Abendessen sein.
„Hey, Dad“, hörte er seine Schwester unten im Flur sagen und dann folgte eine gemurmelte Begrüßung von Dennis.
Er wollte sie nicht wissen lassen, dass er den Tag verschlafen hatte. Jack spritzte sich Wasser ins Gesicht, zog eine Jeans und ein schwarzes T-Shirt über, und turnte immer zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinunter. Als er unten ankam, unterhielten sich die drei in gedämpftem Ton im früheren Wohnzimmer, diesem steifen und ungemütlichen Raum zur Straße hin, der kaum je benutzt wurde.
Dennis hatte sich auf dem staubigen blauen Samtsofa ausgestreckt, das vielleicht so alt war wie er selbst. Mary und ihr Vater saßen auf dem dazugehörigen schmalen Zweisitzer daneben.
Dennis Mays sah auf, als Jack hereinkam, und über sein Gesicht verbreitete sich ein aufrichtiges Lächeln. „Zwölf“, sagte er und wuchtete seine beträchtliche Körpermasse aus dem Sofa, um Jack zu begrüßen.
In seinen drei Jahren als Mayfields Stammquarterback hatte Jack die Nummer zwölf getragen; Dennis war ein Jahr lang sein Left Guard gewesen. Dennis war schon als junger Mann eine stattliche Erscheinung gewesen. Jetzt hatte er in etwa die Statur eines Öltankers. Jack fragte sich, wie ein Mensch rein medizinisch einen solchen Leibesumfang mit sich herumtragen konnte, ohne zusammenzubrechen. Es war zweifellos eine physische Meisterleistung.
„Achtundsiebzig“, erwiderte Jack im Herantreten mit einem Lächeln. Sie gaben sich die Hand und der Händedruck ließ Jack zusammenzucken. Er war sich nicht sicher, ob seine Hand das ohne Operation überstehen würde.
„Schwesterherz“, sagte er, als Mary ihm im Sitzen ihre Hand entgegenstreckte.
„Jack“, sagte sie. Sie nickte, ließ seine Hand los und er trat zurück. Nicht gerade die herzlichste Begrüßung. Aber was hatte er schon anderes erwartet.
Er ließ sich in den hässlichen alten Fernsehsessel sinken.
„Schön, dich zu sehen, Zwölf“, sagte Dennis. „Wirklich schön, dich zu sehen.“
„Deine Schwester hat einen Auflauf mitgebracht“, bemerkte Tom, „ich hab ihr gesagt, das hätte nicht sein müssen …“
„Wenn ich nicht für dich kochen würde, würdest du jeden Abend dieses Fast Food vom Chicken Express futtern“, beschwerte sie sich. Sie wandte sich an Jack. „Er weiß es eigentlich besser. Er sollte wirklich nicht …“
Tom räusperte sich. Mary brach mitten im Satz ab.
Jack, der es bemerkte, machte sich eine kleine innere Notiz, für später.
„Mein berühmter Käse-und-Schinken-Auflauf“, setzte sie wieder an. Sie sah zu Jack herüber. „Mochtest du früher immer gern.“
Dass sie sich daran erinnerte, rührte ihn an. Nach Marthas Tod hatte Mary es übernommen, für sie zu kochen. Ihre Mutter war schon Jahre zuvor schwer depressiv gewesen und hatte kaum noch gekocht. Oft hatte sie ihre Tage im Bett verbracht und war nur zum Abendessen erschienen – in dem Pyjama, den sie den ganzen Tag getragen hatte.
„Danke“, sagte er. „Du musst mir mal das Rezept geben.“
„Steht im Fannie-Farmer-Kochbuch in der Küche“, erwiderte sie spitz. „Wenn du dich dort je aufhalten würdest, wüsstest du das auch.“
„Nun“, schaltete sich Dennis ein und hob die Hand, um sie zu unterbrechen. „Jetzt ist er ja schließlich da, oder? Zwölf, warum schnappst du dir nicht dieses Kochbuch und machst uns für morgen Abend was Schönes? Du hattest schon immer hausfrauliche Fähigkeiten.“ Er lachte – ein tiefes, dröhnendes Lachen, das den Raum ausfüllte.
Es gehörte zu den bekanntesten Legenden von Mayfield: Jack und sein Freund Bill hatten in der Oberstufe Hauswirtschaft belegt. Sie waren die einzigen Jungen auf dem Foto von „Amerikas Hausfrauen der Zukunft“ im Jahrbuch ihrer Schule. Sie hatten es nur getan, um sich um den Mathematikkurs herummogeln zu können – mit Erfolg –, aber für Dennis war diese Hauswirtschaftsgeschichte auch nach zwanzig Jahren noch ein Grund zur Erheiterung. Jacks Ruf im Blick auf seine Männlichkeit hatte das keinen Abbruch getan – als Stammquarterback „QB 1“ war man dagegen für alle Zeiten gefeit.
„Wie war dein Tag?“, fragte Tom, und nach dem dröhnenden Gelächter klang seine Stimme leise. „Produktiv?“
„Ganz gut“, antwortete Jack. „Ja. Ziemlich gut. Hab die eine oder andere Spur.“ Er nickte, ein paar Mal zu oft.
Beharrliches Schweigen. Jack dachte, sein Vater hatte bestimmt durchsickern lassen, dass das Haus dunkel gewesen war, als er kam.
„Wie lange bleibst du, Zwölf?“, fragte Dennis. „Ich könnte ein paar von den Jungs zusammentrommeln. Vielleicht können wir am Wochenende auf die Jagd gehen …“
Mary legte den Kopf schräg, auf diese typische Weise, für die sie bekannt war. Auch sie war interessiert an Jacks Antwort.
„Weiß ich noch nicht genau. Wohl, bis ich ein paar Sachen geklärt habe. Bis die Dinge wieder laufen. Nicht sehr lange.“
Marys Blick war kühl und distanziert. „Bis die Medienleute dich finden?“
Dennis hob den Zeigefinger, um sie zu stoppen, aber sie spie ihm entgegen: „Ich lasse mir nicht länger den Mund verbieten!“, bevor sie Jack ihre nächsten Sätze servierte: „Hast du eine Ahnung, wie viele Anrufe von Fernsehsendern und Zeitschriften aus Orten, von denen ich noch nie im Leben gehört habe, ich schon gekriegt habe? Wie viele Übertragungswagen sich schon vor Dads Laden in Position gebracht haben? Wie viele Schlagzeilen mir an der Kasse im Supermarkt entgegenstarren?“ Sie schnaubte. „,Herzenspastor im mexikanischen Liebesnest.‘“
„Mary …“ – Tom wandte sich Jack zu –, „sie waren doch nur ein paar Tage da. Ich habe gesagt, ich wisse nicht, wo du bist, und dass ich mir auch nicht vorstellen könne, dass du hier auftauchst. Da sind sie verschwunden.“ Er zuckte mit den Schultern.
„Die kommen wieder“, giftete Mary. „Und sie werden uns das Leben zur Hölle machen.“
Jack ließ den Blick durch den Raum schweifen, sah erst seine Schwester an, seinen Vater, dann Dennis.
„Wenn ich euch peinlich bin“, sagte er ruhig und bemühte sich, keine Schärfe in der Stimme zu haben, „dann kann ich auch gehen. Ich kann einfach verschwinden.“
„Oh, klar, Jack“, kam es von Mary. „Genau, wie du es immer machst. Einfach verschwinden. Seit zehn Jahren wolltest du doch schon nicht mehr zu dieser Familie gehören.“
„Seit zehn Jahren hat es hier keine Familie mehr gegeben“, gab er zurück.
„Also, hau ab, Jack“, sagte sie, und die Röte stieg ihr ins Gesicht. „Geh doch zurück zu deiner perfekten Familie und in dein perfektes Leben.“ Sie bereute es sofort. Er sah, wie sie sich auf die Lippen biss, als sie merkte, dass ihre Worte ihm den Atem verschlagen hatten.
Aber die Worte waren nun einmal heraus.
Jack